AMA07: Ask me anything about OKRs #07 - Die OKR FAQ Session mit Marco
Marco Alberti
"Ask me anything about OKRs" Episode 07: Wie gestaltet man Führung im Home-Office auf Basis von Vertrauen? Wie bricht man OKRs über mehrere Ebenen herunter? Wie schafft man es einen Vorstand auf der obersten Ebene wirklich ganzheitlich hinter die OKR Methode zu bekommen und viele weitere spannende Fragen.
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Für alle, die es lieber nachlesen möchten gibt es hier alle Fragen auch als Text:
Ja hallo, erst mal vielen Dank für dieses Format. Ich habe mir auch mal eure anderen Folgen angehört und finde deine Geschichte vom Rasenmäher und dem Meilenstein sehr, sehr hilfreich, die sind bei uns ja schon legendär. Also ich brauche nur noch „Rasenmäher“ als Stichwort, dann weiß jeder Bescheid. Ein großes Lob also!
Die Frage, die ich diesmal habe: In unserer Abteilung sind wir ungefähr 140 Leute. Wir sind hierarchisch ganz knapp aufgebaut, also nicht mit Abteilung und Unterabteilung und Kästchen. Es gibt eigentlich nur zwei Ebenen. Bei uns ist es so, dass die OKRs nicht ganz auf oberster Ebene gestartet sind, sondern in Clustern, wie sich das bei uns nennt. Es gibt 10 Cluster und jedes hat sich ein eigenes OKR ausgedacht. Die waren auch nicht völlig von der grünen Wiese, sondern das Unternehmen hat auch eine Strategie. Wir waren auch Strategie-konform, aber wenn es auf der Ebene startet, ist in Sachen Strategie noch Potenzial vorhanden.
Deshalb habe ich mir gedacht, es wäre sinnvoll, wenn die Ebene drüber - dieser kleine Managementzirkel - mal auch Vorgaben für OKRs oder Rahmenpflöcke als Inspiration macht. Ich denke, dass daraus auch mehr Fokus entsteht. Für jeden Cluster ist natürlich sein eigenes Cluster-Thema das wichtigste. Natürlich guckt es auf Cluster-Ebene, was besonders wichtig und was weniger wichtig ist, aber meine Hoffnung wäre, dass die Managementebene oben drüber mit OKRs anfängt und sie dann sozusagen wie Scheinwerfer nach unten weiter gibt. Damit könnte man noch besser darauf achten, ob das eine Thema in diesem Zyklus nun wichtiger ist als das andere.
Da gab es einen Vorfall mit einer spannenden Diskussion nach dem Motto: Sind das nun inhaltliche OKRs, die wir erfüllen und vorgeben müssen, oder machen wir eher so Governing-Steuerungsdinger, die, ich sag mal, inhaltlich weniger konkret sind, aber auch jedes Projekt darunter auch mit beeinflussen kann. Zum Beispiel muss jeder eine Weiterbildung machen, weil er seine Datenkompetenz um 10% steigern muss. Das wäre nicht inhaltlich, sondern mehr ein Querschnitt. Dazu wäre meine Frage an dich: Wenn so ein Management-Team erstmals OKRs für alle vorgeben soll, gibt es da zwei, drei Punkte, zu denen du sagst: Mach das auf jeden Fall oder mach das auf keinen Fall.
0:06:00 Marco
(lacht)
0:06:03 Teilnehmer
Darf man das so mischen, z.B. inhaltliche und Steuerungs-OKRs. Es gibt ja welche, die dürfen mehr als ein Objective vergeben, da könnte man ja sagen, wir sehen uns die ganze Strategie mal an und sagen, diese drei Themen sind inhaltlich in diesem Zyklus total wichtig, also vergeben wir jetzt drei Obectives. Und damit der Bereich zukunftsorientiert weiterläuft, vergeben wir noch zwei Objectives, also auf Governance-Querschnitts-Allgemeinebene.
0:06:29 Marco
Lass mich mal verstehen, was ihr da meint. Erste Frage: Wie unterscheidet ihr inhaltliche und nicht-inhaltliche Themen?
Zweite Frage: Wieso macht das Management heute nicht mit? Was ist das Rational dahinter, dass man da oben sagt: „Ja, jetzt…“?
0:06:51 Teilnehmer
(unterbricht) Nein, die machen schon mit. Entschuldigung, das hätte ich vielleicht noch erwähnen sollen. Aber im ersten Zyklus haben sie keine Objectives vorgegeben, die nach unten gehen, sondern das waren eher der Elfte von den Zehn Clustern. Sie haben für sich selbst auch OKRs gemacht, aber das waren so ihre eigenen OKRs. Wir haben dann auch ganz klassisch auf Meilenstein-Ebene gearbeitet und die haben dann für sich in Trello-boards etwas organisiert und gemacht.
Jetzt geht es um die Überlegung zu sagen: Nein, ihr macht jetzt nicht selbst OKRs für euch, nur für euren kleinen Kreis, sondern welche darüber, um Richtlinien für die Cluster darunter zu geben.
0:07:36 Marco
Absolut. Die Antwort ist: Ja, es macht total Sinn, dass der ganze Führungskreis oben drüber OKRs macht und das macht auch Sinn, dass die inhaltlich sind, denn das ganze System ist inhaltlich. Demzufolge müssen die OKRs auch inhaltlich sein. Diese Themen, jeder soll drei Bücher lesen, das kann man machen, das kann man aber auch sein lassen. Das ist nicht hilfreich. Das ist ja nicht das, wie ich das Unternehmen steuere, sondern das sind sozusagen die darunter liegenden Annahmen, dass Bücher lesen hilft. Aber die Frage ist, wo setze ich die Wetten für das nächste Quartal in Bezug auf die Ressourcen, die ich habe.
Wenn ich ganz oben bin, muss ich die Wetten für das ganze Unternehmen setzen. Wenn ich annehme, das Unternehmen hat Tausend Leute, dann müssen die Oberen wetten und die ganzen Tausend Leute so zu orientieren. Dann kommt darunter ein Team oder Cluster oder wie du das nennen willst, dann sind vielleicht nur noch Hundert Leute drin und dann ist dieses OKR-Set für die Hundert Leute da drin. Das ist das, was die Schwerpunkte inhaltlich ausmacht. Also: Wo verwende ich, wenn ich jetzt in diesem Cluster bin, den größten Teil meiner Zeit. Wenn ich nicht bei Facebook herumhänge und an der Kaffeemaschine stehe, sondern konstruktiv arbeite. Und dieses Set muss man als Orientierung geben und daran kann ich mich orientieren und dazu kann ich beitragen.
Demzufolge ist es a) zwingend notwendig, dass das alles inhaltlich ist, weil man sonst nicht darauf aufbauen kann, und b) die Annahme ist, dass wenn ich ein Set habe, in welcher Form auch immer, in welcher Etage auch immer, das verantwortlich ist, dass immer das Set, das ich verantworte, für alle Ressourcen, für die ich einstehe und nicht, was ich persönlich mache. Also, das ist nicht meine persönliche To-Do-Liste, sondern ich verspreche, was aus Einhundert Personen mal drei Monaten herauskommen soll, wenn ich mich darauf fokussiert habe. Diese, sagen wir mal, 10 Cluster, die da möglicherweise darunter wären, würden in Summe zu dem führen, was ich als Company-Set versprochen habe, respektive, worauf wir setzen, wenn alle Ressourcen da einfließen, damit wir das hinkriegen.
0:09:56 Teilnehmer
Würde dann so ein Management-Team nur Objectives oder auch Key-Results machen und wenn Key-Results, wären die also nicht verantwortlich, sich selbst zu erfüllen, als wären sie ein eigenes Projekt-Team, sondern die Key-Results sind sozusagen die Richtlinien für die Cluster darunter, um zu sagen, jeder schaut jetzt aus seiner Perspektive, was kann ich dafür tun, damit wir das Key-Result Richtung rechts bewegen.
0:10:20 Marco
Also, es ist immer so, dass man ein OKR-Set formuliert und nicht, worauf man gerade Lust hat. Also immer Os und KRs. Wenn man CEO ist, dann hat man das Company-Set, wenn man Cluster-Lead ist, oder wie das bei euch heißt, dann hat man eben dieses Cluster-Set am Hacken. Das ist ja das Ding mit der Verantwortung. Verantwortung kann ich delegieren. Muss ich das tun? Nein, muss ich nicht. Muss ich dafür sorgen, ob es passiert? Ja, muss ich schon. Wenn es nicht von selbst passiert und ich das meinen OKRs versprochen habe, muss ich mich danach auch darum kümmern, dass es passiert. Ob ich das selber mache oder ob ich da in meinem Team ein Sub-Team finde oder ob sich in meinem Team einzelne Personen finden, die sich dazu berufen fühlen, etwas beizutragen, ist am Ende Teil der Aufgabe, dies während des Quartals herauszufinden. Aber in der Verantwortung steht auf meinem Zettel, in meinem Cluster, mit den Hundert Personen, die ich verantworte, wird Folgendes passieren und wenn es sonst keiner macht, bin ich „Last Line of Defense“ und dann trage ich dafür die Verantwortung.
0:11:29 Teilnehmer
Ok. Ich bin dann sozusagen, was du einem anderen Mal gesagt hast, der Auftraggeber. Im Grunde genommen gibt es für mich nur zwei Punkte: Entweder bin ich im grünen Bereich und mache weiter und wenn nicht, dann suche ich das Gespräch auf einer anderen Ebene, um das Problem aus dem Weg zu räumen, damit das wieder grün wird.
0:11:50 Marco
Das ist vielleicht noch eine Gradationsstufe abgeschichtet. Das ist nur, weil, sagen wir mal, dein Directreport sagt, es ist alles auf Grün, er hat schon Schlimmeres schief gehen sehen und demzufolge erfordert es am Ende ein situatives Management um zu sehen, ob mein Gegenüber in der Lage ist, richtig einzuschätzen oder möglicherweise unter einer Rot-Grün-Schwäche leidet. Also einige Leute sehen Sachen grün, wo ich sagen würde: Ha, ich weiß nicht, das ist doch eher wie ein Rotton. Da gucke ich beim nächsten Mal genauer hin.
Das ist jetzt keine mathematische Regel, wenn da Grün steht, winke ich alles durch, sondern es ist ja wie bei allem Selbstwahrnehmung und Fremdeinschätzung. Also, wenn du sagst, das ist Grün, sollte ich das Gegenpart dazu auch haben mit denen es dann heißt, das ist glaube ich auch Grün. Dann brauchen wir auch nicht viel Zeit zu verwenden. Wenn du sagst, das ist Grün und ich denke: Ha, ich weiß nicht, ich glaube, das könnte man farblich auch anders betrachten, lass mal schauen, wie dein Verständnis da genau ist, wo das herkommt, ich will es besser verstehen.
Das ist dann schon auch eine Form von Management und zwar situativ. Ich kann dir helfen, dass du dich am Ende nicht wunderst, wieso die Ampel von Grün auf Rot umspringt, obwohl ich das schon früher so angenommen hätte.
0:13:13 Teilnehmer
Ist das denn nicht eine Gefahr von Micro-Management, wenn du trotz Grün dann drauflosfährst? Erzähle mir mal mehr Hintergründe.
