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AMA08: Ask me anything about Vision - Q&A Session mit Marco zum Thema Unternehmensleitbild

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AMA08: Ask me anything about Vision - Q&A Session mit Marco zum Thema Unternehmensleitbild

Marco Alberti

In der AMA Episode 08 haben wir uns exklusiv dem Thema Vision, Mission und Strategie gewidmet, welches wir als Leitbild des Unternehmens bezeichnen.

Was macht eine gute Vision aus? Was muss man beachten, wenn man ein Leitbild für ein Unternehmen entwickelt? Wie hilft das Unternehmensleitbild beim Zusammenspiel zwischen Strategie, Zielen und OKRs? Diese und viele weitere Fragen haben die Teilnehmer in der AMA08 gemeinsam mit Marco diskutiert.

Die Episode gibt es wie immer bei Spotify, Apple Podcast, Soundcloud, Youtube und überall wo es Podcasts gibt.

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Marco: Philipp, du bist der Erste, der sich hier eingetragen hat, dann können wir mit dir starten, wenn du magst.

Ja, gerne. Erst mal hallo in die Runde. Schön, dass es dieses Event gibt. Wir warten schon sehr gespannt.

Nun, ich habe tatsächlich eine Frage und eine weitere zu den Inhalten. Ich stelle die Fragen zu den Inhalten einfach mal vorneweg. Würden wir in diesem Rahmen auch über eine Strategieableitung sprechen? 

Das können wir gerne tun. Wir versuchen uns heute zu fokussieren auf den oberen Teil der Pyramide, also die Vision, und fragen uns dann nach der Strategie. Das können wir gern tun. Klassische OKR-Fragen würde ich gerne mal beiseitelassen.

Teilnehmer: Ok, dann würde ich mich vielleicht später nochmal zu Wort melden, wenn wir dann in Richtung Strategie gehen.

Sollen Vision und Mission offen oder eher eingeschränkt gestaltet werden?

Meine erste Frage wäre: Was würdet ihr empfehlen, was die Vision und die Mission angeht. Gestaltet man die eher offen, was die Vision angeht? Wie z.B. die IKEA – die sind ja sehr offen – oder waren sie auch schon mit ihrer Vision und die haben sich über die Mission etwas stärker eingeschränkt. Oder sollte man sich schon in der Vision sehr stark einschränken, was das Ziel angeht. 

Marco: Ich kenne die IKEA-Vision und Mission nicht druckreif. Vielleicht könntest du sie uns mal kurz erläutern, sofern du sie kennst. 

Teilnehmer: Ich kann es jetzt nicht genau sagen, aber es geht darum, dass IKEA ein besseres Leben für viele Menschen schaffen möchte – so ungefähr kann man das zusammenfassen. Das ist ja wirklich sehr offen. Über die Mission wird dann eher gesagt: Wir wollen bezahlbare Möbel für möglichst viele Menschen schaffen, damit die eine tolle Einrichtung haben. Das ist dann ja wirklich eingeengt. 

Marco: Wahrscheinlich wäre ich dazwischen. Ich nenne das „Weltfrieden“: Das ist für alle gut. Das ist wahrscheinlich ein Stück weit zu offen. IKEA ist ja in einem bestimmten Bereich tätig und nicht wie Siemens, die eigentlich eine Bank ist und eine Million Sachen macht, sondern IKEA ist ein klar umrissenes Konzept. Deshalb wäre ich wohl eins dazwischen, wie: Die Vision in dem Kontext des Wohnens festzulegen und dann in der Mission vielleicht auf Bezahlbarkeit und solche Themen einzugehen, aber oben schon mal das Themenfeld einzugrenzen. Und da nicht „Weltfrieden“ oder „jeder fühlt sich wohl“ zu definieren – das ist natürlich eine sehr hehre Vorstellung, aber vielleicht ein bisschen zu generische. Und dann in der Mission sehr klar ziehen, was unser Beitrag dafür ist. 

Beantwortet das in etwa deine Frage?

Teilnehmer: Das ist auf jeden Fall schon mal ein guter Fingerzeig. Ich höre auf jeden Fall mal zu, was sonst noch kommt. Ansonsten melde ich mich nochmals. Danke.

Marco: Gerne. Wir können auch jetzt direkt zum Strategiepunkt reinspringen, wenn du da schon eine Frage hast. 

Wie leitet man die Strategie von Vision und Mission ab und wie bestimmt man die Inhalte?

Teilnehmer: Grundsätzlich ja. Wir stehen quasi vor der Problematik, dass wir Vision und Mission neu entwickelt und überarbeitet haben. Gerade im OKR-Kontext haben wir jetzt ein bisschen die Problematik, dass wir nicht genau wissen, wie wir eine Jahresstrategie – soll es bei uns sein – davon ableiten können. Also, wie wir die Leitplanken sinnvoll festlegen; wie weit oder wie eng man das macht; welche Inhalte da rein kommen; ob das ein OKR-Set ist oder ob es Schwerpunkte sind. Da sind wir ein bisschen ratlos. 

Marco: Da seid ihr nicht alleine.

Meine Wahrnehmung ist, dass das Thema Strategie da draußen echt schlecht umgesetzt ist. Irgendwie gibt es auch nicht wirklich eine Aussage, was denn eine Strategie ist. Es ist ja so ein Layer zwischen Mission und OKRs. Wir glauben, dass es nicht ein OKR-Set ist. Denn OKRs sind Ziele und keine Strategien. Und OKRs sind auch auf quartalsebene und nicht auf einer Jahres- oder Mehrjahresperspektive. Demzufolge würden wir sagen, wenn die Mission dein Ansatz ist, wie du die Vision erreichst, dann kann es in anderen Unternehmen andere Missionen geben, die in eine ähnliche Richtung streben, also eine ähnliche Vision verfolgen. Trotzdem ist für dich dann konkreter darunter gebrochen, auf einer Schicht von 12 bis 36 Monaten, wie ihr das denn realisieren wollt. 

Also wenn das der Berg da rauf ist, dann habe ich da unterschiedliche Methoden, um da rauf zu gehen. Ich kann alpinistisch raufgehen, d.h. schnell hoch, schnell runter, dann nehme ich kein Wasser und keinen Baum mit um ein Zelt zu bauen, sondern ich bin so leicht wie möglich hoch. Oder ich versuche ein Basislager zu bauen. Dann sollte ich etwas zum Übernachten dabei haben und ich brauche vielleicht noch eine Jacke und eine Decke. Ich brauche auch Vorräte. 

Das sind ganz unterschiedliche Strategien. Das hat mit dem Ziel, dem Wegpunkt, gar nichts zu tun. Ob ich morgen um 14 Uhr an einem bestimmten Plateau bin oder nicht, das ist ein Ziel. Aber ob ich da jetzt alpinistisch hochgehe oder ein Basislager baue und mich akklimatisiere und Schritt für Schritt hochgehe, das sind unterschiedliche Strategien. 

Ich glaube, auf diesem Level muss man Aussagen treffen. Wenn du das nicht tust, wirst du auf dem Weg Leute finden, der eine rennt, der andere hat keine Jacke dabei… Das sind die Sachen, die dazu Verwirrung stiften, weil man sich über den strategischen Angang dazu nicht ausgetauscht hat. 

Da muss man mal aufnehmen, was es für Möglichkeiten gäbe. Wie könnte man die Mission denn erreichen? Das sind die großen Hebel, die ich habe. Die muss ich mal diskutieren und auslegen. Für den nächsten Zeitraum definiere ich diese Strategie mal. Heißt das, dass ich die morgen über den Haufen werfen kann? Ja, kann ich. Aber solange ich das nicht getan habe, ist das mal die Strategie. Das heißt daraus abgeleitet ist klar: Wenn ich kein Basislager baue, gehe ich möglichst ballastfrei und schnell den Berg hoch. Demzufolge kann ich dann in den OKR-Sets darauf basierend, dass ich diese strategische Aussage getroffen habe, natürlich ganz andere Entscheidungen treffen. 

Warum man sich damit so schwer tut, ist in meinen Augen vor allem das Problem, dass man ja als Führungskraft, als Management-Mitglied, wenn man eine Strategie formuliert, ganz viele Sachen ausschließt. 

Aber das ist ja das, was auch Orientierung gibt. Ich muss ja Wetten platzieren und muss sagen: Okay, schnell rauf, schnell runter – heißt natürlich, wenn wir nicht in einmal hochkommen, hat da oben einer keine Jacke dabei. Das ist schon klar. Deshalb muss ich über die Strategie gut nachdenken, ob die wirklich aufgehen kann und funktioniert und falls nicht, brauche ich halt eine andere. Aber ich glaube, das muss man ausreichend diskutieren und mal alle nebeneinander legen und sagen, für den Moment ist es das, wie wir das angehen wollen und das dann im Quartalsrhythmus hinterfragen. Aber nicht runterbrechen, sondern die Strategie bleibt auf einem Layout von 12 bis 36 Monaten. 

Macht es das ein bisschen klarer?

Teilnehmer: Das macht es auf jeden Fall schon mal ein bisschen klarer. 

Ich würde gerne noch kurz eine Anschlussfrage stellen: Ist es in der Strategie mehr „Was“ oder „Wie?

Bestimmt die Strategie eher das „Was“ oder eher das „Wie“?

Marco: Es ist immer eine Frage, was kaskadiert. Das „Wie“ des einen wird zum „Was“ des anderen. Es ist eigentlich eher das „Wie will ich die Mission denn erreichen?“ Wie will ich denn grundsätzlich die Mission erreichen? Ich glaube, das ist die richtige Frage. Das inkludiert natürlich auch schon ein bisschen das „Was soll denn grundsätzlich dabei herauskommen?“. Die Frage: Was muss ich denn genau machen, ist nicht Teil der Strategie. Deshalb muss man die Frage wohl als Satz formulieren und nicht nur das „Was“ oder das „Wie“. Es beschreibt eher: Wie will ich die Mission auf einem übergeordneten Level umsetzen, also die großen Hebel, die ich habe.

Was ist die Strategie beim Beispiel einer Software: Die Funktionen der Software oder die Vermarktung?

Teilnehmer: Darf ich da praktisch mal dazwischen fragen? 

Marco: Ja.

Teilnehmer: Um das ein bisschen praktischer zu machen, wäre eine Strategie gar nicht, wenn ich jetzt an eine Software denke, die man herstellt, welche Funktion ich so da einbauen will. Ich gucke, was unser Kunde braucht, welche Funktionen er will. 

Sondern wäre die Strategie eher, dass ich sage: Wir machen dieses Jahr nur Rabattaktionen, damit die Software bekannter wird oder wir stopfen sie mit neuen Funktionen zu. Sind das eher Strategien als genau, welche Funktion man einbaut?

Marco: Also, ob du jetzt zum Beispiel sagst: Ich gebe ein Basismodell raus und dann gibt es eine Pro-Version, die muss man bezahlen, das wäre eine klassische Strategiediskussion. 