0:13:20 Marco
Ich erzähle mal nicht mehr Hintergründe – erzähl du mal, wie du zu deiner Einschätzung kommst. Also, das ist nicht Micro-Management, denn am Ende des Tages bin ich ganz oben dafür verantwortlich, dass die ganze Party aufgeht. Und wenn mir alle sagen, das wird alles super und in drei Monaten muss ich Insolvenz anmelden, weil das halt nicht super wurde, dann ist das nicht Micro-Management, sondern Management. Führung hat halt auch etwas damit zu tun, was für ein persönliches Verhältnis wir haben, wie gut du die Situation in der Vergangenheit einschätzt und wenn du mal gesagt hast: Wenn das grün war, dann war das auch grün. Ok.
Manchmal gibt es aber auch Leute, die sagen, „ja es ist grün“ und drei Tage vorher sagen sie: Ungünstigerweise ist doch was dazwischen gekommen und dann wurde es rot. Das kann ich mir nicht erlauben, denn am Ende des Tages trage ich die Verantwortung für das Gesamtkonstrukt. Und das ist eben situative Führung, da rein zu springen und zu sagen: Lass mal genauer verstehen, ob wir da die gleiche Sicht der Dinge haben.
0:14:19 Teilnehmer
Ok. Ganz kurz nochmal, ob ich das richtig verstanden habe. Also du sagst, die Objectives sollen inhaltliche Themen haben und nicht so sein, dass jeder jetzt so 10% Einsparung an einem Projekt macht oder wie man dazu sagen könnte.
0:14:37 Marco
Das ist das Gegenteil von einem brauchbaren OKR-Set. Wir wollen nicht das, was du als Governance bezeichnet hast. Das ist irgendwie Hokus-Pokus. Das bringt uns gar nichts. Wir brauchen inhaltliche Aussagen, damit kann ich Fokus generieren kann. Anschließend kann sich die restliche Organisation überlegen, wie sie dazu im Einzelnen beitragen kann. Davon abgesehen sind 10% der Weiterbildung dann ja nur Aufwand. Die Leute können so viele Bücher lesen, wie sie wollen, 10% messen kann ich sowieso nicht. Wichtig ist, dass sie danach mehr wissen als sie vorher wussten und dass sie das sinnvollerweise angewendet kriegen. Denn zum Bücherlesen sind wir nicht da.
0:15:19 Teilnehmer
Ok. Vielen Dank.
0:15.21 Marco
Gern.
So, wer ist der nächste?
0:15:30 Teilnehmer
Ich glaube, ich hatte mich da eingetragen.
(stellt sich vor)
Ich verantworte bei der Firma Palmer Hargreaves den HR-Bereich – einer 360° Kommunikationsagentur mit einem B2B-Fokus. Wir sind 150 Leute in Köln und sind grade in einem Change-Prozess. Wir haben Lockdown bedingt unseren Ort und unsere Zeiten aufgehoben und werden das auch weiter fortführen, d.h. wir werden jetzt die Arbeitsergebnisse nicht mehr nach Ort und Zeit bemessen. Allerdings allein danach bemessen haben wir sie in der Vergangenheit auch nicht.
Trotzdem verlagert sich jetzt der Schwerpunkt und da haben wir uns überlegt, woran wir denn jetzt die Ergebnisse messen. Und so sind wir auf OKR gekommen. Das Managementteam hat bereits, wie wir das nennen, Zielvereinbarungen erarbeitet. Es ist aber hauptsächlich auf dieser Ebene. Dadurch, dass Ort- und Zeitwertschritt aufgehoben sind, wollen wir natürlich die Unternehmensziele trotzdem in irgendeiner Form definieren, bzw. auch kontrollieren.
Meine erste Frage wäre an dich: Ist es für dich das geeignete Instrument zu sagen, ja, wir können es jetzt daran messen, das ist jetzt unser Instrument, wenn wir nicht mehr die Zeit haben, sondern dieses Tool, um die Ergebnisse zu messen.
Die zweite Frage, darauf habe ich mich jetzt nicht so tief vorbereitet, wie der eine oder andere hier, wäre, noch etwas mehr zu dem begleitenden Prozess zu erfahren. Das ist ja alles sehr transparent gesteuert, wenn ich das richtig verstanden habe. Und wie gesagt, ohne tieferes Wissen habe ich so ein bisschen die Sorge, dass das zu bürokratisch und administrativ aufgebläht ist. Wir haben ja jetzt schon Schwierigkeiten für ein Geschäftsjahr, nicht inhaltlich die Ziele zu definieren, aber diesen Prozess von Zielvereinbarung und so einzuhalten. Und wenn ich mir vorstelle, das in quartalsweisem Rhythmus zu tun, da frage ich mich gerade, wie sich das so in der Praxis darstellt. Vor allem, wenn man es komplett runterkaskadiert. Was ja auch eine Frage weiter unten ist, wie diese Kaskadierung dann erfolgt.
0:18:13 Marco
Lass mich mal die zwei Sachen auseinandernehmen.
Also die erste Frage ist ja, wenn ich die mal so zusammenfassen würde: Dient das ganze Modell zur Bewertung von Performance?
0:18:26 Teilnehmer
Ja, richtig. Ich mag den Begriff der Performance nicht, aber ich gebe dir Recht. Weil wir jetzt sagen, jeder kann von überall arbeiten und es ist auch nicht mehr „9 to 5“; na das ist so die Ausgangssituation. Da müssen wir ja irgendwas haben, was sicherstellt, dass wir unsere Ergebnisse erreichen. Also, es ist nicht so das Thema, dass wir kein Vertrauen mehr in unsere Leute hätten, dass sie nicht arbeiten oder die jetzt alle nicht performen.
0:18:59 Marco
Wollte ich grade sagen. Das Tool, was da hilft, ist Vertrauen. Denn, wenn die im Büro herumhängen, sind sie zwar da, machen aber auf Facebook rum oder was auch immer gerade.
0:19:10 Teilnehmer
Nein, das ist es nicht. Bisher war es halt so Standard. Jeder ist in die Agentur gekommen, hat da gearbeitet, die Projekte liefen usw. So und jetzt sind sie alle zu Hause oder sonst wo und auch die Arbeitszeiten sind aufgehoben. Es läuft ja weiterhin, aber es dient ja auch der Transparenz und der Sicherheit, dass eben auch weiterhin unsere Ziele erreicht werden. Da geht es also nicht um Vertrauen, dass wir da jetzt ein riesiges Kontrollmanagement aufsetzen möchten, sondern eher allen Sicherheit geben möchten: Jeder soll wissen, was er denn jetzt erreichen muss. Wenn ich jetzt sage, ich muss gar nicht mehr 8 Stunden arbeiten, ich kann ja auch in 6 Stunden mein Ziel erreichen, dann muss es ja klarer definiert sein. Es ist etwas kompliziert, merke ich gerade.
0:20:00 Marco
Der ganze Käse ist auch nicht einfach, von daher macht die Frage auch Sinn.
Als Performance-Management taugt es nichts und Vertrauen brauchst du. Es ist völlig egal, ob die Leute ins Büro kommen oder nicht, du bezahlst sie für ihre Zeit und wenn sie Bock haben, dann kommt dabei was raus, und wenn nicht, dann eben nicht. Darauf muss man sich erstmal grundsätzlich einlassen, das ist leider der Deal. Alles andere - hat man festgestellt - funktioniert sowieso nicht. Also, das „Alles unter Kontrolle zu kriegen“ ist bis jetzt noch nicht wirklich gelungen. Vor allem dann nicht, wenn Leute nicht zählbare Sachen machen müssen, wie einen Output an einer Maschine, sondern ihren Geist so benutzen, wie sie ihn benutzen wollen. Dann kommt mal was Besseres raus und dann mal was weniger Gutes. Das kannst du nicht kontrollieren, respektive erzwingen. Da muss der Rahmen stimmen, dass man die Freiheit und das Vertrauen liefert. Hilfreich dazu ist das Thema „Wo setzen die Leute, wo immer sie auch sind und wie viel sie auch arbeiten ihre Energie ein und was kommt dann dabei heraus.“
Das kannst du über den Zeitverlauf schon sehen, dass es Leute gibt, die sich bestimmte Themen nehmen und versuchen zu verarbeiten und dann finden sie Mittel und Wege, dass das auch klappt. Bei anderen klappt es vielleicht nicht so oft.
Der Rückschluss, dass es nicht klappt, ist nicht fair. Denn wir steuern in Unsicherheiten. Wenn das schon mal jemand gemacht hätte, dann hätte man auch gewusst, wie es geht. Dann kann ich dir auch sagen, so und so geht’s. Wenn ich aber in Unsicherheit steuere, kann ich dir nicht sagen, wie es geht, also, die Leistung oder Performance am Ergebnis festzumachen ist ja unsinnig, weil wir ja nicht wissen, wie es geht. Also taugt es überhaupt nicht, um Performance oder Bemühungen abzulesen.
Du kannst das daran ablesen, wie die Leute damit umgehen. Also, du kannst den Prozess beobachten: Wie geht jetzt jemand damit um, wenn er schnell etwas gefunden hat, was funktioniert? Wie geht jemand damit um, wenn er was gefunden hat, was nicht funktioniert? Und wie macht er danach was anders?
Das ist das Einzige, wie du „Performance-Fähigkeit“ zukünftig irgendwie einschätzen kannst. Nur, weil ich jetzt einmal heraus gefunden habe, wie es bei der Sache ging, heißt das nicht, dass ich die nächste Sache, die ich wieder nicht weiß, auf die gleiche Art und Weise lösen kann.
So gesehen, geht es ja darum, eine Herangehensweise, ein Mindset, ein intellektuelles Auseinandersetzen der Ursachen-Wirkung-Prinzipien zu beobachten und zu gucken, wie verhalten sich die Leute innerhalb dieses Frameworks. Dann kann es nochmals sein, dass da nichts herauskam, aber es kann auch sein, dass es inhaltlich eigentlich falsch war und wir haben es alle nicht besser gewusst. Dann ist es total fair, dass nichts herauskam. Und das musst du natürlich gegen die Zeit halten. Also du sagst, ich investiere drei Monate und dafür hätte ich gerne, wenn es gut läuft, das, was im OKR-Set steht.
Wenn es gut läuft, krieg ich das. Wenn es nicht so gut läuft, krieg ich das nicht. Aber dann hatte ich genauso die Hypothese, dass die Ursache und Wirkung so ist, wie wir sie uns vorgestellt hatten, wie derjenige, der das OKR-Set versucht hat umzusetzen. Sonst wäre er ja nicht losgelaufen. Wenn ich kein Ergebnis dahin kriege, wie wir es uns versprochen haben, dann hätte ich gerne einen Erkenntnisgewinn. Was haben wir daraus gelernt, damit wir das beim nächsten Mal anders machen? Dann weiß ich zumindest mal: So geht’s nicht. Das ist auch drei Monate Investment wert. Wenn ich nicht gelernt habe, wie es nicht geht, und wenn ich auch nichts auf der Habenseite habe, dann war es das Investment vielleicht nicht wert. Dann muss man sich nochmals fragen: Wo sind wir hier abgebogen oder warum nicht.
Also, ganz so trivial ist das nicht, um herauszufinden, ob es das Investment wert war.
Aber deswegen brauchst du ja – und jetzt kommen wir zu deiner zweiten Frage – einen schnellen, itinerativen Prozess, der diese Sachen hinterfragt, die Wetten rekalibriert und Learnings generiert, bevor du sie in 12 Monate investiert hast, um dann rauszufinden, dass das wohl nichts war. Das ist Risikominimierung. Jetzt musst du natürlich sehen, dass der Prozess natürlich Aufwand braucht, aber er braucht deutlich weniger, als so ein klassischer Zielvereinbarungs-Prozess, weil er ja in sich ruliert ist und die Ergebnisse aufeinander aufbauen und weil es wöchentliche Meetings gibt. D.h., ich setze mich ja nicht alle 12 Monate einmal hin und frage, was könnte ich denn jetzt mit meiner Zeit so anfangen, sondern ich habe das ja auf einer wöchentlichen Basis und demzufolge schreibe ich ja auch die Ideen fort, die ich für die nächste Zeit generiere.