Das Thema, was die Software kann, ist durchaus auch strategisch zu betrachten, aber halt nicht als Einzelfeature, sondern: Wollen wir uns dieser Zielgruppe nähern, wollen wir Funktionen bauen, die ein bestimmtes Feld abdecken, ja oder nein? Wie die Diskussion schon zeigt, sind das strategische Fragestellungen, die ganz viele Implikationen mit sich bringen, und nicht ein Feature. Per se ist das erst mal egal. Sondern die Frage: Warum betreiben wir dieses Feature dann, damit etwas anderes passiert. Und das muss dann natürlich zur Vision passen. Wenn es das nicht tut, dann sollte ich es lieber gar nicht tun, auch wenn ich damit vielleicht ein paar Kunden gewinnen könnte.

Teilnehmer: Ok. 

Marco: Super. Dann kommen wir zur nächsten Frage.

In wie vielen Sätzen sollte eine Vision idealerweise ausgedrückt werden?

Teilnehmer: Meine Frage wäre ganz praktisch: Wie lange sollte denn so eine Vision idealerweise sein?

Marco: Du meinst vom Zeithorizont her betrachtet?

Teilnehmer: Nein. Sollte sie in einem Satz oder in zwei Sätzen formuliert sein? Oder fünf, wenn wir das Gefühl haben, wir wollen da mehr reinpacken.

Marco: Meine Erfahrung ist, ein bis zwei Sätze sollten es tun. Wenn du fünf brauchst, ist der Kern noch nicht wirklich frei gelegt. Dann ist noch nicht klar, worum es eigentlich geht. 

Teilnehmer: Ok. Das heißt wirklich auf ein oder zwei Sätze reduziert.

Marco: Man kann es in der Regel immer auf den Kern runterbrechen und verdichten. Wenn man das noch nicht geschafft hat, dann ist man erfahrungsgemäß noch nicht am Kern. Das ist meistens die Antwort. Wenn ich mehrere Sätze brauche, dann habe ich den Kern noch nicht getroffen und dem Verlangen nach „Wir müssen es weiter ausprägen“ wird ja dadurch stattgegeben, dass ich eine Mission habe, die auch wieder ein oder zwei Sätze konkretisiert. In diesen ein, zwei Sätzen stecken ja unterschiedliche Dimensionen drin. In dem einen oder den zwei Sätzen habe ich ja drei, vier oder fünf Dimensionen adressiert, die ja auch schon eine gewisse Breite geben. Und dann habe ich darunter nochmal, sagen wir, noch acht bis zwölf Strategien. Das wird dann schon ein recht breites Fundament.

Wenn ich das Gefühl habe, ich muss oben schon fünf Sätze sagen, wie soll ich die denn noch breiter ziehen und dann noch breiter ziehen bis irgendeiner das Gefühl hat, er verstehe, was wir da machen. Demzufolge: knackig halten. Wenn das nicht gelingt: nochmals darüber nachdenken.

Teilnehmer: Super, Dankeschön. Das hilft mir schon mal weiter.

Wie vermeidet man, dass eine Vision nicht zum Papiertiger wird, sondern gelebt wird?

Teilnehmer: Die zweite Frage hat sich jetzt schon ein bisschen beantwortet aus dem, was vorher gesagt wurde, nämlich: Wie kann man die Vision am besten leben? Ich habe da ein bisschen Angst davor, dass wir uns eine Vision und Mission erarbeiten und sie dann in einer Schublade verschwindet und wir das als Organisation vielleicht nicht immer schaffen, das zu leben. Aber da hat mir das mit den OKRs und mit der Strategie und quasi dieser Aufbau als Pyramide schon sehr weitergeholfen. 

Marco: Genau. Am Ende des Tages geht es ja nicht darum, einen schönen Satz zu finden, der auf dem Power Point, über der Tür oder an der Wand landet, sondern etwas, wo ich mir immer die Frage stelle: Die Sachen, die ich mache, helfen mir die, um die Visionen zu erreichen? Wenn die Vision nichtssagend ist, dann hilft mir die Vision nicht, die Frage zu beantworten. Andersherum wird es aber in das tägliche Leben überführt. Dadurch dass ich ja anfange, immer wieder darüber zu reflektiere und diesen pyramidalen Überbau zu benutzen und immer die Frage zu stellen: Hey, ich kann so viele Sachen machen, die Frage ist, was davon sollte ich tun? Dazu brauche ich den Kontext und den Kontext liefert ja der Überbau. Wenn ich mir sage: Ich könnte ja eine Million Sachen machen – welche davon sollte ich machen? Dann muss mir die Vision eine klare Antwort darauf geben, dass es fünf Dinge gibt, die mich am weitesten bringen und 732‘000 könnte man ja sicher auch machen, das wäre sicher spannend oder würde Geld bringen. Aber es bringt mich nicht in diese Richtung. In diesem Gesamtkontext liefert es Orientierung. 

Teilnehmer: Super. Dankeschön. 

Marco: Gern. Dann kommen wir zur nächsten Frage.

Wie kann ich OKR einführen, begleiten und umsetzen, ohne im entsprechenden Team zu sein?

Teilnehmer: Ich glaube, das könnte ich sein. Ich stehe vor der Herausforderung, dass ich gerne die Methode OKR platzieren möchte. Ich habe dann zu tun mit drei Kompetenz-Teams, crossfunktional und cross-kompetent, die jeweils auch eine Strategie haben, auf zwei, drei Sätze eingedampft. Von daher fand ich das Ganze hilfreich, was du soeben sagtest. Ich bin aber nicht klassisches Element dieses Teams, sondern ich bin denen organisatorisch übergeordnet. Ich möchte sie sozusagen wie einen Coach begleiten, mich da aber nicht reindrängen.

Marco: (lacht) Deine Frage konkret ist… formulier die Frage nochmals konkret, bitte.

Teilnehmer: Wie kann ich die Einführung von OKRs initiieren, unterstützen, begleiten und durchsetzen, ohne dass ich selber Mitglied eines dieser drei Kompetenzteams bin? Es gibt eine Strategie und die fühlen sich auch missioniert und sind jetzt auch jeweils unterwegs. Ich bin halt nur der Meinung, dass es ihnen gut tun würde, weil ich denke, dass sie sich in der Zielausrichtung noch nicht voll entwickelt haben und auch zu starr nur auf Zahlen gucken, statt auf richtige Ziele. 

Marco: Also wenn man das im Kontext von Visionen & Co. mal denkt, dann helfen dir die Zahlen ja nicht. Das ist schon mal der erste Punkt, der klar zu machen ist: Schaut mal, die Zahlen sind immer nur ein Indikator dafür, wo bewege ich mich auf dem Weg zu einem bestimmten Fixpunkt hin. Aber wie orientiere ich mich im großen Ganzen – kann mir die Zahl nicht liefern. Jetzt muss ich natürlich die Frage stellen: In welchem Kontext bewege ich mich denn da eigentlich? Habe ich eine inhaltliche Vision und eine Mission und eine Strategie, an die ich wirklich glaube? Dann kann ich das natürlich immer ins Verhältnis zu den Zielen setzen, die ich habe. 

Wenn ich da nicht wirklich daran glaube, haben wir schon oft erlebt, dass man sich dann natürlich lieber an den Zahlenwerken KPIs & Co. festhält, weil es einfacher ist. Da gibt es eine Orientierung, die ist messbar, die ist zählbar, die ist wahrnehmbar und die ist auch sozial akzeptiert. Dann orientiere ich mich eben in dem Feld.

Wenn du jetzt klar machen kannst: Schaut mal eure Orientierung in diesem übergeordneten Feld, die ist noch nicht da, wo du sie vielleicht gerne sehen würdest oder wo du glaubst, dass es Potential gibt. Dann musst du herausfinden, ob die anderen das auch so sehen. Wenn die auch feststellen, die Orientierung ist noch nicht da, dann muss man die Frage stellen: Glauben jetzt alle daran, dass wir eine Vision / Mission / Strategie haben, die wir gut finden und auch verfolgen. Wenn die Antwort ja ist, aber trotzdem noch keine Orientierung liefert, dann muss man sich nochmal fragen, weil die Qualität offenbar noch nicht da ist, wo sie hin muss. 

Wenn man sagt: Nein, wir orientieren uns lieber an Zahlen und Zielen, weil wir eben nicht an die Inhalte glauben. Dann ist natürlich das Tor geöffnet, um sich sozusagen gemeinsam dieser übergeordneten Orientierung zu widmen und daraus dann abgeleitet zu sagen: Hey, wenn wir jetzt alle auf eine gleiche Mission blicken, wenn wir an die Strategie glauben und verfolgen wollen, dann kann ich natürlich auch hingehen und sagen: Die Ableitung daraus ist ja jetzt, in einem Quartalsrhythmus OKRs zu formulieren und zu sagen, das linkt immer mit dem  Übergeordneten, bringt mich das jetzt wirklich in dieser Strategie ein paar Meter nach vorn oder nicht? Das kann ich dann in der Reflexion auch sehr genau messen, begutachten und was auch immer.

Die Rolle des Coaches muss ich ja auch irgendwie schwerlich lernen. Man kann Leute nicht zwingen. Demzufolge kann man Leute auch nicht zum Jagen tragen. Die Frage ist: Haben sie Spaß daran, wenn sie diese Vision verfolgen und die Mission und die Strategie erstrebenswert finden, sich dahingehend performant nach vorne zu bewegen. Wenn die Antwort Ja ist, kann man ja mal sagen: Schaut mal, dieses System kann euch in der Reflexion helfen, alle drei Monate darüber nachzudenken, ob die Wetten, die wir platziert haben, die richtigen sind, und ob die Energie, die wir investieren, uns wirklich in die Richtung lenkt, die wir wollen. Dabei kann jemand, der nicht Teil des Teams ist, durchaus helfen, bei diesem reflektiven Prozess, aber man kann sie auch nicht zwingen. Wenn sie sagen, ich mache lieber mit meinen KPIs weiter, die ich schon hatte, dann wird es schwierig als Nicht-Teil des Teams. Genauso als Berater kannst du auch nicht jemanden zum Annehmen des Systems zwingen, sondern du kannst nur die Vorteile klar machen, kannst nur sagen: Schau mal, so würde es besser gehen. Hilft das?

Teilnehmer: Ok. Danke.

Marco: Zauberei ist das alles nicht.

Hat eine Vision in einem Produktionsbetrieb die gleiche Wirkung wie in einem technischen Betrieb? Hat das Ausbildungsniveau der Mitarbeitenden eine Auswirkung darauf? Oder ist die Auswirkung gleich?

Teilnehmer: Hallo zusammen. Meine erste Frage richtet sich ein bisschen an deinen Erfahrungswert, Marco. Du hast ja viele Jahre auch Beratungstätigkeit durchgeführt. Bist du der Meinung, dass eine Vision in einem klassischen Produktionsbetrieb mit Maschinen, CNC, Drehautomaten, die gleiche Tragkraft entwickeln kann wie ein Innovation-Start-Up, also einem Tech-lastigen, Software-lastigen Unternehmen? Weil, ich glaube, die meisten, die hier im Call teilnehmen sind eher aus diesem Tech-Bereich, ich finde, dass der Produktionsbereich immer etwas unterrepräsentiert ist. Wie ist da deine Einschätzung?