Demzufolge habe ich ja schon einen wahnsinnigen Backlog, woraus ich schöpfen kann um zu sagen, im nächsten Quartal ist das, das, das, das… Das ist auf meiner Zielagenda und so und so stelle ich mir vor, das umzusetzen. Das ist dann auch wesentlicher schlanker als das, was man so unter dem Zielvereinbarungs-Prozess gesehen hat. Hilfreich ist, die alten Ziele über Bord zu werfen und auch das Geld, was daran hängt, über Bord zu werfen. Denn Jahresziele, gerade wenn sie mit Geld verbunden sind, und OKRs sind nicht sonderlich große Freunde. Es wird nicht dazu führen, dass du die OKRs in die richtige Richtung steuerst, vor allem solange jemand in der Schublade einen Zettel hat, wo drauf steht, was in 12 Monaten irgendwie passieren soll und auch noch dafür Geld kriegt.
0:25:38 Teilnehmer
Dann wäre der Aufwand wahrscheinlich initial, also wenn man einmal damit anfängt und das einführt, nehme ich mal an. Und dann kommt man ja in diese Situation, dass man diesen Backlog hat, dass man diese regelmäßigen Gespräche hat, dass alles einmal auch festgehalten ist. So, wie ich das jetzt verstehe, ja? Der initiale Aufwand ist einmal hoch und dann spielen sich diese Routinen ein.
0:26:00 Marco
Also er ist jetzt nicht höher als wenn du sagst, jetzt mache ich mal einen Businessplan oder einen Budgetprozess oder einen klassischen Zielvereinbarungs-Prozess. Da muss ja auch was rein. Die Zeitachse ist ein bisschen kürzer, aber in der Auseinandersetzung… Wie hoch das ist? Die Frage ist auf jeden Fall richtig zu beantworten: Es wird im Laufe der Quartale deutlich weniger, weil du ja eingeübt bist, weil du weißt, wie du verhandelst, weil du den Backlog kennst usw.
0:26:30 Teilnehmer
Ok. Und um das nochmals zusammenfassend zu verstehen: Als Instrument, um jetzt eine Ergebnismessung herbei zu führen aufgrund einer neuen Arbeitssituation oder –kultur, sagst du, ist es nicht geeignet.
0:26:47 Marco
Nein, es kann intellektuell nicht dazu geeignet sein, denn wenn ich die Ursachen und die Wirkung im Vorfeld nicht kenne, kann ich die Leistungen nicht am Ergebnis festmachen.
Das ist leider ein bisschen doof, aber wenn ich vorher wüsste, wie es ginge, dann bräuchte ich kein OKR. Dann würde ich dir einfach sagen, pass mal auf, nimm einen Zettel und stürm dich, ich sag dir mal, wie das läuft, du schreibst auf und dann machst du das. Macromanagement & Micromanagement sind ja alte Schule: Ich weiß, wie etwas geht und sage dir, wie du das machen musst.
Jetzt weiß ich aber plötzlich nicht mehr, wie ich dem KMI-Board etwas beibringe, weil das nur noch du weißt und du weißt es auch nicht so genau. Demzufolge müssen wir jetzt zusammen herausfinden, wie’s geht. Kann ich dir jetzt in drei Monaten den Schuh aufblasen, weil es nichts geworden ist? Nein, ich konnte dir ja auch nicht sagen, wie du es hättest machen sollen. Wir wissen es ja beide nicht, sonst hätten wir ja alle schon autonom fahrende Autos und den ganzen Krempel. Es ist ja unsicher und deswegen ist ja, was du angenommen hast, was rauskommt, von der Realität, auf die du triffst, komplett entkoppelt. Da es entkoppelt ist, ist es unsicher.
Jetzt kannst du aufgrund der Unsicherheit nicht sagen: Aber ich wollte doch, dass das herauskommt! Das ist ein frommer Wunsch, aber kein Ziel. Ein frommer Wunsch ist keine Leistung.
0:28:11 Teilnehmer
Danke.
0:28:12 Marco
Unabhängig davon, wo die Leute arbeiten. Deswegen muss man sich so ein bisschen von dem alten Begriff lösen: Ich habe jemandem gesagt, ich hätte gerne, dass X herauskommt und dann kam X heraus und es war gut und wenn Y herauskommt, war es schlecht. Sondern: Wir wissen es beide nicht. Das ist ja schon mal die erste große Erkenntnis in dem ganzen Steuern mit Unsicherheiten. Wir wissen es beide nicht, ist auch für eine Führungskraft eine große Herausforderung das einzugestehen und nicht zu sagen: Ja, ich weiß, wo es lang geht. Sondern: Ich habe eigentlich auch keine Ahnung, aber wir probieren es mal.
0:28:46 Teilnehmer
Ist klar, danke.
0:28:48 Marco
Gern.
Jetzt ist glaube ich der Rheingau dran.
0:28:55 Teilnehmer
Genau, richtig.
(stellt sich vor)
Kurz zur Firma: Wir sind die Firma XY, wir sind die Einzigen, die das Betriebssystem Linux verkaufen. Ein Opensource-Produkt, das verkauft wird, ist möglich. Wir sind eine Tochter der IBM, haben weltweit inzwischen über 19‘000 Mitarbeiter. Wie gesagt, wurden wir letztes Jahr leider von der IBM gekauft. Wir sind aber eine eigenständige Tochter und haben in Deutschland ca. 150 Vertriebsmitarbeiter. Ich arbeite im strategischen Projektmanagement für die deutsche Geschäftsführung und bin seit vier Jahren im Betrieb.
Und da kommen wir nämlich auch zum Punkt. Wir versuchen seit vier Jahren - oder ich versuche es - dem Managementteam hinterher zu rennen und sie dazu zu motivieren, die Tasks, die sie sich selbst in Management-Meetings geben, umzusetzen.
Das tu ich mehr oder weniger erfolgreich. Sie freuen sich immer alle, wenn ich sie anrufe, sie sagen: Es ist toll, mit dir zu quatschen, aber meine „To-Dos“ habe ich halt nicht abgearbeitet. Und so hüpfen wir von Meeting zu Meeting, sind aber super erfolgreich mit unseren Vertriebszahlen. Also, jedes Jahr 20% Wachstum, alles super.
Aber jetzt kommen wir so langsam in die Phase, wo wir mit der „low-hanging Foodstrategie“ nicht mehr weiter kommen. Ausschluss gab dann ein Meeting im Mai, wo ich gesagt habe, das geht so nicht mehr. Das ist einfach nicht mehr erfolgreich und ich bin daraufhin zu meinem Chef gegangen und habe gesagt, dass wir das ändern müssen. Es war sich auch jeder bewusst, dass wir was ändern müssen, in der Art und Weise, wie wir unsere Aufgaben managen und wie wir uns strukturieren.
Ich habe daneben noch ein kleines Hobby, eine Doktorarbeit Richtung „Agiles Management“, und da sind mir die OKRs begegnet. Und jetzt habe ich das mal vorgestellt, fanden alle super. Doch dann kam mein Lieblingsspruch: Wieder ein neues Tool oder wieder ein neuer Griff für etwas, was es schon seit Jahren gibt. Wir erfinden das Rad irgendwie nicht neu, sondern geben ihm einfach einen anderen Begriff. Ich frage mich jetzt – ich habe so ein ganz kleines Team von fünf Leuten, die den Mehrwert dahinter sehen und verstehen, dass wir uns verändern müssen – wie kriege ich jetzt hin, eine Veränderung der Einstellung oder des Verhaltens zu erreichen, um sich dann zu verändern und OKRs zu implementieren.
0:32:07 Marco
Eine gute Frage.
Meine erste Frage ist: Weshalb rennst du einem Manager hinterher, damit er seine Aufgaben macht?
0:32:16 Teilnehmer
Ja, weil ich das schlechte Gewissen der Firma bin.
0:32:20 Marco
Aber lass das doch.
0:32:22 Teilnehmer
Hab ich ja, hab ich irgendwann dann gemacht und das irgendwann gelassen. Das ist irgendwann dann auch aufgefallen, dass es halt niemand mehr trackt und dann wurde sich das wieder vorgenommen, dann habe ich das wieder versucht, dann habe ich das anders versucht. Dann habe ich es voran gemacht und gesagt, lass es uns versuchen, das ein bisschen agiler zu machen. Es ist ein topmodernes Unternehmen. Wir sind grad mal sieben Jahre alt, riesengroß, Opensource, open Innovation, open Culture, alles toll. Aber stur konservatives Managementteam und super traditionell.
0:32:56 Marco
Der erste Punkt ist, dass das nicht funktionieren wird, dass ein Projektmanagement-Office sozusagen hinterher rennt und den Leuten die Schuhe bindet, sondern die Leute müssen selber die Schuhe binden wollen oder sie stolpern. Also den Hund zum Jagen tragen oder wen auch immer man zum Jagen trägt, ist irgendwie eine ziemlich ungünstige Definition, wenn man das mit Topmanagern versucht. Denn die sitzen da verkehrt. Sie sollten eine Grundmotivation haben, die Dinge voran zu bringen.
Der zweite Punkt, der irgendwie hilfreich ist zum Zufall spielen ist: Du hast gesagt, sie sind sehr erfolgreich. Erfolg verzeiht Fehler. Wir versuchen die ganze Zeit, unsere Kunden auf die Situation hin zu trainieren, wenn die je kommt, dann siehst du, wer ohne Hosen baden geht.
Erst wenn du rausfindest, dass du die Erfolge erzielt hast, weil du richtige Entscheidungen getroffen hast, kannst du dich dafür glücklich schätzen oder loben. Andersherum gesagt: zufrieden sein. Wenn du sagst, ich weiß auch nicht genau, wo diese Verkaufszahlen herkommen, aber sie kommen, dann kannst du relativ sicher sein, dass dir die Flut die Füße wegzieht, wenn sie sich in Ebbe verwandelt und dass es besser gewesen wäre, mit einer Badehose loszuziehen. Denn irgendwann kommt die Ebbe.
Einige sind von dem Corona-Ding relativ hart getroffen worden und stellen fest, Mist, hätten wir doch früher mal darüber nachgedacht, was denn eigentlich unsere möglichen Erfolge sind, dann müssten wir jetzt nicht so herumzappeln. Demzufolge ist es im Management vielleicht ganz hilfreich, dafür sozusagen eine gewisse Wellness hinzukriegen, dass „being right for the right reasons“ der einzige Grund ist, wofür man sich am Ende auf die Schulter klopfen kann.
Das ist wieder der gleiche Punkt, den wir vorher hatten. Wenn ich zufällig über ein gutes Ergebnis gestolpert bin, kann ich danach nicht rumrennen und sagen, das war total geil, was wir hier rausgehauen haben, sondern ich muss es rausfinden: Hmm, ich weiß eigentlich auch nicht genau, wo das herkommt, aber es wäre mal interessant, das herauszufinden.
In der Kombination sollte ja irgendwie eine Einsicht stattrinden, dass wir verstehen sollten, was zu den guten Ergebnissen führt und was vielleicht nicht zu so guten Ergebnissen führt. Also, welche Sachen von den Aufgaben, die keiner macht, kann man getrost weglassen, und welche sollte man dann doch endlich mal machen. Klar ist das alles keine neue Erfindung, aber aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und mit einer gewissen Feinheit sind es durchaus andere Gedankenkonstrukte, die dahinter stehen. Bei OKRs geht es halt genau nicht um Tools für Projektmanagement. Aufgaben interessieren uns überhaupt nicht, sondern es geht um Ziele. Das ist was ganz anderes.
Man muss natürlich mal ein paar Aufgaben erledigen, um am Ende Ziele zu erreichen, aber dir wird keiner hinterher rennen, um deine Aufgaben zu erledigen, sondern ich würde eher fragen: Wie sicher bist du, dass du dein Ziel erreichst? Das ist eine ganz andere Frage. Die werden dir deine „To-Dos“ nicht hinterher tragen. Und das wird auch sonst niemand tun. Am Ende wirst du aber gefragt: Sag mal, wieso hast du denn dein Ziel nicht erreicht, erklär doch mal. Und dann wäre natürlich ganz hilfreich, wenn man nicht sagt: Ich habe hier eine ganz lange Liste mit Aufgaben, aber ich habe es ganz einfach nicht gemacht. Oder: Ich habe ganz viel gemacht, es hat aber nichts gebracht. Das wäre ja fast noch schlimmer, als wenn man einfach nichts machen würde. Dann hätte man wenigstens eine gute Zeit im Schwimmbad gehabt.
Wenn man die falschen Sachen macht, dann wird man auch noch gestresst. Das wäre ungünstig. Demzufolge lohnt es sich, mal in der Gruppe darüber nachzudenken und rauszufinden, was ist es denn jetzt, worauf wir setzen, was soll denn da rauskommen? Und wenn es das nicht tut, was müssen wir anders tun, damit es besser läuft? Damit sind wir wieder am Punkt von vorhin: Verantwortung übernehmen. Wenn ich als Manager für diesen Zettel hier Verantwortung übernehme, dann werde ich in drei Monaten dafür gerade stehen, dass das geklappt hat oder nicht. Und wenn nicht, dann muss ich durchaus mal erklären, was ich anders mache, wie kam es dazu, was müssen wir noch besser verstehen, damit das nicht nochmals passiert.
Wenn mich keiner nach dieser Verantwortung fragt, dann muss man eine Etage nach oben gehen und sagen: Weshalb forderst denn du keine Verantwortung von deinen Führungskräften ein? Solange ganz oben jemand an der Verantwortung zieht, kann die ja nicht weg. Man kann die ja nicht in dem Sinne delegieren, sondern man kann nur sagen, ich habe jemand anderen in die Verantwortung genommen, mir andere Teilbereiche davon zu versprechen. Aber ich bin die nicht los und ich kann die auch nicht abgeben. Aber solange das Gesamtkonstrukt auf Verantwortung basiert, was eine Mindset-Frage ist, kannst du ja nicht wirklich abhauen.
Das wären vermutlich die Stellschrauben, an denen man anfangen sollte zu diskutieren, warum ein Zielvereinbarungs-Managementsteuerungssystem dabei helfen kann, darüber nachzudenken: Was versuchen wir, was kommt dabei heraus, wie versuchen wir das hinzukriegen und was können wir daraus lernen.
0:38:06 Teilnehmer
Sehr gut, danke. Es ist nicht so, dass ich jetzt jedem einzelnen „To-Do“ hinterherlaufe, es ist allerdings sehr taktisch und sehr – ich nenne es jetzt mal „situativ“, aber wenig strategisch und langfristig. Also wenn ich frage: Was sind denn unsere Ziele? Dann haben wir als Vertriebsorganisation natürlich ein Vertriebsziel, was wir von oben runter bekommen.
0:38:34 Marco
Da fängt der ganze Käse schon an.
0:38:36 Teilnehmer
Ja.
0:38:39 Marco
Nicht ja, sondern Jaa. Da fängt der Käse an, schief in der Manege zu hängen. Weil ein losgelöstes Vertriebsziel ist ja meistens nicht gut. Wenn du dir dann mal den Rest der Organisation anguckst, wird vertrieben, was sich vertreiben lässt. Die Grundidee ist aber, damit am Ende das Gesamtspiel aufgeht, nicht was sich vertreiben lässt, muss man vertreiben, sondern was sinnvoll ist, zu vertreiben. Habe ich die Ressourcen X übrig, habe ich Produkt Y auf Lager herumliegen, habe ich Marge Z bei einem Produkt mehr als bei einem anderen Produkt und das mal die Komplexität einer ganzen Organisation. Umsatz ist nicht gleich Umsatz. Das Produkt A ist nicht so gut wie das Produkt B. Es ist einfach eine Geschichte, die nicht stimmt, wenn man mal die Gesamtorganisation versteht.
Es gibt immer Produkte mit einer besseren Marge, mit einer besseren Verfügbarkeit, mit einer besseren Umsetzbarkeit. Was der eine verkauft hat, muss der andere noch in die Realität umsetzen, „Customersuccess“ wie auch immer, schiebt man dann ab, das ist ja ein anderer Organisationspartner. Ich habe meine Verkaufsziele erreicht. Dann fängt der ganze Bau an ins Wanken zu geraten.
Da wird es spannend, das zuerst mal holistisch zu betrachten und nicht zu sagen: Verkaufsziel ist nicht gleich Umsatz X, sondern Verkaufsziel muss ja sein: Was kann meine Organisation in den nächsten drei Monaten eigentlich grade verkraften. Und wie werden die Kombinationen aus Produkt A, B, C, D am besten, zu welchen Zeitpunkten, zu welcher Menge, verkauft und was will ich denn verkaufen oder nicht. Hauptsache, ihr verkauft irgendwas, damit ihr was verkauft habt, und der Rest der Organisation muss dann sehen, wie er das hinkriegt.
0:40:32 Teilnehmer
Ja. Das ist aber in einer 18‘000-Mann-Bude schwer.
0:40:38 Marco
Das ist überhaupt nicht schwer. Man muss nur hoch genug anfangen.
0:40:40 Teilnehmer
Ja und da fangen wir ja schon an. Wir sind so groß und amerikanisch und das kommt alles vom großen Teich rüber geschwappt. Und dann heißt es: Das sind eure Ziele. Übrigens sind es dieses Jahr nicht 20% Wachstum, sondern 25%.
Aber gut, das macht Sinn, das wissen wir alle auch, nur …
0:41:02 Marco
Das hat wieder was mit Verantwortung zu tun. Will ich mich von Schwachsinn steuern lassen? Wenn ich dann der Deutschland-CEO bin, sage ich: Coole Idee, lieber amerikanischer Kollege, hast du dir mal überlegt, woher das kommen soll? Hast du mal aus dem Fenster geguckt? Wäre vielleicht auch mal gut gewesen, die New York Times gelesen zu haben. Wir haben hier nämlich auch grad sinnvolle Themen, die uns vom Umsatzmachen abhalten. Was machen wir denn jetzt damit? Und wenn dann einer sagt, gut, 30% steht im Businessplan, das haben wir den Investoren versprochen, dann ist das kein inhaltlicher Diskurs, sondern dann ist das wieder ein Wunschkonzert. Demzufolge ist die Frage: Willst du dich dann als Deutschland CEO davon steuern lassen? Oder trittst du in den Dialog und sagst: Weißt du, ich habe hier einen Plan für 18%. Wenn du 30% willst, dann gib mir entweder einen Plan, mit dem das aufgeht, oder nimm meine 18% oder mach deinen Kram alleine.
0:41:54 Teilnehmer
Ok. Ja. Spannend, das gebe ich dann mal so zurück.
0:41:59 Marco
Ja, gerne, kannst du das Recording gerne weiterleiten.
0:42:03 Teilnehmer
Dankeschön.
0:42:05 Marco
Sehr gerne.
0:42:08 Teilnehmer
Ja, hallo.
Ich bin noch ganz neu im Thema OKRs. Wir haben letztes Jahr eine Firma mit drei Gesellschaftern gegründet und haben jetzt drei Angestellte. Wir hatten uns natürlich eine bestimmte Strategie zurechtgelegt, wo wir uns auf dem Markt hinbewegen wollten. Dann hat uns im Prinzip der Erfolg gelähmt. Also, wie man so schön sagt, kann Erfolg auch gefährlich werden. Wir hatten einfach viel zu viel zu tun gehabt und hatten keine Zeit gehabt, uns wirklich um die Umsetzung der Strategie zu kümmern.
Deshalb habe ich mich mit dem Thema OKR mal angefangen zu beschäftigen. Ich wollte wissen, ob das vielleicht hilft, gerade in so einer Zeit, wo man eigentlich vom Tagesgeschäft zu sehr beschäftigt ist, zu sehr abgelenkt ist, ob man da trotzdem sein strategisches Ziel weiter verfolgen kann und ist es auch machbar von einer kleinen Organisation. Wie gesagt, wir sind drei Gesellschafter, die natürlich alle Umsatz generieren müssen. Wir haben keinen Wasserkopf, der sich nur um die Unternehmensentwicklung kümmern kann. Sondern, das geht alles von der produktiven Zeit ab, in der wir verkaufbare Produkte erstellen. Das ist, wo ich jetzt stehe. Lohnt es sich für uns, jetzt noch mehr Zeit in die Methode zu investieren, oder sollte ich es lieber gleich sein lassen und erst mal sagen: Werde erstmal grösser.
0:43:35 Marco
Also, ich kann dein Problem verstehen. Ich habe ja auch eine kleine Pommes-Bude. So gesehen weiß ich ungefähr, wo du stehst. Aber es macht total Sinn, rauszufinden, was du verfolgen willst und was nicht. Wo willst du deine Energie reinstecken und wo nicht?
Wenn du jetzt sagst, das Tagesgeschäft hilft nicht dabei, die Strategien umzusetzen, dann hast du entweder das falsche Tagesgeschäft oder die falschen Strategien. Wenn das wirklich so wäre, d.h. wenn das komplett voneinander entkoppelt ist, dann rennst du grade entweder Geld hinterher, weil es Geld ist, und du sagst: Eigentlich will ich was ganz anderes machen, aber davon kann ich die drei Leute bezahlen. Ich habe aber keine Idee, wie ich die drei Leute mit dem bezahlen kann, was ich eigentlich machen will. Oder anders herum. Und du sagst: Ich habe noch nicht die Strategie gefunden, aber irgendwas lässt sich verkaufen, aber ich weiß noch nicht so genau, warum.
Du solltest versuchen, dass das irgendwie aufeinander aufbaut und du sagst, das Tagesgeschäft hält mich nicht davon ab, die Strategien zu erreichen, sondern es zahlt darauf ein, dass wir sie erreichen. Also, die Frage ist nicht, wie viel Zeit solltest du in die Erstellung der OKRs investieren, sondern wie viel Zeit solltest du ins Tagesgeschäft investieren, was du heute betreibst, wenn du das Gefühl hast, dass es nicht zu deinen Strategien passt, und wenn glaubst, dass die Strategien die richtigen sind.