Marco: Also, die kurze Antwort ist: Ja, auf jeden Fall. Das kann genauso gut wirken. Nimm die Autoindustrie: Wenn man sich damit ein bisschen beschäftigt, gibt es recht wenig Visionäre und einen recht Visionären. Haben die heavy Business? Produzieren die Sachen, produzieren die erst mal Werke, die die Sachen produzieren, die sie dann zum Produzieren brauchen, nämlich sowas wie Batterien? Ja, total! Dauert das Jahre? Ja, voll! Ist das irgendwie unumstößlich für eine gewisse Weile, wenn man das entschieden hat, dass zu tun? Auf jeden Fall! Aber entwickelt das die gleiche Strahlkraft? Ich würde sagen: auf jeden Fall! 

Also, wo siehst du die Argumente dagegen oder die, die dich davon abhalten würden, eine klare Vision da reinzubringen? 

Teilnehmer: Also als Beispiel nehmen wir jetzt mal das klassische Tech-Start-Up. Dort sind die beteiligten Personen viel homogener in ihrer Motivation und ihren Bildungsständen. Wenn ich mir z.B. einen klassischen Sauerländer Drehbetrieb heraussuche, da habe ich halt Leute an den Maschinen, die haben eine andere Motivation, einen anderen Bildungsstand als Leute aus dem Management. Und da eine Vision zu kreieren, die – ich sag mal – so an der Maschine motiviert, da auch jeden Tag mehr zu geben als nur acht Stunden oder die Schichtzeit abzuarbeiten. Das finde ich deutlich schwieriger als bei einem Softwareunternehmen. 

Marco: Findest du? Weiß ich gar nicht. 

Die Person, die im klar strukturierten Prozess arbeitet, will ja eigentlich idealerweise als Mensch auch etwas machen, was ein bisschen Mehrwert bringt und nicht nur irgendwo hingehen, um den Scheck wieder mit nach Hause zu nehmen. 

Die Auswahlmöglichkeiten sind möglicherweise nicht ganz so groß, weil in der Region es nicht so viel gibt, der Bildungsstand ist möglicherwiese ein anderer. Also man kann es sich nicht aussuchen, aber wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich ja lieber was machen, was irgendwie Sinn macht, anstatt was nicht so viel Sinn macht, aber wo ich nur Geld dafür kriege. D.h. so von der Grundmotivation ist der Mensch als solches ja relativ ähnlich. 

Die Frage ist: Hat das Topmanagement ein Bild auf die Welt, wo man sagt, hey, da will wirklich jemand was mit den Produkten, die da produziert werden, verändern oder geht es um Absatz von Stückzahlen. Ist das der Rest, der die Fabrik leitet, sozusagen ähnlich uninspiriert wie der, den du grade gezeichnet hast oder nicht? Wenn du es schaffst, das Thema „Was machen wir denn mit unseren Produkten“ aufzuladen, dann bin ich doch als jemand, der an der Maschine steht, viel mehr motiviert da mitzumischen. Ich produziere doch lieber einen Teslar, dann habe ich zwar vielleicht einen genauso blöden Job, wenn er mir nicht Spaß machen würde, aber ich hätte doch zumindest mal irgendwo die Welt vom Untergang gerettet, anstatt zu sagen, hier krieg ich beim Opel am Band meine drei Mark zwanzig. Inhaltlich da was zu liefern, wo man Spaß daran hat, ist immer eine Herausforderung. Das ist auch eine Herausforderung für denjenigen, der die Vision liefern „muss“, für eine sehr, sehr schlagkräftige Truppe, die ganz viele Auswahlmöglichkeiten hat. Das bleibt Herausforderung. Ich glaube schon, dass du das liefern kannst. 

Die Frage ist so ein bisschen: Hat man es in dem produzierenden Betrieb schon so weit geblickt, dass man da sagt: Ah, da fehlt tatsächlich etwas. Ist vielleicht die Produktionsstraße als solches sogar unter Risiko und gibt es das vielleicht in zehn Jahren alles gar nicht mehr, weil das automatisiert wurde. Was ist denn unsere Antwort darauf? Was wollen wir damit erreichen? Da kannst du dann schon viel bewegen, wenn du was veränderst.

Teilnehmer: Also würdest du sagen, dass die Herangehensweise dann auch ähnlich ist, völlig unabhängig vom Unternehmen?

Marco: Völlig.

Teilnehmer: Völlig. Ok. 

Marco: Also ihr habt die gleiche Herangehensweise bei produzierenden wie bei rein virtuellen Betrieben, weil am Ende das Produkt nur immer Mittel zum Zweck ist. Es ist völlig egal, ob ich eine Beratung habe oder einen Hammer produziere – es geht weder um die Beratungsleistung noch um den Hammer. Es geht immer um den Nutzen, der dahinter steht. Der muss irgendwie auf ein höheres Ziel einzahlen. Somit wird es in diesem Visions-Missions-Thema sowieso physisch nicht relevant. Wenn du eine Bohrmaschine herstellst, ist immer das Problem, dass kein Mensch eine Bohrmaschine haben will. Wenn du den Nutzen nicht findest, den da einer mit anstellen will, wird es langfristig schwierig, deine Bohrmaschine zu vertreiben. Demzufolge musst du das immer auf der Metaebene und unabhängig von dem Produkt und dem produzierenden Betrieb sein, weil auch die Dienstleistung, auch die Beratung, sind auch irgendwie „produktisierte“ Themen, die aber eigentlich einen Nutzen generieren und den musst du finden, um dieses Thema zu diskutieren. Dann ist das wieder der gleiche Prozess. Die Strategie, dafür eine Fabrik zu bauen, die physische Produkte hat, ist dann auf einem anderen Level zu diskutieren. Ob das für den gegebenen Moment noch der richtige Pfad ist oder in drei Jahren vielleicht ganz anders aussieht, da kann sich das dann unterscheiden. 

Teilnehmer: Ok. Wir haben momentan so die Situation, dass wir Anfang Oktober ein Strategiemeeting haben, wo es genau darum geht, eben eine Vision zu formulieren. Wir haben erste Versuche mal gemacht. Mit Qualitätsleitlinien haben wir in einer Reihe von Workshops die komplette Belegschaft miteinbezogen. Aber es sind Sätze entstanden, die – ich würde schon sagen – grob etwas mit einer Vision zu tun haben. Also, wir wissen weshalb wir jeden Tag zur Arbeit kommen. Wir haben alle miteinbezogen, wir haben eine Leitlinie. Aber…

Marco: Warum kommt ihr denn jeden Tag?

Teilnehmer: Vielleicht als Background: Wir sind Zulieferer in der Medizintechnik und viele Bestandteile, die wir produzieren laufen beispielsweise in Dialysegeräten. Es motiviert natürlich, Leuten eine gewisse Lebensqualität zu ermöglichen, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist. 

Marco: Das ist doch super. Das geht ja schon total in die richtige Richtung.

Teilnehmer: Ja, das spüren wir auch, dass das die richtige Richtung ist. Aber leider kriegen wir das noch nicht so griffig formuliert, dass wir es in ein bis zwei Sätzen haben. Ja. Reicht das.

Marco: Kann sein, dass ihr versucht, in ein bis zwei Sätzen eure Produkte einfließen zu lassen? 

Teilnehmer: Kommt hin und wieder mal vor, aber ich versuche da immer mal den Gegenpol zu bilden und die Vision dann eher auf das „Best practise“ zu lenken, aber wir rutschen dann schon hin und wieder mal ab. 

Marco: Man muss vielleicht verstehen, dass das eigentliche Produkt nichts mit der Vision zu tun hat und auch nicht mit der Mission. Denn das ist immer nur Mittel zum Zweck. Wenn morgen einer sagt, OKRs sind ein Quatsch, ist für mich die Welt immer noch genau die gleiche wie vorher. Denn OKRs sind mir als solches auch egal, weil sie nur ein Mittel zum Zweck sind. Das, was dahinter liegt, ist das, was mich treibt. Demzufolge kann ich auch in drei Jahren irgendwie ein ganz anderes Tool nutzen, um das Ziel, das ich eigentlich verfolge, zu erreichen. 

Was ich sagen will, ist, du musst dich von der Produktebene lösen. Der Bohrmaschinenhersteller wird seine Vision für die Zukunft nicht finden, wenn er auf der Bohrmaschine rumdenkt. Wenn es darum geht, der größte, der billigste, der beste, der Qualitätsführer … zu sein, das ist alles total egal, weil es nicht um Bohrmaschinen geht. Es geht auch nicht um Löcher. Sondern es geht irgendwie um die darüber hinausgehende Aufhängung von Sachen oder Befestigungen oder weiß der Geier was. Wenn ich das verstehe, werde ich Innovationspotential finden, werde ich Begeisterung finden, werde ich Bedrohungslagen finden. Aber solange ich auf der Bohrmaschine herumhämmere, wird dabei nichts herauskommen und dann wirst du es auch nicht auf zwei Sätze verdichten können. Du musst die Ebene nach oben heben und dann findest du’s. Es ist natürlich schwierig, einem Traditionsunternehmen zu sagen: Ich weiß das mit den Bohrmaschinen schon. 

Aber bei euch ist es insofern ein Stück einfacher. Wenn es um Gesundheit geht, hast du ja sofort etwas, das mit den Leuten was macht. Wenn du dann auch noch sagst: Gesundheit in einem speziellen Feld, ist das ja verhältnismäßig einfach, weil du ja das Problem adressieren kannst. Also, du kannst den Kampf, in den du ziehst, adressieren. Jemand, der an einem Problem leidet, wozu man Dialysegeräte braucht, der hat ein echtes Problem. Und wenn man das wegkriegt und jemand leben kann, als ob er dieses Problem nicht hätte. Da habe ich doch schon alles erledigt, was ich erledigen muss, um einer ganzen Menge Leuten Orientierung zu geben, weil ich dann am Ende sagen kann: Schau, unsere Vision ist „Wir wollen, dass die Leute mit dem Problem ihr Leben leben können, wie wenn sie es nicht hätten.“ Dann ist die Geschichte auch schon relativ schnell erzählt. Darunter kann ich wahrscheinlich sehr, sehr viel drunter hängen, was am Ende zu Strategien führt. 

Aber ich kann auch eine ganze Menge Sachen weglassen, wo man sagt: Hey, hilft das jemandem mit dem Problem X, das Leben eines normalen Menschen zu führen, also „normal“ im Sinne davon, der dieses Problem nicht hat, ja oder nein. Wenn nein, dann ist es für uns gerade auch nicht relevant und dann geht es weiter in der Diskussion. Das stiftet dann so schnell so viel Orientierung. Damit kannst du viel machen. 

Hat das mit den Produkten zu tun, die ihr jetzt – Stand heute – produziert? Nein. Aber ist es der Antrieb dafür, diese Produkte zu verbessern, neu zu erfinden, genauer darüber nachzudenken, an die Iterisierung zu denken, in alle möglichen anderen Felder reinzudenken, um diese Mission zu erreichen? Auf jeden Fall.

Teilnehmer: Ja, ich verstehe, was du meinst. Es ist auch wirklich so, durch den Gesundheitsbereich ist es einfacher. Wir haben nur ein bisschen die Krux, wir sind vorgeschaltet. Wir haben nicht das Endprodukt der Dialysegeräte, nur Teile, die dazu beitragen, irgendwas an der Funktion zu erfüllen. 

Marco: Verstehe ich. Trotzdem kann man diese Vision-Mission in der Richtung verfolgen und dann vielleicht auch rausfinden, dass derjenige, der das hinter euch baut, möglicherweise seinen Job noch nicht so gut macht, wie man ihn machen müsste, um es richtig gut zu lösen. Und vielleicht treibt euch das in die Innovation, weil ihr euch sagt: Hey, wenn der hinter uns den Job nicht so machen würde, sondern so, wäre unsere Mission schneller erfüllt. Also müssen wir die vielleicht pushen, ihre Geräte anders zu bauen. Und vielleicht liefern wir ihnen dazu die Sachen, die sie brauchen, um ihre Geräte anders zu bauen. Vielleicht gehen die uns aber auch so auf die Nerven, dass wir sagen, ok, dann bauen wir das Gerät halt selber, weil die das nicht hinkriegen. 

Aber wenn du eine Mission verfolgst, dann ist der Rest halt… das ist ja der Unterschied: Das ist eine Mission, die du verfolgst und das ist nicht: Ich bin hier der Mittelständler auf der grünen Wiese und habe eine Maschine und kann damit drei Teile produzieren, wem kann ich das noch andrehen? Sondern: Ich will, dass niemand mehr unter diesem Problem leidet und wenn mir das nicht schnell genug geht, muss ich das eben selbst machen. Das ist der Unterschied. Das ist nicht der Fragestellungs-Bogen: Wo kann ich noch einen Absatzmarkt finden?

Teilnehmer: Ok.

Marco: Das muss man ernst meinen. 

Teilnehmer: Super, vielen Dank. Du hast mir schon sehr geholfen. Hättest du vielleicht einen abschließenden Tipp für unser Strategiemeeting, was wir da berücksichtigen sollten?

Marco: Puh… Schau zu, dass da eine Vision rauskommt, die eine Vision ist, die nicht den Möglichkeiten, die ihr heute habt, gerecht wird, sondern, die visionär ist.

Wenn du sagst: Aber wir machen nur ein ganz kleines Teil an der Maschine, wenn du willst, dass was wirklich Gutes dabei rauskommt, dann musst du dich dem großen Ganzen annehmen, auch wenn du nur ein kleines Teil davon bist. Das ist glaube ich, einer der Ansatzpunkte. Ich gucke auf das große Ganze und will, dass das Problem behoben wird.

Marco: Ok. Super, vielen Dank.

Marco: Gerne.

(begrüßt nächsten Teilnehmer)

Was empfiehlst du, wenn das Management die OKR-Methode umsetzen und leben, sich mit Visionen aber nicht auseinander setzen möchte?

Teilnehmer: Wir hatten ja vorhin schon mal das Thema, dass du sagtest: Als Berater sollte man die Leute auch nicht zu ihrem Glück zwingen und sagen, ihr müsst jetzt unbedingt eine Vision haben. Man sollte sie letztendlich von den Vorteilen überzeugen. 

Für mich ist jetzt gerade tatsächlich die Frage, wenn ein Unternehmen bewusst darauf verzichtet, also nicht das Unternehmen, sondern das Management, das bewusst darauf verzichtet, eine Vision zu haben. Sei es, weil es vielleicht im Augenblick keinen Sinn macht, weil man auf eine kurze Sicht fährt und sagt, ich will gar nicht auf einen drei, zehn oder fünfzehn Jahreshorizont gucken. Ich finde aber als Management die OKR-Methode ganz toll, weil man da ganz toll Ziele verfolgen kann. Und die Ziele sind irgendwie auch nicht voll erfüllt...

Was wäre denn da deine Empfehlung, wie soll man damit umgehen?

Marco: Wer bin ich denn, also, wem gebe ich denn die Empfehlung?

Teilnehmer: Na, dem Management letztendlich. D.h., das wäre im Prinzip genau die Frage. Du willst die Leute nicht zu ihrem Glück zwingen, aber was wäre dann aufgezeigt an der Stelle zu sagen: Wäre eine Vision eventuell sinnvoll, weil …. ?

Marco: Weil es sonst die anderen machen und dann wird es sich wirtschaftlich regeln. Das ist relativ easy. Ich bin nicht so Fan vom immer die gleichen Sachen zu zitieren und die großen amerikanischen Unternehmen heranzuziehen, aber ich habe mit einigen deutschen Automobilern über ihre Vision geredet. Das ist ein Trauerspiel. Da kannst du sagen, die können das PowerPoint-Spiel weitermachen. Da könnt ihr das so lange machen, bis euch irgendwie die PowerPoint ausgeht oder bis der Elon das geregelt hat. 

Oder es fängt mal einer an, drüber nachzudenken. So und jetzt so langsam kommen sie auf die Idee: „Mist, da ist irgendetwas mit der Vision, irgendeiner meint das mit der Vision ernster als wir und jetzt müssen wir was dran ändern.“ 

Und die andere Frage ist, wenn ich jetzt da als Mitarbeiter agiere und sage: Eine Vision haben wir nicht, aber Ziele. Da ist dann die Frage: Wo kommen denn die Ziele her und wo sollen die denn hinführen? 

Da gibt es so ein schönes Zitat: „Als ich das Ziel aus den Augen verlor, verdoppelte ich die Geschwindigkeit“. Das ist ungefähr so wie OKRs einführen ohne Vision und dann auch noch sagen: Jetzt haben wir die Ziele nicht erreicht. Dann ist ja auch die Frage: Wofür überhaupt? Und wie soll ich denn das erreichen: Ziele reflektieren, wenn ich gar nicht weiß, wohin das Ganze überhaupt führen soll. Wenn ich darauf keine Antworten habe, wird es in der intellektuellen Auseinandersetzung mit einem ernsthaften Mitarbeiter auch schwierig. [...] Schau, Corona macht es gerade schwierig, wir haben gerade nicht den Luxus, uns mit sowas zu beschäftigen, wir müssen sehen, dass wir alle Gehaltschecks bezahlen können. 

Das kann mal für einen Moment sogar wahr sein. Das heißt aber trotzdem nicht, dass ich nicht doch besser eine Vision hätte, was ich denn eigentlich mache, die mir gerade ungünstig zersägt wird, weil sich die Realität um mich herum verändert. Es gibt keinen Grund, keine Vision zu haben. Sondern es gibt immer nur kurzfristige Sachverhalte, die mich vielleicht in meinem Plan behindern. Zu sagen: Ich weiß eigentlich auch nicht so genau, was wir hier machen, aber hast du nicht Bock mitzumachen? Das ist ja eine komische Frage. 

Das kann man ja mal so in den Raum stellen und dann kann sich jemand sagen: Ja, aber mir geht es eigentlich nur um unsere finanziellen Kennzahlen, weil da hängt mein Bonus dran. Ok, habe ich verstanden. Ist das verwerflich? Nein. Kann man so machen. Habe ich da Bock mitzumachen?  Muss jeder für sich selbst verantworten. 

Es gibt so Strömungen in unserer Gesellschaft, wo ich sage: Ich glaube eher, die Mehrzahl der Leute wird im zunehmendem Zeitablauf viel weniger Bock haben da mitzumachen. Kann ich mir noch überlegen: Brauche ich die alle oder kann ich auch alleine weitermachen? 

Das sind alles so Überlegungen, die du da irgendwie führen kannst. Aber wenn du darüber nachdenkst, OKRs einzuführen und den Leuten zu sagen: Hey, schaut, das ist ein Tool, damit versuchen wir zu verstehen, wo wir unsere Energie investieren. Die spannende Frage ist ja nicht… Die fragen mich immer alle: Ja, und, wie hat man denn seine Ziele erreicht? Das ist am Ende völlig egal. Es geht nicht um das Erreichen von den Zielen. Die Frage ist das Reflektieren über die Ziele – das ist der spannende Punkt. Haben wir die richtigen Ziele rausgesucht und habe ich die konsequent verfolgt? Das ist das Einzige, was in diesem Modell spannend ist. 

Wenn ich dazu aber keinen Kontext habe, kann ich die Reflexion überhaupt nicht anstellen. D.h., der Grundaufhänger von allem, was in den OKRs überhaupt reizvoll ist, wird nicht reflektiert. Dann kann ich natürlich immer sagen: Naja, ich habe den allen gesagt, sie sollen Hundert machen und sie haben nur achtzig gemacht. War das jetzt gut oder nicht? Keine Ahnung. Das ist aber nicht spannend.  

Das ist glaube ich der Punkt. Den musst du diskutieren. Dann fängt man an zu verstehen, ach, wenn es gar nicht um achtzig oder hundert geht, sondern um das Rausfinden, war die Wette die richtige und haben wir die konsequent verfolgt? Wenn nein, was war da besser dran, wenn man das anders gemacht hätte usw. Dann wird es ja spannend. Das geht nicht ohne Kontext. Dann sollte irgendjemand auf die Idee kommen: Da kann man sich ja mal damit beschäftigen, das ist vielleicht doch die Zeit wert. Und dann gibt es eigentlich auch wenig Widerstand. 

Wenn es dann noch immer Widerstand gibt, musst du dir überlegen, ob du die Diskussion an dieser Stelle weiterführen willst oder nicht und deinen eigenen Weg woanders fortsetzt. 

Teilnehmer: Ja. Vielen Dank. Es beantwortet und bestätigt mich darin, dass ich viel von dem, wie ich denke, da auch wiederfinde. Vielen Dank.

Marco: Aber was glaubst du, ist der Widerstand, sich damit auseinander zu setzen? Wie kommt man als Management auf die Idee – wenn man das mal so zusammenfasst – es braucht gar keine Vision?

Teilnehmer: Also, ich weiß, was der Hintergrund ist, aber das kann ich jetzt an der Stelle nicht erläutern. 

Marco: Ja, gut, auch fair. 

Teilnehmer: Das hat aber nichts damit zu tun, dass die an der Stelle visionslos sind, sondern das hat einfach… wie gesagt, ich kann das jetzt nicht erläutern.

Marco: Aber auch, wenn es externe Faktoren sind, ist es immer besser, eine zu haben, als keine zu haben. Denn selbst wenn die schwierigen Zeiten vorbei sind, wäre es hilfreich, dass man danach in der Richtung wieder rauskommt, in der man eigentlich rauskommen will und nicht irgendwo rausgespült wird, wo man eigentlich gar nicht hinwollte. 

Teilnehmer: Gut.

Marco: Gerne. Fabian, hast du noch was reingeschrieben?

Wie geht man deiner Meinung nach am besten vor, um eine Vision zu finden und zu manifestieren?