0:44:45 Teilnehmer
Ja. Es ist jetzt nicht so, dass das Tagesgeschäft gar nichts damit zu tun hat, was wir vorhaben zu machen, nur die Art und Weise. Also, wir sind eine kleine IT-Beratung und das klassische Geschäft ist Non-material und da kannst du nur wachsen, wenn du Personalwachstum hast. Da wollten wir sagen, wir wollen eigentlich mehr hin in die Service-Produkte liefern und wir verkaufen zu Bestpreisen und steigern intern unsere Produktivität, um den Umsatz steigern zu können und ohne dass wir Mitarbeiter aufbauen müssen. Also eigentlich ist die inhaltliche Tätigkeit die gleiche, nur im Prinzip die Verpackung, was wir verkaufen, ist was anderes. Insofern beißt es sich nicht wirklich mit dem Tagesgeschäft, nur frisst es dann einfach so viel Zeit, dass wir kaum dazukommen, diese anderen Themen, wie die Positionierung auf dem Markt, voranzutreiben. Wir kommen schlicht einfach nicht dazu.
0:46:04 Marco
Naja, es gibt so ein Buch der Selbstentwickler. Ich weiß nicht, ob du das mal gehört hast. Es ist ein ganz lustiges 120-Seiten-Buch. Da gibt’s so einen Satz drin: „Du machst genau das, was du machen willst und alles andere war dir nur zu teuer“.
Also offensichtlich ist es dir mehr Wert, deine Zeit für – wie du es nennst – dein Tagesgeschäft zu verwenden als für die anderen Sachen. Die Zeit ist ja da, du musst sie nur anders priorisieren. Eine alte Geschichte. Wann ziehst du dich raus und sagst mal dem schnöden Euro: Das ist jetzt Bilebilauer, verstehe ich, kann ich aber nicht machen, weil… Ich kann dir sagen, dass das eine schwere Entscheidung ist. Jede neue Bilebilauer, die ich mache, da kann ich genau sagen, was die mich kostet, wenn ich es so betrachten würde. Denn draußen würde es ja jemand geben, der dafür drei Euro dafür ausgibt.
Aber ist es mir mehr Wert, das zu machen? Ja. Habe ich darauf mehr Lust? Ja, habe ich, deshalb mache ich das. Das heißt, die drei Euro an anderer Stelle verlieren, nicht. Das ist ein Trade-Off. Den Trade-Off musst du eingehen und dann hast du die Zeit für das, was du machen willst.
Und dabei helfen dir OKRs wenn du sagst: Hey, ich wollte ja eigentlich so ein Podcast-Format machen, aber ich habe nie einen, mit dem ich telefonieren kann. Dann musst du dir halt die Frage stellen: Willst du das wirklich? Bist du bereit, dafür zu investieren? Dann passiert das auch, und wenn nicht, dann nicht. Dabei helfen dir OKRs, weil du dann beim dritten Mal feststellst, ja kein Wunder, das wird nichts, weil ich hundert Prozent meiner Zeit in Projekten verkauft habe oder was auch immer.
Also, um deine Frage konkret zu beantworten: Ja, es macht total Sinn, weil es hilft, die Frage zu beantworten: Wo willst du investieren und wo nicht?
0:48:03 Teilnehmer
Und wie viel Zeit muss man investieren, um so eine Steuerung mit OKRs aufzubauen?
0:48:10 Marco
Ihr seid ja nicht so groß, demzufolge nicht so viel. Du musst halt irgendwie mit euch Dreien einen Zettel finden, wo ihr sagt: Wenn wir alle sechs Leute in die Richtung pushen, dann kommt in drei Monaten das raus, dann wäre das schon mal was. Das kann man während ein, zwei Tagen pro Quartal mal richtig hart mit allen diskutieren. Und dann braucht es vielleicht nochmal ein paar Stunden, um für die einzelnen Leute OKR-Sets zu machen. Da kann man in ein, zwei Tagen schon recht viel machen, um mal einen Kick-Off zu machen, in einen Prozess zu kommen und dadurch wird es auch deutlich einfacher, weil du dann auch schon Erkenntnisse daraus ziehen kannst.
0:48:52 Teilnehmer
Also, so einen initialen Aufwand, dafür sehe ich keine großen Probleme, uns mal für zwei Tage zusammen zu setzen und daran zu arbeiten und To-Do-Listen oder ähnliches zu machen. Probleme habe ich wohl mehr mit dem regelmäßigen Aufwand. Wie viel Aufwand ist es dann wirklich, wie viel Meetings muss man machen, wie viel Zeit investiert man in die Überprüfung seiner Ziele und der daraus resultierenden Aufgaben.
0:49:17 Marco
Sieh’s mal anders rum an. Die Sachen passieren sowieso. Also, die Sachen sind nicht weg, nur weil du sie nicht strukturierst. Die Sachen sind sowieso da, an der Kaffeemaschine, du kriegst 47 E-Mails, 13 Zweck-Nachrichten, 12 WhatsApp und dann schleppt dich dauernd einer in ein Meeting mit, dann ruft ein Kunde an und das ist dann meistens kurz vor acht, also genau dann, wenn es nicht passt.
Das ist ja nicht weg, nur weil du es nicht versuchst zu strukturieren. Unsere Erfahrung ist, es wird strukturierter und damit wird es kanalisiert und deutlich smoother, also bekommst du weniger Ablenkung von den Seiten, kommst halt viel strukturierter dazu und stellst dann irgendwann fest, zu diesem Blog komme ich nie und offensichtlich ist er mir auch nicht so wichtig, dass ich dazu kommen werde. Also lass ihn doch aus den Zielen rausnehmen und dann wissen wir alle, dass wir ihn jetzt nicht versuchen. Dann kann ich mich mit meiner Energie auf andere Sachen fokussieren. Dann passiert das wenigstens wirklich. Das ist ja der heilsame Teil des Prozesses.
Unterwegs festzustellen, ich investiere gerade Woche für Woche Energie in die falschen Sachen, ist ja auch total Sinn stiftend. Dafür eine Stunde in die Reflexion zu stecken, aber dafür dann aufzuhören, die falschen Dinge zu machen.
Hilft das?
0:50:38 Teilnehmer
Ja, hilft, danke.
0:50:40 Marco
Sehr gerne.
0:50:45 Teilnehmer
Hi. (Nennt seinen Namen), von dieser kleinen Gesellschaft hier in Hamburg namens „Motto“, die ist dem einen oder anderen vielleicht bekannt. Dort bin ich als agiler Coach unterwegs und zwar im BI Business Intelligence Feld. Im Oktober letzten Jahres haben wir eine Schulung bekommen und führen dort in der BI OKR ein.
OKR ist aber auch ein Thema in der ganzen Organisation, an verschiedenen Stellen, ganz oben vom Vorstandsvorsitzenden auch. Er hat großes Interesse. Deswegen eben, weil BI, ich würde mal fast sagen, Vorläufer oder Pilot ist, um zu sehen, wie das funktioniert.
0:51:33 Marco
Wieso macht der Vorstand nicht den Pilot, wenn er so großes Interesse daran hat?
0:51:38 Teilnehmer
Ja, das ist eine gute Frage, die ich dir nicht beantworten kann.
0:51:43 Marco
Frag ihn mal, denn da gehört der Pilot eigentlich hin. Also, die Piloten sitzen ja in der Regel vorne.
0:51:53 Teilnehmer
Ja, aber BI ist so wie ein High-Tech Unternehmen innerhalb des Unternehmens und deswegen hieß es: Naja, wenn ihr das hinkriegt und ihr seid ja agil und sowieso immer vorne weg, dann macht doch mal OKR. Und wie gesagt, andere IT machen es auch. Aber das, was du sagst, zeigt genau auf den ersten Teil meiner Frage.
Wir haben dann angefangen und wir im BI setzen uns jedes Jahr eigentlich Geschäftsjahresziele, d.h. die beiden Direktoren setzen Geschäftsjahresziele. Das haben sie letztes Jahr schon gemacht und dieses Jahr haben sie es als OKRs definiert und jetzt sind wir in den Abteilungen dabei, diese Ziele runter zu brechen. Z.B. eine höhere Kundenzufriedenheit zu erreichen…
Und da stolpern wir jetzt bei der Einführung oder Pilotierung sehr oft über das Thema: Naja, uns wurde beigebracht, man nimmt die Strategie und teilt die in all die unterschiedlichen Bereiche auf. Und jeder überlegt sich dann, wie kann er auf diese Strategieziele einzahlen.
0:53:18 Marco
Strategie oder Strategieziele?
0:53:23 Teilnehmer
Warum machst du einen Unterschied?
0:53:25 Marco
Ich frage: Warum machst du einen Unterschied? Du hast Strategieziele gesagt, nicht ich.
0:53:30 Teilnehmer
Nun, unsere Strategie ist von oben definiert, das ist klar…
0:53:38 Marco
Als Strategie oder Ziel? Da fängt es schon an. Strategie ist ein Vektor und ein Ziel ist ein Wegpunkt. Ein strategisches Ziel würde einen Punkt auf dem Vektor beschreiben und das macht nicht so viel Sinn. Im agilen Kontext schon drei Mal nicht. Und eine Jahresscheibe auch nicht so wirklich. Da fängt meistens die Spannung schon an.
Das Grundmuster ist, eine Strategie gibt einen Vektor vor und der ist ja, ob ich den sechs Monate, zwölf Monate oder 24 Monate lang entlang schreite, erst Mal die gleiche Richtung. Und die Agilität sagt ja, ich kann dir nicht sagen, wo ich in 12 Monaten bin. Jetzt habe ich das schon Hundert Mal versucht, aber es hat nie gestimmt. Also lass ich es. Sondern ich sage dir nur, auf dem Vektor komme ich in drei Monaten soweit ich kann. Denn ich habe mir die schlausten Sachen überlegt und mir richtig Mühe gegeben. Wenn du da drüber was festnagelst, das ist jetzt ein strategisches Ziel und in 12 Monaten bist du da, konterkarierst du ja das grundsätzliche Gedankenmodell dahinter und sagst: Ja, ja, habe ich verstanden, stimmt alles nicht, ist mir aber egal, mache ich trotzdem. Da fängt ja schon der erste Bruch in der Regel an. Ohne die Zielinhalte zu kennen, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das so ist.
0:55:09 Teilnehmer
Ja, aber wir haben es so gelernt oder geschult bekommen, (wird unterbrochen), diese Ziele, die wir in drei Jahren oder in fünf Jahren erreichen wollen… (wird unterbrochen)
0:55:24 Marco
Aber das ist doch Projektmanagement! Das hat aber genau nichts mit Agilität zu tun. Das ist klassisch: Wir machen ein Ziel und brechen dann rückwärts herunter und sagen, wenn ich in drei Jahren da sein will, dann muss ich in 12 Monaten da sein und in drei Monaten da sein. Das ist das Gegenteil von dem, was wir machen.
Wir sagen, schau mal an, ich glaube, die Richtung ist für uns richtig, weil ganz am Ende von der Richtung, wenn wir da angekommen sind und irgendwas gefunden haben, was Sinn macht, steht die Erreichung unserer Mission. D.h., wir müssen grundsätzlich die Himmelsrichtung treffen und dann muss ich auf einer Drei-Monats-Schiene sein. Jetzt habe ich Hundert Leute und Tausend Euro. Dann kann ich dir sagen, was ich am Schlausten mit den Hundert Leuten und den Tausend Euro in drei Monaten mache, um am weitesten auf dem Weg da nach vorne zu kommen. Alles andere würde ja wieder eine Suggestion dessen sein, was irgendjemand prognostiziert. Also eine Projektion in die Zukunft, haben wir ja gelernt, ist nicht gut in dem Sinne von „das trifft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht“. Das ganze Denkmuster steht auf dem Kopf. Wenn ich weiterhin versuche, mit dem alten Denkmuster an der Agilität herumzuwursteln, merke ich nicht, dass ich irgendwie Sachen mache, die nicht zueinander passen.