Teilnehmer: Ja, jetzt habe ich noch was reingeschrieben. Zwei Sachen. Ich habe Freunde, die haben schon eine HILTI-Bohrmaschine gekauft, nur der Bohrmaschine wegen. Also, wenn du eine sehr starke Marke hast, dann geht es auch so, da geht es auch ohne, dass man das Loch braucht. Ohne irgendwelche…

Marco: Absolut. Ich habe auch mit denen darüber geredet. Das ist die Frage, ist das das tragfähige Teil ihres Modells. Oder… Du wirst immer Ausnahmeerscheinungen finden. Die Frage ist, trägt das dein Modell oder nicht.

Teilnehmer: Genau. 

Also, uns gibt es als Unternehmen auch schon sehr lange, also 20 Jahre jetzt – in nem IT Umfeld sehr lange...und wir haben nie eine Vision niedergeschrieben. Aber wir leben halt alle eine Vision, wir wollen alle wissen, wo wir hinwollen, das Team spürt das glaube ich auch. Jetzt ist auch ein bisschen die Frage… Vielleicht war es auch grad die Frage vorher. Es gibt natürlich irgendwie eine Vision, wahrscheinlich von der Geschäftsführung, vom Führungsteam, wohin sich das Unternehmen sich hin-entwickeln soll, ist aber noch nicht niedergeschrieben. 

Marco: Hmm. Die Frage ist immer: Gibt es eine Vision, wo sich das Unternehmen hin entwickeln soll im Sinne von Größe, Umsatz, Mitarbeiterzahl, Gewinn, was auch immer oder gibt es eine inhaltliche Vorstellung?

Teilnehmer: Inhaltlich. Ich denke, es gibt auch immer eine inhaltliche Vorstellung. 

Marco: Nicht zwingend, nein. Also, es gibt mehr als genug, wo es die nicht gibt. Die eine Frage ist: Gibt’s die oder gibt’s die nicht. Die andere Frage ist: Ist es explizit oder implizit? Und wenn es nur implizit ist, wäre es dann nicht besser, wenn es explizit wäre? Die Antwort ist: Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit besser, wenn es explizit wäre, weil dann ist dein Gefühl davon und mein Gefühl davon höher deckungsgleich, als wenn ich mir irgendwie was denke und sage: Das wäre eigentlich noch ganz cool, wenn es darum geht. Und du dir etwas anderes denkst und wir dann in drei Jahren herausfinden: Ja, ist es irgendwie nicht. Die spannende Frage ist ja: Wenn wir im gleichen Unternehmen arbeiten und – sagen wir mal – auf Augenhöhe unterwegs sind und du und ich unterschiedliche Bereiche bedienen, wollen wir möglicherweise unabhängig voneinander Entscheidungen treffen. Und am Ende sehen wir, dass das Puzzle irgendwie aufgeht. 

Wenn jetzt aber dein Bauchgefühl ein Ticken von dem abweicht, was mein Bauchgefühl ist, was die Vision angeht, wird das schlimmer, je grösser der Laden wird. So eine zwei-Grad-Abweichung, ist oben nicht so schlimm. Wenn du das mal auf 500 Leute nach unten strahlst, dann ist das schon massiv eine andere Richtung, die dabei irgendwie herauskommt. 

Teilnehmer: Aber du könntest das ja auch beantworten und dem Team die Hilfsmittel an die Hand geben über ein Culture Statement, um in solchen Entscheidungen sozusagen im richtigen Sinne zu handeln. 

Marco: Kultur ist nochmals ein anderer Layer. Kultur ist eher der Layer: Wie wollen wir miteinander sein und wie wollen wir mit der Umwelt sein. Das hat aber mit dem Inhalt nichts zu tun. Also, die Kultur ist völlig unabhängig davon, was dabei herauskommen soll. Wollen wir offen und ehrlich miteinander umgehen, sind wir transparent, ziehen wir jeden mit oder ist uns das egal? Das sind alles Kultur-Fragen. Das ist aber unabhängig…

Teilnehmer: Das hat aber Einfluss aufs Ergebnis. Das ist ja nicht komplett losgelöst vom Ergebnis.

Marco: Das ist so. Aber das ist ein anderer Layer. Das hat einen Einfluss aufs Ergebnis, ist aber erstmals völlig unabhängig von der Frage, welches Problem wir angehen. Also, du kannst eine Bohrmaschine oder einen Bagger bauen und das kannst du mit der gleichen Kultur beliebig gut oder beliebig schlecht machen. Die Frage ist am Ende: Baust du Bohrmaschinen oder Bagger?

Das ist eine inhaltliche Frage, wovon du und ich vielleicht ein unterschiedliches Bild davon im Kopf haben. Dann kommen andere Sachen heraus. 

Teilnehmer: Wie würdest du denn rangehen? Das war meine eigentliche Frage. Für die Findung einer Manifestierung einer Vision. Wenn man sagt: Okay, man hat jetzt ein Unternehmen und ist beim Niederschreiben und Finden dieser klaren Vision. Wie ist deine Herangehensweise?

Marco: Wir gucken immer, dass wir die Kernprobleme finden, um die es sich eigentlich dreht. Also, was sind die „Aufhängungen“, um bei dem Bohrmaschinenbeispiel zu bleiben. Von dem Produkt zu kommen und zu sagen: Was kann ich damit machen? Löcher bohren – also den Grundnutzen. Und dann zu sagen: Was ist denn das übergeordnete Topic, um das wir uns hier eigentlich drehen. 

Im Gesundheitskontext von eben haben wir auch schon gesehen, da bildet sich ja ein Cluster heraus, um den es sich eigentlich dreht. Den so zu formulieren, dass der Kern als Mission wirklich formuliert wird. Ich würde sagen, am Ende des Tages wollen wir - analog eines Kunden von uns -, dass der Krebs geheilt ist. Das ist der übergeordnete Kernnutzen von allem.

Darunter kannst du es ein bisschen zerlegen und sagen: In welchen Dimensionen soll denn das gehen? Das könnte Krebs heilen, das könnte in Richtung Ernährung, Prävention, Biotech gehen… Das hat ja ganz unterschiedliche Marschrichtungen, mit denen du dich beschäftigen kannst. Da dann sozusagen die Marschrichtung zu definieren und zu sagen: Unsere Mission ist jetzt ein Biotech-Ansatz und wir wollen beim Immunsystem helfen zu erkennen, was ist hier gut, was ist hier schlecht und wie kann ich mich selbst dagegen zur Wehr setzen. 

Das sind, glaube ich, die großen Fragen, die du dir auf den Leveln stellen musst und das dann entsprechend sortieren. Das würden wir immer über einen Gruppenansatz versuchen. So machen wir das. Also wir nehmen das Leadership-Team, also die ersten beiden Führungsebenen und bringen die zusammen und lassen die mal diskutieren, sowohl von der operativen, als auch von der visionären, als auch von der strategischen Seite und bringen die Bilder mal übereinander. Wir arbeiten dann heraus, wo sind denn hier Deckungsgleichheiten, das ist dann relativ schnell, dass sich da Cluster bilden, und wo sind Abweichungen. Also, wo sehen du und ich die Sachen ganz unterschiedlich. Dann können wir ja mal diskutieren: Sind wir jetzt eigentlich eine Ernährungscompany oder sind wir eine Biotechcompany? Denn Krebs scheint uns beiden irgendwie ein wichtiger Part in der Vision zu sein, aber dein Weg unterscheidet sich möglicherweise von meinem – was ist denn jetzt da der Kern, um den wir uns eigentlich drehen? 

Teilnehmer: Aber würde es nicht auch dazu führen, dass ungefähr bei jedem Dienstleistungsunternehmen rausfällt: Wie lösen wir die Probleme unserer Kunden?

Marco: Das ist das, was rausfällt, bevor wir kommen und wenn wir kommen, ist das nicht mehr da. Das sagt ja gar nichts. Aber das sagt: Ich verkaufe Zeit gegen Geld. Und dann bin ich auch noch der Partner meines Kunden und wir sind Ihr zuverlässiger Ansprechpartner und dann hab ich auch noch einen Claim. 

Das ist ja der gleiche Käse, den du immer hörst. Die Frage ist, ob du jetzt Dienstleister bist oder Bohrmaschinen baust: Was ist deine Bohrmaschine, was ist dein Loch, was ist deine Aufhängung? Wir machen virtuelles Zeug. Das kann kein Mensch anfassen, aber ich verkaufe nicht Beratungsdinger, sondern wir versuchen zu verstehen, was denn die Probleme sind, was sind denn die Löcher, die gebohrt werden müssen, wie kann man die Bohren, wie kann man Sachen aufhängen. Und da ist OKR ein Tool dazu.

Das hat nichts damit zu tun, dass wir irgendwie… Wir können ja auch sagen, wir lösen die Probleme, die du hast. Aber das ist ja nicht das, was uns dazu führt, besser zu verstehen, wie man sie löst. Sondern als Dienstleister ist es ja hilfreich zu verstehen, was für ein Problem eigentlich einige Leute denn da draußen haben.  Und dieses Problem konkret mit unterschiedlichen Produkten und Angehensweisen lösen zu können, das macht es ja visionär. 

Ansonsten sagst du: Ich kann ja was mit Computern und wenn einer Probleme hat, dann kann er mal anrufen und mal sehen, ob wir zusammen finden. Das ist ja der unvisionäre Teil, der bei IT-System-Häusern zu nicht selten gesehener Zahl da draußen herumgeistert, das macht es ja total austauschbar. Der Nächste sagt: Ich kann auch was mit Computern, wenn du ein Problem hast, ruf doch mich an. Aber es hat noch keiner verstanden, wen sollte ich denn jetzt warum anrufen und wird das gelöst. Das ist ja die darüber hinausgehende spannende Frage.

Teilnehmer: Gut. 

Marco: Hilfreich?

Teilnehmer: Ja, danke, passt. 

Marco: Sehr gut. 

Sollte man als langjährig bestehendes Unternehmen, das seine Vision und Mission überarbeiten möchte, diese an sich selbst ausrichten oder zuerst Unterstützung von einem Berater holen und eine Kundenanalyse durchführen?

Teilnehmer: Ja, ich darf nochmal, Dankeschön. Also, ich glaube, es schließt sich so ein bisschen an. Ich glaube, wir haben es auch in verschiedenen anderen Fragen schon so ein bisschen gehört. Ich würde es aber doch tatsächlich noch mal etwas konkreter fragen wollen. 

Wir sind ein Unternehmen, das schon längere Zeit auf dem Markt ist, demnach kein Start-Up mehr und wir erfinden uns quasi grade neu mit Vision, Mission, Strategie, OKRs usw. Und da würde mich doch mal etwas interessieren. Wir haben diese Vision und Mission jetzt entwickelt. Richtet man diese Entwicklung sozusagen an sich selber aus und überlegen wir nochmal neu „Was sind wir eigentlich? Und was wollen wir tun? Was wollen wir dem Kunden als Lösung anbieten?“ Oder sollte man sich vorher – übertrieben gesagt – erstmal ein halbes Jahr ein Beratungsunternehmen ins Haus holen und erstmal eine große, breite Kundenanalyse durchführen und nach Problemen suchen, die man dann lösen möchte. 

Marco: Also b) schon mal nicht. Naja, Visionen kommen ja von Visionären und nicht von Beratungsunternehmen mit PowerPoint. 

Das wird ja nichts, wenn ich ganz viele Leute frage, was die glauben, was ich für eine Vision haben sollte. So hat noch nie irgend einer eine Vision entwickelt, der wirklich Visionen hatte, sondern jemand, der visionär ist, der geht durch die Welt und sagt: Ach, guck mal, das ist doof, das geht anders, das muss irgendwie besser gehen. 

Wenn ich schon ein bisschen einen Bestand habe, dann ist ja die Herausforderung: Möglicherweise hat sich die Welt um mich herum ein bisschen gedreht. Jetzt habe ich schon ein paar Jahre auf dem Buckel, ein paar hundert Leute oder so. Dann muss ich das vielleicht nochmals hinterfragen. Aber da draußen rumzugehen und zu sagen: Sag mal, was könnte ich dir denn verkaufen? Da wird ja kein visionärer Ansatz daraus. 

Es gibt einen ganz spannenden YouTube-Talk von Malcom Gladwel, der beschäftigt sich mit Tomatensauce oder Spaghetti Sauce oder irgendwie so. Und da geht es darum, dass man die Leute gar nicht fragen kann, was sie am liebsten wollen. Denn die haben die Leute gefragt, was sie denn am liebsten wollen und die haben alle irgendwie ein Zeug gesagt und dann haben sie Tests gemacht und festgestellt, dass die meistverkaufte Sauce am Ende irgendetwas mit Thunfisch war. Hat irgendjemand gesagt, dass er eine Thunfischsauce haben wollte? Nein. Kein einziger. 

Das ist so eine ganz plakative Geschichte zu der Frage: Findest du eine Vision heraus, wenn du tausend Leute fragst, was sie denn von dir halten würden, wenn du diese Vision hättest? Meiner Auffassung nach nicht. Also musst du dich selbst auf die Reise begeben und sagen: Was reizt mich denn? Mich ganz persönlich. Und jetzt bin ich ja nicht ganz alleine hier, sondern mit ein paar Leuten in einem Unternehmen eingeschlossen. Was reizt uns denn? Worum geht es uns denn hier eigentlich? Was ist doof? Was kann man besser machen? Stand heute, welches Problem nervt wirklich, wodran könnten wir, mit dem, was wir können und haben, vielleicht in Zukunft was ändern. Wenn ich darauf keine Antwort finde, wird PowerPoint und eine Horde Berater das auch nicht lösen. Und das Zeug mit: Ich frage mal tausend Kunden und nenne das dann „customer centric“ oder irgendwie „design thinking“ wird auch nichts. Steve Jobs ist auch nicht herumgerannt und hat gesagt: Kann mir irgendeiner sagen, dass ich einen iPad erfinden soll? 

Das kommt anders herum. Sondern die Frage ist: Wie kriegt man ein Problem, das einen nervt, adressiert und wie findet man dann heraus: Nervt es nicht nur mich, sondern auch andere? Kann man das besser machen? Wollen wir das besser machen? Daraus ergibt sich dann so ein Kern von dem, wenn ich darüber nachdenke, wie ich möglichst schnell möglichst viel Geld mache, dann ist das eine andere Frage. Aber dann ist das vielleicht möglicherweise der Motivator, der dahinter steht. Der führt dich aber nicht immer zu den inhaltlichen Fragen. Da dreht sich das dann relativ oft im Kreis, weil man nicht genau weiß, welche Frage beantworte ich denn da eigentlich. Muss ich tausend Leute um die Vision fragen? Nein, kann ich mit ein bisschen Research einschätzen, dass das Problem, das wir adressieren, groß genug ist? In der Regel schon. 

Wie geht ihr denn Stand heute da dran?

Teilnehmer: Also, wir haben uns tatsächlich zusammengesetzt in einer kleinen „Task Force“ und überlegt: Wer sind wir eigentlich? Wo wollen wir eigentlich hin? Wie soll das Ganze dann am besten funktionieren? Das haben wir jetzt über einige Wochen regelmäßig gemacht und wir glauben, dass wir damit ganz gut hingekommen sind.

Allerdings wenig unter Zuhilfenahme eben von diesem Research, sondern eher… wir hatten ja mal eine Vision. Unser damaliger Geschäftsführer hatte mal eine Vision und die wirkt auch immer noch nach. Wir haben sie jetzt quasi nochmals aufgearbeitet, neu angestrichen und halt eben in die Zukunft weitergeführt. Ich glaube, das ist grundsätzlich so gelungen. Es hat mich nochmals interessiert, ob man wirklich sehr stark in die Wirtschaft oder in das Umfeld gucken sollte, ob man das sehr stark berücksichtigen sollte, weil so ein Start-Up hat ja auch irgendwo eine Idee, hat irgendwo ein Problem erkannt und stellt fest: Ja, das müssen wir mal angehen, da ist ordentlich potential dahinter. Das ist mit einem Tanker der schon unterwegs ist, natürlich etwas schwierig, da mal komplett umzudrehen, weil man ein neues Problem gefunden hat. 

Marco: Ja und nein. Also, vielleicht die eine Frage noch. Das Umfeld zu betrachten, ist das das Richtige und sollte ich hier reingehen, das sind alles strategische Fragestellungen. Das hat nichts mit der Vision und der Mission zu tun, sondern das: Sollte ich den Markt adressieren, ist das ein Produkt für da? Das sind alles Strategiefragen. Die Frage ist: Ist das ein Problem, das ich lösen will? Ist das ein relevantes Problem, was viele Leute haben und glauben, dass es in Zukunft eine bessere Lösung als heute gibt? Das sind die Fragen, die ich mir an der Stelle beantworten muss. Und dann kann ich da drunter Strategien lösen. 

Wenn ein Unternehmen schon Bestand hat, dann ist es natürlich so, dass man sagt, das kam ja irgendwo her. Aber möglicherweise hat sich die Zeit verändert. Also, damals hast du gesagt: Ein gutes Auto zu bauen, ist eine super Vision und dann hast du jahrelang gute Autos gebaut. Und heute stellst du fest: Komisch, die nachfolgende Generation macht nicht mal mehr einen Führerschein. Denen ist das mit dem „Auto haben“ vielleicht auch ein bisschen egal. Kann ich jetzt die nächsten 30 Jahre noch sagen: Aber ein gutes Auto bauen, muss doch reichen? Ist dann auf Dauer vielleicht nicht die richtige Antwort für die Welt, in der wir uns gerade befinden. Kann ich das neu denken? Ja, auf jeden Fall! Geht es um „von A nach B fahren“? Vielleicht nicht. Aber vielleicht geht es um Mobilität? Ja, vielleicht schon. Wie kann ich das Thema anders beleuchten? Dann wird es ja wieder ein Stück visionärer. 

Das sind, glaube ich, die Prozesse, die dich dahin führen: Brauchst du Research, um Strategien zu entwickeln? Wahrscheinlich schon. Aber brauchst du Research, um Visionen zu entwickeln? Nein. Also zu sagen: Ich will auf den Mars fliegen – da wird dir Research zeigen, dass es Stand heute eine ziemlich anstrengende Beschäftigung ist. Aber wenn du Bock drauf hast, wird es dich irgendwo hintreiben. Das ist ja das, wo die Strahlkraft drin liegt. Der Research, wie viele Leute wollen Mars-Tourismus betreiben, wird dir wahrscheinlich nicht genug Datenlage liefern, dass du am Ende mit der Anstrengung anfängst. Und das ist, glaube ich, genau der Unterschied. 

Teilnehmer: Alles klar. Das hilft auf jeden Fall schon mal weiter. Ich glaube, dann haben wir das gar nicht so falsch gemacht. 

Marco: Das klingt auf jeden Fall. Der Ansatz klingt richtig gut.

Teilnehmer: Sehr gut, danke dir. 

Zum Thema Austauschbarkeit: Warum soll ich die eine Firma nehmen und nicht die andere, wenn beide ja dasselbe Produkt anbieten?

Teilnehmer: Ja, ich habe eine Frage zur Austauschbarkeit. Wir haben das ja vorhin besprochen bei dem Thema Systemhäuser, wenn man da keine Vision hat, dann ist das letztendlich ja austauschbar. Weshalb soll ich die eine Firma nehmen und nicht die andere. 

Wenn ich aber dasselbe Produkt herstelle, z.B. zwei Bohrmaschinenhersteller, die produzieren das gleiche Produkt, da ist das ja das gleiche Problem, kommt dann zwangsweise auch die gleiche Vision heraus? 

Marco: Erfahrungsgemäß eben genau nicht. Wenn du dich gut differenzierst, produziert der eine Bohrmaschinen, weil er Bohrmaschinen verkaufen will und der andere versteht, dass Leute keine Bohrmaschinen kaufen wollen, sondern irgendeine Aufhängung. Daraus resultiert, dass der eine weiterhin Bohrmaschinen produziert und der andere aber auf die Idee kommt, dass so ein Powerstrap vielleicht für 90% der Sachen, wo man heute Löcher bohrt, in zwei Jahren eine viel bessere Lösung ist. Denn dann kann man auch 50 kg aufhängen und wenn ich es schaffe, meinen Badspiegel an zwei Powerstraps aufzubauen, bin ich der letzte, der die Badezimmerwand kaputt macht, weil ich da Löcher reinbohre. 

Das heißt, Stand heute kann das vielleicht so sein, dass man ein ähnliches Produkt hat, aber Stand morgen ist das vielleicht schon anders. Und auch die Frage: Wie blicke ich da drauf? Will ich nur eine Bohrmaschine verkaufen? Dann mache ich was, was dreht und dann sage ich, jetzt brauchen wir noch eine Innovation. Na dann schließt man noch einen Staubsauger an, damit der Dreck da irgendwie wegkommt. Oder versuche ich, die Innovation am Problem entstehen zu lassen und nämlich zu sagen: Das mit dem Bohren von Löchern ist laut, man braucht das Gerät eigentlich fast nie, es macht Dreck und am Ende ist auch noch ein Loch. Eigentlich ist das Loch das Problem: Wie krieg ich das Loch weg? 

Also, wo ganz anders darüber nachzudenken, führt am Ende zu ganz anderen Produkten. Das ist, glaube ich, der Differenzierer und da hört die Austauschbarkeit ja dann auf. 

Teilnehmer: Aber ist das nicht eine Ableitung dann aus der Vision? Also, wie ich das Problem lösen möchte? Aber eigentlich werden die zwei Bohrmaschinenhersteller das richtig machen. Und beide sich eine richtige Vision ausdenken, die nichts mit ihrem Produkt zu tun haben, sondern mit dem Problem, was sie lösen wollen. Dann haben sie eigentlich die gleiche Vision und kommen vielleicht auf unterschiedliche Ideen, wie sie es lösen können. Aber eigentlich die Vision wäre dann ja fast immer austauschbar. Das ist ja auch in der Realität so, wenn ich die Vision von vielen Unternehmen anschaue, die sie so veröffentlichen, habe ich dieses Gefühl: Naja, es ist viel Weltfrieden dabei. Na, es ist eigentlich immer sehr austauschbar leider, da ist sehr wenig Individualität dabei.