0:56:43 Teilnehmer
Ok. Nee, das beantwortet genau das Dilemma, das wir haben.
0:56:48 Marco
Das freut mich.
0:56:49 Teilnehmer
Deswegen die Frage. Super Perspektive, danke dir.
Und der zweite Teil zahlt so ein bisschen darauf ein. Denn, als wir an die Mannschaft von ca. 200 Leuten herangegangen sind und gesagt haben, wir wollen jetzt pilotieren, haben wir gemerkt, sie wussten gar nicht so recht, was sie denn jetzt definieren sollen und was wir von ihnen erwarten. Sollen sie anderes machen als vorher. Dann sind wir in Diskussion gekommen und letztendlich kam einer mit einer Idee um die Ecke und sagte: Warum erwarten wir, dass die IT-Entwickler jetzt plötzlich an irgendwelchen kundenbasierten Zielen einzahlen sollen. Das verstehen sie überhaupt nicht. Sie haben ihre eigenen Aufgaben, sie wissen, was sie tun und sie wissen, was sie entwickeln müssen. Jetzt sollen sie plötzlich OKRs definieren und von den übergeordneten ableiten. Das passt so gar nicht. Dann kam der auf die Idee und sagte: Warum bitten wir sie nicht einfach, sich kompetenzbasiert selber Ziele, also Objectives zu setzen, was sie in drei Monaten in Richtung bessere Entwicklung erreichen wollen.
0:58:19 Marco
(unterbricht) Bis hier war der Satz gut.
0:58:22 Teilnehmer
Was habe ich da gesagt?
0:58:26 Marco
Als du gesagt hast „in Richtung einer besseren Entwicklung“. Du hast gerade gesagt, die Entwickler wissen, was zu entwickeln ist. Das ist eine Fehlannahme. Es ist das zu entwickeln, was dem Ziel dient. Punkt
0:58:43 Teilnehmer
Ok.
0:58:45 Marco
Also muss ich ja definieren … Also im letzten Teil bist du abgebogen: Mir ist egal, was ich entwickle, Hauptsache ich entwickle fehlerfrei und schnell. Und der zweite Teil ist, ich muss jetzt schneller und fehlerfreier entwickeln, das ist nur auf dem Wie. Na klar, idealerweise entwickelst du so schnell du kannst und ganz ohne Fehler. Aber das ist ja ein No-Brainer. Wenn du ein CFO bist, rechnest du am besten richtig. Dir dann unterwegs zu sagen, du sollst richtiger rechnen, ist nun nicht wirklich ein Erkenntnisgewinn. Demzufolge ist das: Wie gut führst du deinen Job aus. Das ist komplexer im Entwicklungsbereich. …. Aber um das zu kontrastieren, ist die Frage ja: Was gilt es zu entwickeln. Das ist ja eine holistische Betrachtung. Und das ist das Ziel. Das zu entwickeln, was dem Ziel dient und nicht das zu entwickeln, was grad spannend ist. Und daraus leitet die Entwicklung ab, und zwar idealerweise auf crossfunktionaler Ebene, was dem Produktziel dient. Ob ich jetzt da ein bisschen schneller oder weniger schnell unterwegs bin, ist nicht Teil der Entwickler-OKRs, sondern crossfunktional betrachtet.
Hat das, was ich entwickelt habe, wirklich einen Impact auf den Kunden oder habe ich hier die ganze Zeit an den Schaltern herum gefuhrwerkt und der Kunde sagt: Der Schalter war mir vorher schon egal, jetzt ist er anders, aber das ist mir immer noch egal. Da hätte schneller entwickeln auch nichts gebracht. Darum geht es ja.
1:00:26 Teilnehmer
Ok. Das führt mich aber wieder zum ersten Teil. Da muss doch irgendjemand sagen, was er haben will, was das Ziel ist. Der Kunde eigentlich.
1:00:39 Marco
Ja. Der fängt an, der steht nämlich ganz oben in der Vision. Man macht das ganze Ding ja nicht, damit der Laden möglichst groß ist, sondern damit irgendein Problem, das möglichst viele Leute haben, das relevant ist, am Ende gut gelöst wurde. Das kann auch sportlich sein und ganz schön lange dauern. Aber da der Kunde da oben schon im Zentrum der Betrachtung steht, denken alle darüber nach, was dem Kunden hilft, möglichst schnell sein Problem loszuwerden oder vielleicht auch mehr Pleasure zu empfinden, als vorher. Das ist ja nicht immer nur schmerzlösend, man kann auch etwas besser machen als vorher. Das gehört ins Zentrum der Betrachtung und von da aus abgeschichtet, ist alles daran ausgerichtet, das was bringt.
Wir sind ja nicht da, damit die Leute etwas zu entwickeln haben, weil ihnen daheim langweilig war. Sondern, es soll ja ein Problem gelöst werden. Das kaskadiert runter und dann kannst du sagen: Dieser Teilbereich verantwortet ein Produkt im gesamten Orchester, Unternehmen, Visionen. Von da abgeleitet wird es inhaltlich runter gebrochen und dann kann ein Team von Entwicklern ganz super sagen, was sie glauben, was sie entwickeln könnten mit dem größten Impact auf das, was der Kunde mit dem Produkt eigentlich anfangen will.
Dazu muss ich aber verstehen, was der Kunde eigentlich will. Will er diesen Schalter haben oder nicht oder benutzt er den gar nicht.
1:02:14 Teilnehmer
Nee, super. Deine Antworten sind genau das, was ich vermutet habe, was bei uns schief läuft, wo ich ansetzen muss. Danke dir.
1:02:25 Marco
Das freut mich sehr. Bitte sehr. Ich kann mich ja auch irren, deshalb bin ich immer froh, wenn es hilfreich erscheint. Aber es hat schon ein paar Mal funktioniert.
Super. Dann… wo ging es weiter?
1:02:58 Teilnehmer
Servus. Hallo aus Wien. (stellt sich vor) von Fifty-One. Zuerst mal vielen Dank für die Möglichkeit, hier Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen. Das schätze ich wirklich sehr.
Wir sind ein kleines 10-Mann-Beratungsunternehmen und beschäftigen uns mit digitaler Transformation. Wir arbeiten im Team schon seit einiger Zeit mit OKRs, manchmal besser, manchmal schlechter. Darüber möchte ich nicht reden.
Ich habe mir immer die Frage gestellt, wie man das in großen Unternehmen kaskadiert und bei meinen Kunden sehe ich auch immer wieder verschiedene Implementierungsansätze und sehe meistens auch, dass es ganz ganz schnell wieder so in Richtung klassische Zielkaskade geht. Ganz klassisch: Oben werden OKRs definiert, vielleicht auch noch als Set, messbar, also schön, wie es sich eigentlich gehört. Dann wird es aber ganz schnell, wenn es runter geht, One-to-One mit direkten Abhängigkeiten und wenn wir jetzt hunderttausend Umsatz machen wollen, wie verteilen wir die jetzt. Geht also fast wieder in ein klassisches Zielsystem.
Ich habe mir eigentlich immer gesagt, ich glaube nicht, dass es so sein soll. Soviel ich weiß, sollte es ein bisschen anders sein. Meine Frage ist: Wie soll es sein, wenn es über drei oder vier Hierarchieebenen geht. Wie schaffst du es, dass du wirklich auf der Set-Ebene bleibst, also wirklich auf Gesamtzielebene bleibst. Ich glaube, ein paar Sachen von den Fragen, die ich vorhin gehört habe, gehen schon ein bisschen in die Richtung. Also von den ersten beiden Teilnehmern am Anfang glaube ich, das ist alles schon ein bisschen in die Richtung gegangen. Also, wie kaskadiert man das über mehrere Hierarchien hinab?
1:04:35 Marco
Wir nehmen jetzt mal an, drei oder vier Ebenen ist nicht zwingend der entspannte Bereich, aber auf jeden Fall noch gut machbar. In den Automobilthemen geht es teilweise 15 Etagen runter, da wird es dann schon etwas sportlicher oder wenn du mit Siemensbereichen redest, dann ist die Frage: Was habt ihr mit dem anderen Bereich da drüben zu tun. Und die Antwort ist: Wir zahlen unser Geld auf der gleichen Bank ein.
Da wird es dann schwierig, eine inhaltliche Steuerung zu finden. Denn, wenn die Klammer drum herum eigentlich nur ein Finanzkonstrukt ist, was bei so einem großen Laden möglicherweise dazu führt, dass sie kleinere Läden daraus machen, um die kleineren Läden inhaltlich voneinander abgegrenzt besser steuern zu können.
Aber jetzt gehen wir mal davon aus, es gebe eine inhaltliche Klammer um das ganze Thema, dann ist ja die Grundidee schon so, dass man sagt: Wo drauf können wir denn jetzt die gesamte Power richten und was bringt uns als Gesamtunternehmen am meisten nach vorne. Und so, wie du es gesagt hast, steht oben eine Million, dann brichst du es herunter, dann sind es noch hunderttausend, dann kommt es bei dir an, dann sind es noch zehntausend. So ist das Kaskadieren nicht gedacht, weil das auch keine OKRs sind, sondern das sind Finanzkennzahlen und das kannst du machen. Aber das kommt hinten raus, das stecke ich nicht vorne rein. Also muss jetzt ich das Pferd im Stall umdrehen, damit der Kopf vorne ist. Dann sehen wir auch, wohin der guckt. Wo sollen wir denn hinsteuern, damit am Ende Finanzkennzahlen herauskommen?
Das ist ja die Frage: Kriegst du auf einer sehr hohen Verdichtungsebene was hin, wo wir sagen: Das ist jetzt das erste Mal, dass wir diesen Teilbereich hinbekommen haben. Und dann investieren wir alle Kräfte, die wir können, von allen Abteilungen crossfunktional, also Entwickler, Designer, Wirtschaftler, wie auch immer. Die richten sich alle darauf aus, jeden Punkt zu holen. Und noch den zweiten, den dritten und den vierten usw. Damit richtest du die ganze Organisation ja inhaltlich aus und sagst dann: Schau, wenn das der Bereich ist, der uns ganz wichtig ist, was kann ich dann als darunter liegende Organisationseinheit dazu beitragen, dass es auch wirklich passiert und zwar in dem Fokus, in dem inhaltlichen Thema, was dabei herauskommen soll. Wenn du dann sagst… keine Ahnung… vielleicht: Ich will Netflix Konkurrenz machen. Vorher kommst du aus dem Entertainmentbereich und glaubst, dass irgendwie Screening auch eine tolle Idee ist, dann ist es natürlich doof, wenn du sagst: Ich will morgen Netflix überholt haben. Das wird dann wahrscheinlich schwierig.
Jetzt kann man aber sagen: Was wäre denn für die ganze Organisation in drei Monaten ein guter Zustand? Dann kannst du sagen: Blockbuster selber produzieren wird auch eng, da habe ich das Kleingeld nicht und das krieg ich in drei Monaten auch nicht hin, aber ich kann alle Lizenzen von den Kinderfilmen der achtziger Jahre kaufen. Dann bin ich mal zumindest in der Nische schon mal breit aufgestellt. Wenn jemand seine Kindheitserinnerungen streamen will, bin ich der richtige Anlaufpunkt. Da sagen alle, ja, den Rechteeinkauf kriegen wir hin, Lizenzen ok, technisch kann man mal ein paar Videos machen – nicht ganz so viele wie bei Netflix – aber so eine Handvoll kriegen wir hin und tausend User vertragen wir auch. Mit einer Million Usern kommen wir nicht klar.