Marco: Ja. Bei dieser „Weltfrieden-Version“ bin ich dabei. Nimms mal eins konkreter und sag: Du willst wirklich das Dialyseproblem lösen oder du willst Krebs heilen. Hab ich dann ein Problem damit, dass du und ich die gleiche Vision haben? Also ich nicht. 

Jetzt kann man sagen: Ich hab so ein hartes Ego, ich will der Einzige sein, der das löst, dann sollte man eher an dem Ego-Problem arbeiten. Aber wenn du sagst, eigentlich erachten wir ja das gleiche Problem als erstrebenswert, dass es gelöst wird. Möglicherweise ist dein Ansatz auf der Missions-Ebene unterschiedlich. Habe ich dann ein Problem damit, meine Vision zu teilen? Nein, weil wenn ich es wirklich ernst meine, bin ich ja ganz froh, wenn einer aus der Ernährungsecke kommt, der nächste aus der Biotechecke, der nächste sagt, wir können mit Medikamenten in dem Bereich was machen, der nächste versucht es ganz wo anders. Wenn wir es denn geschafft haben und vielleicht auch sogar zusammen geschafft haben, ist es doch umso besser. Ich glaube, das ist ja der Ansatz, der eigentlich zählt, weil es ja nicht darum geht: Wir sind die größten in dem Bereich, wir können das wirklich lösen. Sondern, ich habe wirklich ein echtes, ernst zu nehmendes Interesse, dass das passiert, dann bin ich auch bereit, dieses Interesse mit anderen zu teilen, ohne dass sich das irgendwie negativ für mich anfühlt. 

Teilnehmer: Okay. 

Marco: Macht das die Sache klarer für Dich?

Teilnehmer: Ja. Ja, klar. Ich habe das so verstanden: Es geht darum die Vision etwas enger zu fassen, konkreter zu sein. Also nicht so global galaktisch zu formulieren. Und dann eher: Was mache ich jetzt mit meiner Vision und da die Unterscheidung zu sehen. 

Marco: Ja. Wie wir das definieren, ist die Vision ja erst mal unabhängig von mir selbst. Also, sie hat nichts mit meinem eigenen Unternehmen, meiner Position und solchen Sachen zu tun. Demzufolge ist die Vision ja eine inhaltliche Aussage und wenn ich die inhaltliche Aussage wirklich ernst nehme, kann ich mich ja gar nicht schlecht fühlen, wenn es irgendeiner hinkriegt, das zu erreichen. Denn ich glaube ja, dass es sinnvoll ist, das zu erreichen. 

Das ist, glaube ich, so der feine Schliff in der Unterscheidung, wenn du das so definierst, dann haben wir ja erst mal kein Problem, wenn mehrere Leute auf die gleiche Vision zielen, wenn sie denn eine Aussage hat. Wenn sie sagt: Wir wollen die Menschen glücklicher machen, dann ist es so ein intergalaktisches Niveau, wo du sagst: Ja, ich weiß jetzt immer noch nicht so genau, wer ihr seid, was ihr macht und ist das am Ende erreichbar? 

Wenn du es runterziehst und sagst: Hier Krebs geheilt, dann ist das schon sehr klar umrissen, welches Problem du angehen willst. Dann ist aber am Ende ein klarer Nutzen zu definieren mit: Ja, haben wir oder nicht. Ich glaube, das auf dem Metalevel so richtig einzuordnen, das ist die Herausforderung. Aber wenn du die hinkriegst, dann ist es unabhängig, die zu teilen, aber es macht ein Unternehmen in dieser Gesamtheit der Pyramide… Ich glaube, das ist vielleicht noch ein wichtiger Punkt: Es steht ja nie für sich allein. Sondern die Differenzierung kommt aus der Vision mit einer Mission und dann die Strategien und dieser ganze Dreiklang, der macht dein Unternehmen ja einzigartig. Es sei denn, du hast jemanden, der kopiert alle drei Sachen, dann ist natürlich auch ein bisschen doof. Aber in der Richtung ist das das, was dich differenziert, dieser Gesamtverbund der strategischen Leitbildpyramide. 

Teilnehmer: Danke. 

Marco: Sehr gerne. 

So, haben wir denn noch Fragen? Im Chat zumindest mal keine mehr. Gibt es noch jemand, der noch irgendetwas gerne fragen wollen würde?

Teilnehmer: Ja, ganz konkret. Wenn man mit Euch so etwas begleitend gemacht, was ist normal zu sagen, was so ein Personen-Tage-Kontingent in einem Unternehmen mit, sagen wir mal 150 Mitarbeitern, dafür braucht, um da was herauszukitzeln.

Marco: Vision-Mission zwei Tage, mit Strategie, sagen wir mal vier bis sechs Tage, das ist so die Größenordnung, die man braucht, um das Thema wirklich zu bearbeiten, sodass man auf einer übergeordneten Ebene was sehr belastbares hat, wo ein breiter Teil der Bevölkerung im Unternehmen draufguckt und sagt: Hey, das trifft ganz gut, was wir hier glauben. Der spannende Teil ist, das ist ja verhältnismäßig wenig Aufwand zu dem, was du dafür dann kriegst und was für eine Klarheit du im Unternehmen irgendwie herstellen kannst. Umso mehr finde ich die Diskussion immer spannend, wieso man nicht den Aufwand investiert, sich mal als Topmanagement ein paar Tage damit zu beschäftigen. Das kann ja so viel Orientierung geben und so viele OKR-Probleme lösen, weil du eben Orientierung in dem Rahmen gibst, wo sie hingehört. Das ist, glaube ich, der spannendste Teil. Wenn du einen guten Prozess hast, ist das in wenigen Tagen so, dass du recht nah druckreif kommst. 

Teilnehmer: Strategie überrascht mich sehr. Wenn ich mir unsere Strategiedokumentation sozusagen dazu anschaue, macht die Visualisierung, dann ist das weit, weit weg von fünf, sechs Tagen, sondern das sind eher wahrscheinlich 50, 60 Tage, was da so einfließt.

Marco: Die Frage ist halt immer: Wie viele Leute lesen das, wie viele Leute verstehen und was genau ist die Aussage, die da drin ist. Wir sind große Freunde von: Das müssen eine Handvoll sinnvolle Sätze sein, die ernstzunehmende Aussagen treffen und zwar für was und gleichzeitig gegen was anderes. 

Das, was ich auf 50, 60 Seitendokumentation finde, ist immer: Ja, wir bieten dem Kunden jetzt in Zeiten von Corona endlich die Mehrwerte, die er braucht, damit er verlässlich auf unsere Services zurück greift und sicher durch die Krise kommt. 

Teilnehmer: Gut, das ist ja Marketingblabla. Für mich ist eine Strategie schon sehr handlungsorientiert. 

Marco: Ja, dann wirst du das eine oder andere Marketingdokument in der Strategiepräsentation finden. Guck dir Börsenkotierten Dinger an, mach dir mal den Spaß und guck bei Investor Relation die Seiten durch. Mehr als das steht da selten. Zugegebenermaßen, was da nicht in dem Zeitrahmen möglich ist, ist der Teil, den wir vorhin diskutiert haben: Brauche ich wirklich ein großes Research-Team, um zu entscheiden: Nehme ich jetzt einen neuen Markt in Angriff? Gehe ich in bestimmte Länder? Habe ich ein bestimmtes Produktsetup, das ich vorher researchen muss. Das ist dann sicher nochmals konkreter zu hinterfragen. Aber die strategischen Grundpfeiler, die kannst du in dem Rahmen auf jeden Fall einrammen und diskutieren. 

Teilnehmer: Danke.

Marco: Gerne. 

Wie schaffe ich es, dass alle Leute durch alle Ebenen hindurch eine Vision mittragen? Und wie schätzt du das Thema der „Multiplikatoren“ (Mitarbeiter ohne leitende Funktion auf mittlerer oder unterer Ebene) ein?

Teilnehmer: Ich habe tatsächlich nochmals so eine Umsetzungsfrage. Also, wenn man das ganze Paket jetzt mal im Unternehmen implementiert. Wir haben das ja sowieso mal falsch rum aufgezogen, das haben wir früher schon geklärt. Macht ja nichts. 

Ähm, aber wie kriegen wir die Leute, alle Ebenen, möglichst dazu, bei der ganzen Geschichte mitzuziehen. Ich meine, ich kann jetzt so eine Vision vorne an die Tür kleben und sagen: Guck dir das an, lies dir das durch, wir arbeiten jetzt danach. Aber gibt es irgendwie Erfahrungswerte, wo du sagst: So funktioniert es ganz gut, so kriegt man die Leute auf jeden Fall mit auf den Weg?

Marco: Ich fange auch mal rückwärts an. Ich kann dir schon mal sagen, wie es nicht funktioniert: Das ist alle Leute beim Entstehungsprozess zu involvieren. Das „ganz viele Leute zu fragen“, „kannst du mir mal deine Meinung sagen“ und aus der Summe aller Meinungen mache ich eine Vision, da warst du ja involviert, das funktioniert selten. Also selten gesehen, dass das funktioniert. 

Andersherum funktioniert es deutlich besser, also zu sagen: Ein kleiner Teil der Leute entwickelt die Vision, wie wir früher gesagt haben. Dann ist natürlich eine Menge Erklärung, was das genau heißt, was das denn bedeutet für uns und ist auch immer wieder als Referenzpunkt zu nehmen. Denn die Leitbildpyramide ist ja Leitbildpyramide, weil ich sie ja immer als Spitze aller Handlungen heran ziehe und wenn ich auf einer sehr operativen Ebene Diskussionen habe, sagen wir mal drei Etagen unter dir und dann nimmt die Führungsperson, die an dieser Stelle sitzt, die Diskussion auf und sagt: Schau, im großen Ganzen, langfristig, wollen wir doch dahin. Jetzt haben wir drei Alternativen. Was hilft uns denn am meisten, dahin zu kommen? 

Dann fängt es an, in das tägliche Leben, ins Blut überzugehen und wirklich zu wirken. Wenn man sagt: Ja, du hast so ein Strategie-PowerPoint irgendwo mal gekriegt, das kannst du vergessen. Die Frage ist: Wie kriegst du es in die Diskussionen, wenn es darum geht, was muss ich denn jetzt mit meiner Zeit anfangen. Was sind denn die Ziele? Wo investiere ich jetzt meine Energie? Das fängt natürlich damit an, wenn du ganz oben das schon vergisst, dann diffundiert das auch nicht weiter runter. 

Wenn das ganz oben immer Teil der Diskussion ist und sagen wir: Die Diskussion, die du und ich im Topmanagement darüber führen, das eine oder andere Projekt zu verfolgen, aufgrund dieser Strategien und der Referenzen nach oben zu diskutieren. Dann gehe ich natürlich zurück und erkläre meinem Team aufgrund von diesem strategischem Rahmen, aufgrund von dieser Vision ist mein Thema, was ich mitgebracht habe, nicht dran gekommen, sondern dein Thema, weil das viel mehr Sinn gemacht hat. 

Dann diffundiert das langsam, dass die Leute hinter mir auch verstehen, ah, das war der eine Grund, weshalb wir das eine Projekt nicht gemacht haben, sondern das andere. Und dann fängt es an, in das tägliche Doing überzugehen, weil beim nächsten Mal, wenn ich sozusagen etwas von meinem Team mit auf den Weg gegeben bekomme, werde ich das entsprechend so argumentiert mitgegeben bekommen, dass es heißt: Schau mal, das und das ist der Impact da oben und jetzt kann ich es viel besser verteidigen. Dann fängt es an, wirklich verankert zu sein und zu wirken. 

Hilft das?

Teilnehmer: Ja. Ich habe grad den Stummknopf nicht gefunden. 

Ähm, ja, es hilft auf jeden Fall. Wie würdest du das Thema „Multiplikatoren“ einschätzen, die man jetzt, sag ich mal, auch neben den Teamleitern positioniert? Wo wir sagen, wir haben völlig interessierte Leute auch auf mittlerer und unterer Ebene, die das ganze sehr gern mitziehen möchten, aber keine Leitungsfunktion haben. 

Marco: Muss ich nochmals verstehen. Sind die, glaubst du, deswegen besser geeignet, weil sie sich mehr für das Thema interessieren als die jeweiligen Teamleads? Oder sind die Teamleads einfach dafür top geeignet und daran interessiert und zusätzlich gibt’s noch Leute, die sich auch total dafür interessieren?

Teilnehmer: Mein Hintergedanke war dabei eher so dieses „Die stülpen dem Unternehmen jetzt irgendetwas auf und ich muss da mitmachen“-Gefühl auf der unteren Ebene der Mitarbeiter. Wenn man da eben Personen positionieren kann, die das auch intrinsisch mittragen, ist das nochmals ein anderes Feeling als wenn der Teamleiter jetzt sagt: So, wir haben jetzt Ziele und wir arbeiten jetzt danach. Das war jetzt sehr verkürzt gesagt. 

Marco: Ja, ich glaube, aber genau der Punkt ist: Wenn du gute Inhalte hast, ist es nicht übergestülpt, weil der ganze Laden fühlt dann, dass wir an den richtigen Sachen arbeiten und wenn du’s gut erklären kannst. Wenn du das nicht hast, dann wird das immer so sein. 

Also, wenn die Story da oben rund ist, dann wird das sich nicht so anfühlen, dass es übergestülpt ist. Wenn du sagst: Wir wollen die CO2-Belastung auf Null kriegen oder Krebs heilen – selten gesehen, dass dann einer sagt: Also nein, das ist nur dein Ziel, da habe ich gar keinen Bock drauf, kannst du alleine machen. 

Wenn du allerdings sagst: Wir wollen jetzt hier irgendwie Marktführer für XY-Klappen werden, dann denken sich die Leute: Ja, pfhh, das ist nur dein Ziel. 

Wenn die Story gut und rund ist, dann hat das ja wenig mit übergestülpt zu tun. Grundsätzlich fühle ich ja dann, dass das das richtige ist, was wir da tun. Wenn ich das Gefühl habe, dass das nicht das richtige ist, gut. Es ist gut gemacht. Wenn die Story gut ist, ich aber trotzdem das Gefühl habe, dass es nicht das richtige ist, bin ich vielleicht auf dem falschen Bus. Das ist auch total heilsam. Nicht alle müssen in dem Bus, die da heute drin sind, für die nächsten zwanzig Jahre mitfahren. Es kann sein, dass sich die Vision eines Unternehmens dahingehend dreht, weil sich die ganze Welt dreht. Das ist möglicherweise in Zukunft nicht mehr das, was mich so wirklich fasziniert. Dann kann ich mir ja einen anderen Bus suchen. 

Das ist, glaube ich, auch heilsam. Es muss nicht jeder sagen: Ja, geil, genauso. Und als hätte ich es erfunden. Aber es muss sein, die Story ist rund und die macht total Sinn und so, wie die geschrieben wurde, ist die schlüssig und bildet sich auch in dem, was bei mir hier ankommt, in meinen Zielen, eine total sinnvolle Ableitung. Jetzt kann ich noch immer die Gesamtstory nicht so mögen, dann muss ich für mich als Mensch entscheiden, ob ich da weiter mitmache oder nicht. Aber ich kann nicht das ganze Thema in Frage stellen. Hingegen, wenn die Story doof ist, dann fühlt es sich übergestülpt an und dann denke ich, ach was, da könnte man doch viel bessere Sachen draus machen. Aber dann liegt das an der Story. 

Also, was ich sagen will, ist, der Content muss gut sein und dann brauchst du nichts zu verkaufen, weil das dann in sich schlüssig ist. 

Teilnehmer: Okay, cool. Das hilft auf jeden Fall weiter. Vielen Dank. 

Marco: Demzufolge brauchst du dann auch keine „Leuchtturm-Mitarbeiter“ in den Teams, die das dann irgendwie kommunizieren: Hey, ich war im Projektteam, die das erarbeitet haben, dabei. Das ist mir ja auch egal. Wenn du am Ende zu mir kommst und sagst: Ich bin jetzt zwar peer mit dir und drei Etagen über uns wurde das erarbeitet, ich war da dabei – dann finde ich die Geschichte danach genauso doof, wenn ich sie vorher doof fand, auch wenn du dabei warst. Ich sage dann: Ja, da war zwar einer von uns dabei, aber der hat es auch nicht besser hingekriegt. Das ändert an dem Sachverhalt ja nichts. 

Teilnehmer: Ja, okay. Ja, ist sehr plastisch, wie du das beschreiben kannst. Ich wünschte, ich könnte das ebenfalls so tun. 

Marco: Hat ein paar Tage gedauert.

Teilnehmer: Danke dir.

Marco: Gerne. 

Was ist die Vision von Murakamy?

Teilnehmer: Die Frage kommt wohl immer, nicht wahr?

Marco: Was unsere Vision ist?

Teilnehmer: Ja, genau.

Marco: Also, wir sind eigentlich im Gesundheitsbusiness unterwegs. Also, wir wollen, dass jeder ein „meaningful life with ease“ hat. Mir geht es darum, dass du und alle, mit denen wir so in Kontakt kommen und darüber hinaus gehend, das Gefühl haben, dass sie mit ihrem Leben was sinnvolles anstellen, ohne sich dabei über den Haufen zu schießen. Also, ohne sich selber und andere zu verbrennen. So, dass du das Gefühl hast, am Ende des Tages, wenn ich hinten angekommen bin, war das ganz sinnvoll, was ich so mit der Zeit auf dem Planeten gemacht habe. Gleichzeitig habe ich weder mich noch andere irgendwie über die Massen hin negativ belastet mit Stress, mit Druck, mit allen negativen Formen, die man haben kann, wenn man versucht etwas zu erreichen. Da ist ja ein Spannungsfeld drin: Ich will was erreichen und das hat irgendwas mit Druck zu tun. Und das hat mit – wie ich empfinde - Stress zu tun. Wir glauben, das muss nicht so sein und das sollte maximal in einem gesunden Verhältnis so sein, aber nicht in einem ungesunden Verhältnis. 

Deswegen sind wir eigentlich irgendwo etwas zwischen Stressprävention, weil man die richtigen Sachen macht, und die Sinn-des-Lebens-Frage mal grob zu beantworten. Irgendwo dazwischen sind wir unterwegs. Da ist OKR, glaube ich, Stand heute, ein ganz gutes Tool dafür.

Teilnehmer: Fein. 

Marco: Sehr gut. 

Wie siehst Du die Interpretation des OKR Frameworks in vielen Bereichen und Unternehmen?

Teilnehmer: Ja. Ich glaube, die passt auch ganz gut, weil ich ja schon öfter mitbekommen habe, was dich denn so treibt, was OKR für dich halt ist. Ich glaube, in einem Podcast hatten wir das auch schon, dass das so eine Art Weltanschauung ist.

Mich nervt das Thema, wie OKR betitelt wird. Es ist ein Steuerungselement, es ist ein Tool, es ist ein Werkzeug, es ist eine Methode. 

Mein Gefühl sagt mir und da tendiere ich halt eher hin, in der OKR, in der ich unterwegs bin, das ist eher ein Mindset, das Denken und Wirkung ist. Also, das OKR reflektiert eher immer auf das, was kommt dann dabei raus, also den Outcome und nicht den Output. Ich wollte einfach nochmal wissen, ob du da genauso tickst, ob ich das jetzt so richtig mitverstanden habe. Ich glaube, das ist für diese Runde auch ein ganz guter Abschluss, weil es ja auf die Vision einzahlt, nicht wahr?

Marco: Absolut. 

Also, mich nervt es auch total, dass das in vielen Fällen missinterpretiert wird, aber ich kann es nicht aufhalten. Es gibt ganz viele Sachen, die über OKRs gesagt, geschrieben und berichtet werden, wo ich sage: Puh, das hat nicht den Kern, den ich darin sehe. 

Ich kann das nicht aufhalten und es gibt unterschiedliche Sichtweisen und es gibt natürlich auch Leute, die sagen: Hey, da gerade voll viele Leute etwas von OKR wissen, deswegen erzähle ich ihnen etwas zu OKR. Ob das nun dem größeren Ganzen folgt oder nicht, sei mal dahingestellt. 

Und ja, ich glaube, es geht alles darum zu reflektieren: Ist die Energie, die ich da reinstecke, in die richtige Richtung investiert und was kann ich daraus lernen? Denn um das Ergebnis als solches, um das geht es nicht. Wenn ich in Unsicherheit steure, kann es nicht ums Ergebnis gehen. Das geht rein logisch schon nicht. Demzufolge ist es, genau wie du sagst, eine Weltsicht. Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute das so sehen, wie wir, weil es dann der Gesellschaft ein Stück besser ginge. Aber jetzt sind wir halt wieder bei dem Punkt von vorher: Ich kann da auch keinen zwingen, ich kann da nur möglichst lange darauf rumreiten und sagen: Schaut mal, jeder sollte das Gefühl haben, mit seinem Leben etwas sinnvolles anzustellen, aber hört auf, euch und eure Mitstreiter über den Haufen zu schießen und lasst mal darüber nachdenken, wie das am sinnvollsten geht.

Das ist, glaube ich, das Angebot, das wir in diesem Visionsteil machen können. Das dann zu verfolgen, dass die Leute daraus machen… beim einen oder anderen kann ich es beeinflussen, beim ein oder anderen bleibt uns nur die Hoffnung, dass das nicht missinterpretiert wird. Aber vielleicht seid ihr ja guter Teil davon, das kleine Kerzchen weiter zu tragen und mehr Leute davon zu überzeugen, es in diese Richtung zu interpretieren und zu leben. Das wäre ja hervorragend.

Dann haben wir, denke ich, einen super Abschluss gefunden. Vielen, vielen Dank für eure Zeit. Wenn ihr noch immer Fragen habt, dann schreibt uns jeder Zeit gerne. Wir schicken euch auch den Link, wenn das ganze Thema dann als Podcast live geht. 

Dann vielen Dank und bis zum nächsten Mal.