Damit hast du das Commitment und das kannst du dann runterkaskadieren und alle Einheiten können darauf einzahlen und sich fokussieren, wie sie diesen Teilsieg erreichen wollen. Das ist eine inhaltliche Aussage. Das sind keine KPI-getriebenen Finanzkennzahlen-Aussage.
Macht es das klar?
1:08:33 Teilnehmer
Ja, inhaltlich stimme ich zu 100% zu.
Was ich oft gesehen habe, ist, dass das – bleiben wir bei deinem Beispiel – über die nächsten zwei Ebenen fast kopiert wird, bis es dort ist, wo die Leute sind, die dann wirklich den Einkauf machen. Also da, wo es dann wirklich ein aktives OKR wird, wo jemand ist, wo diesen Einkauf machen kann. Und die Frage ist dann, wie weit hast du dann in den ganzen Zwischenebenen noch einen originären Beitrag zu den OKRs. Wie weit gehst du oben nicht schon zu sehr hin und definierst, was du tust, in deinem Beispiel.
1:09:07 Marco
Naja, da oben steht ja nicht: Es muss jemand einkaufen. Sondern wir sagen da oben: Wir brauchen einen Katalog, der mindestens so und so breit ist und der mindestens uneingeschränkte Nutzungsrechte für das und das hat, der mindestens in sieben Sprachen ist. Wer da jetzt wen anruft, das kann ja drei Etagen darunter passieren. Das werde ich dort oben nicht diskutieren. Ich habe auch nicht gesagt, anrufen ist der beste Weg. Ich habe auch nicht gesagt, die Rechte liegen alle bei dem und da müsst ihr hin, sondern, das ist ja dann alles Teil des Weges, das alles herauszufinden. Der Weg dorthin ist steinig und unterschiedlich, aber sich in die richtige Richtung auszurichten und alle Kräfte darauf zu setzen, ist ja hilfreich.
1:09:55 Teilnehmer
Ok, danke.
1:09.58 Marco
Gerne.
(begrüßt nächsten Teilnehmer)
1:10:03 Teilnehmer
Jawohl.
Ich hatte wohl schon meine Antwort. Ich hatte meinen Aha-Moment schon. Nichtsdestotrotz frage ich nochmal. (stellt sich vor)… arbeite bei der BASF, dort bei Global Digitalisation und begleite da schon seit zwei Jahren ungefähr die agile Transformation, die praktisch auch wiederum für die digitale Transformation der gesamten BASF zuständig ist. So gesehen ist der Pilot auch nicht ganz da, wo er hingehört, nichtsdestotrotz immerhin mit zweitausend Mann dann doch etwas groß aufgesetzt.
Unter anderem haben sich alle Teams auf die OKR-Reise begeben, fangen dann eben auch an, mit OKRs zu arbeiten, was bei vielen Teams echt gut geklappt hat, bzw., die für sich selbst aussagen: Wow, die Art, so herum zu denken ist praktisch, nicht dieses Projektmanagement-getriebene Denken, sondern wirklich das „Wo wollen wir eigentlich hin? Was ist der Mehrwert, den wir bieten können und was macht uns da eben aus.“ Das klappt ganz gut.
Dieser Match allerdings, also auf der Team-basierten Ebene klappt vieles schon sehr gut, jetzt geht es um den major Step in der Gesamtorganisation. Und getrieben aus der Rolle heraus in dem Team digitale Transformation stehen wir nun vor der Aufgabe, dass da auch noch auf Organisationsebene ein großer Schritt passiert, dass man nicht mehr von dieser Matrix-getriebenen Organisation, die wir zweifellos noch sind, es ist noch ein in Bereiche strukturierter Konzern. Da also trotzdem in diese eher zielgetriebene Richtung, dass man sagt, das ist das Ziel, das ist die Ausrichtung, das ist die Strategie und wie kommen wir da eben Schritt für Schritt hin.
Und da war eben meine Frage: Wie kriege ich so einen major Step auf diesem Topmanagement-Level hin, auf dem man doch nochmal anders diskutiert, als auf dem Team-Level, bzw. um den Fuß da reinzukriegen. Die sind sehr interessiert, keine Frage. Die haben sich Jahres-Objectives gesetzt, weil es auf der Ebene, wie wir gesagt haben, erst mal Sinn macht, Jahres-Objectives zu setzen und nicht gleich in Dreimonats-Zyklen zu arbeiten. Ich frage mich trotzdem, wie man da praktisch, ja, diesen nächsten Schritt in die Organisation gehen muss, wie man den am besten gehen kann.
1:12:30 Marco
Also wenn sie interessiert und aufgeschlossen sind, ist das schon mal gut. Wenn ich mit Top-Führungskräften rede, ist der Mitarbeiter das Problem, wenn ich mit Mitarbeitern rede, sind immer die Chefs das Problem. Ich versuche auch herauszufinden, wie man das problemfrei gestalten kann. D.h., wie man es hinkriegt, dass nicht immer der andere das Problem ist, sondern dass man erst mal anfängt, sie als Lösung zu sehen. Das muss ja uns beiden taugen. Es ist ein Deal und der wird nur gut, wenn alle Parteien am Tisch sagen: He, das ist ein super Deal. Es ist kein Nullsummenspiel, es gewinnt nicht einer und verliert nicht einer, sondern es ist für alle Seiten besser so. Ich glaube, mit der Brille muss man da mal draufgucken und muss sagen: Ich löse nicht nur mein Problem, sei es jetzt als Manager oder als Mitarbeiter, ich versuche immer das Problem des anderen zu verstehen und zu sagen: Wenn ich mich mal in die Schuhe des anderen hinein versetze, was könnte da dann das Problem sein.
Dieses Verständnis zu generieren hilft glaube ich rauszufinden, kann so etwas wie OKRs eine Lösung sein, um so ein komplexes Problem, wie steuere ich ein Unternehmen eigentlich in der Unsicherheit, anzugehen. Und da gibt es halt ganz viele Ebenen. Da gibt es die erste Ebene, das muss mal jemand intellektuell verstehen, worum es geht, dann muss man sagen, was sind die richtigen Ziele, die hängen am Kontext, also Kontext der Strategie, die Strategie gibt ja den Kontext für die Ziele, plus meine aktuelle Situation, sowas wie Wettbewerb und Corona und Co., das ist alles Kontext. Der macht aus einer Strategie das nächste richtige Ziel oder eben das falsche. Und dann kommt der Mindset ja und da kommt ganz viel „Ich will meine Macht nicht abgeben, ich wurde in meiner Kindheit nicht geliebt, ich will das so machen, weil ich das immer so mache, ich hasse Veränderung…“, was auch immer. Das sind ganz, ganz menschliche Sachen. Die hat jeder. Jeder hat irgendwie ein Kabel, das nicht dahin gelötet ist, wo es hingehört.
Diese ganzen Sachen muss man erst mal verstehen und akzeptieren, plus das Mindset, was wir vorhin gesagt haben. Du und ich sind uns einig, wir sind in einer Welt, wo wir eher keine Ahnung haben, als dass wir eher wissen, wie es geht. Und da drauf brauche ich erst mal ein Agreement. Also das ist ja erst mal eine Weltsicht. Das, was wir hier machen, hat mit einem Framework, wo man sich an Regeln hält, und irgendwie Ziele formuliert, erst mal recht wenig zu tun. Das kommt ganz, ganz hinten. Und dann kann man das handwerklich gut machen. Aber ganz weit vorne kommt: Sehen du und ich die Welt gleich? Und das müsste man erst mal mit dem Vorstand irgendwie abgleichen. Wie schauen wir denn alle auf die Welt? Und was ist denn das Endbild, wo wollen wir das Ganze denn hin entwickeln. Da wird es eigentlich richtig spannend, wenn man sagt, lass uns mal 360° verstehen, löst das alle Probleme, macht das alle am Tisch happy oder löst das nur meine Probleme?
Wenn ich einen Businessplan mache und sage: Hey 20% Wachstum, letztes Jahr gingen 10%, 20% habe ich versprochen, jetzt hast du die 20 Prozent von mir als Ziel gekriegt, dann hat das a) nichts mit Agilität zu tun und b) machen sich alle Seiten vom Tisch, happy, weil du denkst: Wie soll das denn passieren? Keine Ahnung, aber wenn er meint, ich mache mal so gut es geht, werde ich eh nicht rausgeschmissen, kriege ich halt weniger Bonus. Das ist doch die Realität! So weit weg von: Das interessiert mich eigentlich nicht wirklich, ist ja auch nicht realistisch, aber ich mache es halt mal so gut es geht. Oder ich versuche, den Druck nach unten weiter zu geben und versuche damit irgendwie, die Leute zu zermalmen. Vielmehr Möglichkeiten hast du ja nicht, wenn der Rahmen unrealistisch ist.
Das mal aufzulösen und zu sagen: Hm, das hat man ja beobachtet, das funktioniert nicht so gut und es kann auch nicht gesund und zielführend für die Zukunft sein. Lass mal gemeinsam verstehen, wir führen das mal besser aus, indem wir alle am Tisch sitzen und sagen: Cooler Deal, so können wir mal ins Quartal starten. Löst dein Problem und löst auch meins und bringt uns als Unternehmen nach vorne. Das ist die spannende Frage. Wie kriege ich den ganzen Laden in die richtige Richtung und nicht, wie kriegen wir deinen Bonus optimiert oder wie kriegen wir die unrealistischen Ziele von deinem Investor umgesetzt oder wie auch immer.
Wie kriegen wir den ganzen Laden in die richtige Richtung. Und darauf ein Agreement zu haben, also zu sagen: Ja, das interessiert uns wirklich von allen Seiten, das möchte ich mal gemeinsam verstehen, wie kann sowas wie OKRs helfen und was muss dabei berücksichtigt werden. Und da ist sowas, wie ein Jahresziel zu setzen und darunter mit Quartalen zu iterieren, unlogisch. Mit dem nächsten Iterationsschritt steigt die Abweichung von dem, was ich vor 12 Monaten gedacht habe, was dran kommen könnte oder was sinnvoll möglich ist. Wenn ich die Zeitachsen verändere, habe ich irgendwas festgesetzt, was sich nicht so entwickelt, wie ich damals geplant habe und da drunter versuche ich logisch zu iterieren und stelle fest, das entwickelt sich nicht so, wie ich gedacht habe, lass das da oben aber fix. Da komme ich in Spannung, das geht gar nicht anders. Das sind so Sachen, die wichtig sind zu verstehen, wenn man irgendwie pilotiert oder darüber redet, dass es ja nicht so ist: Bei uns ist das eine Jahresscheibe und wir haben dann das am Aktienmarkt ja versprochen.
Das interessiert in der Realität eigentlich nicht, weil der Aktienmarkt auch nur eine Fiktion ist und die Zahlen auch. Man hat sie zwar versprochen, man muss aber trotzdem in der Iteration lernen und optimieren, wie kriege ich das weiter nach vorne. Was hat gut funktioniert, was hat nicht gut funktioniert. Und das auch auf oberster Ebene, anstatt da oben Finanzkennzahlen hinzuhämmern und zu sagen: Das sind jetzt OKRs, die sind jetzt mal auf einer Jahresschiene, der Rest da drunter ist ein Deal. So wäre es nicht. Man kann sagen, Finanzmarktrahmen verstehen, dann Quartalsweise iterieren, auch auf oberster Ebene und zwar inhaltlich, und dann schnell lernen und möglicherweise anpassen, was ich ändern muss, damit die Zahlen, die ich irgendwann mal versprochen habe, reinpassen. Das hilft glaube ich, das Gesamtmodell besser zu verstehen.
1:19:04 Teilnehmer
Ja. Ich wäre soweit voll bei dir, aber reflektiert aus meiner Sicht muss ich sagen, da ist noch ein bisschen was zu tun, bevor wir überhaupt dahin kommen, wovon du gerade gesprochen hast.
1:19:20 Marco
Genau. Aber was glaubst du, ist da… Ich habe ja den Vorteil, ich darf mit ein paar Kollegen auf so Ebenen reden und andere nicht. Aber was ich auch schade finde, ist, dass da drunter immer eine Ebene ist, wo alle Leute sagen: Ja, du hast total recht, das wird in unserem Vorstand aber nicht passieren.
1:19:35 Teilnehmer
Ob es nicht passiert, das weiß ich gar nicht. Ich weiß nur nicht, ob die Zeit jetzt schon praktisch da ist. Ich würde nicht sagen, dass es nicht passiert, ich würde nur sagen, dass vielleicht die Zeit noch nicht reif ist.
1:19:48 Marco
Aber welchen Erkenntnisgewinn bräuchte es, um herauszufinden, dass wenn ich agil werden will, dass das Festhalten an dem, was ich kenne, nicht hilft, weil es eben nicht agil ist, sondern zu sagen: Wenn ich in das Wasser will, muss ich ja rein. Ich habe letztens so einen Spruch gehört… Beim Fliegenfischen heißt es: „Wenn der Haken in der Luft ist, kannst du keine Fische fangen.“
Das ist bei der Transformation auch so. Wenn du dich ändern willst, musst du halt reinspringen.
1:20:20 Teilnehmer
Welche Erkenntnis dabei war, weiß ich nicht, ich würde mal sagen, Corona war da schon eine extreme Hilfe, was Changemanagement betrifft. Was man teilweise in zehn bis fünfzehn Jahren nicht geschafft hat, hat Corona innerhalb von zwei Wochen auf die Reihe gekriegt. So gesehen gibt es auch viele dankbare Aspekte, die diese Pandemie ausgelöst hat. Aber das ist jetzt der Punkt, wo ich sagen würde, vieles auf Teamebene & Co. hat gut funktioniert und jetzt sind wir echt an dem Punkt, wo wir gucken müssen, dass uns das alte System sozusagen und all das, was wir wirklich schon toll vorangetrieben haben, nicht wieder überrollt. Das werde ich mitnehmen, also was passiert im Unternehmen, wenn wir so weitermachen wie bisher bzw. da stehen bleiben würden, und was passiert mit alldem, was wir schon erreicht haben.
1:21:12 Marco
Vielleicht nochmals abschließend: Je schneller man das Verständnis für das Gesamtkonstrukt in all seinen Ausprägungen, mit allen Teilen, die in der Transformation halt leider echt nervig und anstrengend und persönlich herausfordernd sind, je schneller man das Gesamtbild erkennt und sagt: Haben wir alle verstanden, gucken wir alle gleich drauf und wollen wir auch? Desto schmerzloser ist der Prozess für alle Beteiligten.
Wenn wir von einigen oder mehreren tausend Leuten sprechen, dann ist es eine ziemliche Verantwortung, das schmerzfrei zu gestalten. Man kann Leute leider mit dem ganzen… Wenn man oben nicht so genau sieht und versteht und weiß nicht, was da unten drei oder vier Etagen darunter alles passiert, das verbrennt Leute, das macht Mitarbeiter echt kaputt und dauerhaft krank und das sollten wir vermeiden.
Also, je schneller man das Gesamtverständnis an der richtigen Stelle hinstellen kann, desto besser ist auch jegliche Form des Dialogs, das mal kritisch zu diskutieren, hilfreich.
1:22:21 Teilnehmer
Ja, nehme ich mit. Vielen Dank.
1:22:24 Marco
Sehr gern.
So zehn Minuten haben wir noch.
Da sehe ich grad die nächste Matrix-Frage.
1:22:37 Teilnehmer
Genau. Hallo. Wir haben eine Matrix-Organisation, d.h. im Wesentlichen klassisch, sprich die Entwickler haben quasi ihren Chef, also den Entwicklungschef, die UX-Leute ihren UX-Chef usw.
Und ich hatte grad vor dem Treffen hier eine Diskussion gehabt: Wie kriege ich einen möglichen UX aus der Querschnittsreihe in die Teams? Die wollen eigene OKRs erstellen, aber nicht so weit, das haben wir in den letzten Jahren jetzt auch gelernt, mit eigenen Key-Results, also wo die UX-Leute auch eigene Key-Results haben, weil dann hat man die UX-Person einmal seine Ziel-Key-Results, also Objectives und Key-Results plus die noch aus der UX-Schiene und das ist dann natürlich völliger Quatsch. Dann hast du zwei Herren, denen du dienen musst und das funktioniert natürlich nicht. Soweit haben wir das schon gelernt, dass das völliger Blödsinn ist. Die wollen jetzt nur Objectives definieren, um die Richtung vorzugeben, auch den Produktteams die Richtung vorzugeben, aber trotzdem ist da immer noch die Angst: Wie kriege ich das wirklich auf die Reihe, die Produktteams nachhaltig rein.
1:23:57 Marco
Vorhin haben wir gesagt, dass das oberste Rational der Kunde ist, also demzufolge jemand, dem das Produkt dient. Also ist das Produkt führend. Wieso gibt jetzt die UX dem Produkt eine Richtung vor?
1:24:17 Teilnehmer
Unser Problem demnach ist, dass wir, ich nenne das mal so, wirklich mehr Feature-Teams sind als echte Produkt-Teams. D.h. die UX, ich nenne das mal Bereich, möchte diese Feature-Teams in Richtung Produktteams bewegen.
1:24:37 Marco
Aber dann wäre am Ende das UX-Team kein UX-Team mehr, sondern ein Produktteam. Wie sollte man das versuchen zu lösen?
1:24:47 Teilnehmer
Sie würden dann wegfallen. Wenn wirklich die echten, die Software-Teams aus den Feature-Teams echte Produktteams werden, würde die gesamte heutige Steuerung von außen gar nicht mehr notwendig sein und dann wäre das genau, wie du sagtest, kundenzentriert und würde dann wirklich auf den Kunden zuarbeiten. Das fehlt jetzt halt. Das wollen sie einbringen.
Frage: Hast du aus deiner Sicht eine clevere Idee, wie man das reinbringen könnte?
1:25:14 Marco
Grundsätzlich würde ich erst mal versuchen rauszufinden: Lös dich mal von dem, wo man ist, sondern schau mal, wie müsste es eigentlich sein. Also, erst mal alles über Bord werfen, was uns abhält, und definieren, wann wäre es denn ideal. Wann sagt man, so wäre es ein crossfunktionales Team und dann wären alle Probleme, die wir hätten, weg.
Aber da gibt es Leute, die sich in einer Gilde, in einer lockeren Interessensgemeinschaft, darüber austauschen, wie macht man Design heute und die anderen sagen, das Produkt geht vor, was kommt ran. Von da aus würde ich immer rückwärts arbeiten. Also sagen: Wenn das unser Ziel ist und wir heute hier sind, lass mal verstehen, wie wir da ankommen und welche Schritte wir brauchen, um das zu machen. Und dann kann es ja Zwischenschritte geben, vielleicht ist noch nicht jemand da, der sagt, ich verantworte das ganze Produkt, aber vielleicht können wir uns darauf einigen, dass wir so tun als wäre es so. Dann gibt es vielleicht das UX-Team oder das andere Matrix-Team, die ja sagen, oder das Feature-Team übernimmt die Rolle. Ihr sagt: Schau, ich sage mal so, als wäre ich schon das ganze Produkt-Team und ihr liebe Kollegen, ihr sagt, ok, wir tun auch so.
Wir sind eine lockere Interessengemeinschaft, aber folgen tun wir im OKR-Kontext nur in diesem einen Strang. Daraus leiten wir unsere OKRs ab. D.h., ich habe zwar noch immer fachlich dich als meinen Vorgesetzten, aber inhaltlich folge ich einer anderen Richtung, wo meine Ziele herkommen. Die versuche ich umzusetzen. Du gibst mir das Commitment, dass wir beide dafür arbeiten, dass das auch so ist, um schon den nächsten ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen. Dann sehen wir hoffentlich: Hey, wir haben viel weniger Reibungen. Mit viel weniger Reibung kann ich mit den gleichen Ressourcen viel mehr herausholen. Das ist dann vielleicht schon der erste Schritt zu sagen: Bevor ich die Organisation ändere, habe ich mal bewiesen, guck mal die alte Welt an: Zwei Leute ziehen an einem Entwickler. Guck mal die neue Welt an: Es zieht nur einer dran und der andere hat sich darauf committet, sich mit dem einen auf der obersten Ebene abzustimmen und zu sagen, hey, wir ziehen nach links, ja da bin ich auch dabei, und wir kamen damit 20% schneller voran als vorher. Meint ihr nicht, es macht Sinn, die Organisation dahingehend nachzuziehen?
So würde ich es wahrscheinlich an deiner Stelle versuchen zu machen. Aber als erstes Agreement: Wollen wir überhaupt Produktteams, wo am Ende das Produkt sagt, wo es lang geht? Das heißt natürlich auch, dass der oberste Entwickler oder der oberste UX gegen den verliert, der der oberste Produkt-Owner ist.
1:28:14 Teilnehmer
Ja klar, absolut.
1:28:17 Marco
Was Macht und solche Sachen angeht.
1:28:19 Teilnehmer
Ok. Ja. Das klingt gut. Wenn ich es aus dieser Perspektive betrachte, ja.
1:28:28 Marco
Also erst Mal die schöne neue Welt bauen, unabhängig davon, was wir eigentlich haben, wer wir sind, warum es alles nicht geht. Dann Agreement holen auf die Frage: Wollen wir das wirklich? Ja, wollen wir. Ok, dann lass mal überlegen, wie kommen wir dahin, wie können wir das testen, wie können wir schon erste Schritte dahin machen, wie können wir uns beweisen, dass das eigentlich sinnvoll ist. Und wenn wir das haben, dann können wir natürlich auch andere überzeugen, den Weg mitzugehen.
1:28.58 Teilnehmer
Ja.
1:29:01 Marco
Ich denke, das ist ein ganz guter Punkt.
Ich glaube, wir haben alle Fragen. Oder gibt es noch jemand, der noch eine Frage offen hat? Ich glaube, wir haben alles zusammengefasst.
Wir haben die Zeit auch gut genutzt. Dann freut es mich sehr, dass ihr eure Zeit investiert habt und freudig und intensiv mitdiskutiert habt.
Die nächste Session gibt es im September zum Thema Visionen. Da bin ich schon sehr gespannt, denn da haben sich schon sehr viele angemeldet, obwohl das noch so weit hinten ist. Aber das Thema Visionen scheint auf jeden Fall zumindest mal Diskussionsstoff zu bergen. Das ist uns ja immer klar, aber ich dachte, da es auch so viel Interesse gibt, das mal öffentlich zu diskutieren. Da freue ich mich. Falls ihr Lust habt, am 8. September ist die nächste Session.
In diesem Sinne vielen, vielen Dank für eure Zeit und angenehmen Tag noch.