Lust auf Strategie? Warum es eine klare Vision und saubere Strategien für OKRs braucht
Marco Alberti
Wenn man sich heute mit Zielen in Unternehmen beschäftigt, kommt man an agilen Steuerungssystemen wie der OKR Methode kaum noch vorbei. Warum es im Zusammenhang mit klaren Zielen & OKRs auch zwingend notwendig ist, eine starke Vision und klare Strategien zu entwickeln, haben wir in diesem Beitrag beleuchtet.
Begleiten wir Unternehmen bei der Einführung von OKR, stellen wir immer wieder fest, dass es vor allem den Mitarbeitenden schwerfällt, ihre Objectives & Key Results eigenständig zu formulieren. Schwieriger, als ein Ziel zu benennen, ist es jedoch, überhaupt erst einmal herauszufinden, was man eigentlich wirklich erreichen will. Denn nur im Hinblick auf das große Ganze kann es gelingen, aus vielen potenziellen Zielen die richtigen herauszuarbeiten. Dieses „Big Picture“ muss also sehr klar beschrieben sein, damit die Mitarbeitenden in der Lage sind, die eigenen Ziele so zu definieren, dass in Summe etwas Sinnvolles für die gesamte Organisation herauskommt.
OKRS BRAUCHEN KONTEXT
Hierfür bedarf es Kontext! Diesen gibt die Leitbild Pyramide – angefangen von der Vision, über die Mission, hin zu den Strategien. Leider steht das Pferd an der Stelle oft falsch herum im Stall: alle schauen immer darauf, was hinten rauskommen soll, anstatt sauber zu durchdenken, was dafür vorne passieren muss. Erst auf der Ebene der Strategien fällt vielen auf: „Moment mal, wir dürfen die Kunden nicht aus den Augen verlieren…“ und deshalb wird dann in den Strategien formuliert, kundenzentriert zu denken. Unserer Erfahrung nach funktioniert das jedoch so nicht! Das ganze Thema muss konsequent vom „Kopf“ der Pyramide richtig betrachtet werden. Dabei nützt es nichts, sich als Vision vorzunehmen: „Wir wollen die Größten für unseren Bereich sein!“ Marktführerschaft, DER Anbieter, DER renommierteste Player, jeder Haushalt hat ein Produkt von uns – das sind alles nur Ausprägungen von der eigenen Größe und erweist sich nicht als sonderlich hilfreich.
Genauso wenig dienlich ist es, eine bestimmte Umsatzsumme oder EBIT-Zahlen in die Vision zu packen, nach dem Motto: „Das werden wir in ein paar Jahren schon schaffen!“ Hiermit wird lediglich eine inhaltsfreie Ableitung von einem vorher eintretenden Erfolg bedient! Das gibt niemandem die Möglichkeit, Ziele wirklich eigenständig zu formulieren... Man sollte sich stattdessen fragen, wie man zu dem vorher eintretenden Erfolg gelangt. Dies geschieht nicht, indem man sich vornimmt, groß und erfolgreich zu werden. Ein Business entsteht daraus, dass man erkennt, welche relevanten Probleme die Kunden haben und wie man diese lösen kann. Mit einer guten Lösung für ein relevantes Problem, das viele Menschen haben, ist man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch wirtschaftlich erfolgreich.
DAS UNTERNEHMENSLEITBILD ALS STRATEGISCHER ÜBERBAU
An der Spitze der Leitbild Pyramide muss demnach zuerst eine Vision definiert werden, die unsere Vorstellung einer besseren Zukunft scharf umreißt. Ein Zustand, der beschreibt, wie die Zukunft, in der das Problem nicht mehr auftritt, aussehen wird. Einer unserer Kunden verfolgt zum Beispiel die Vision, den Planeten von Krebs zu befreien und die Folgen, die durch das Leiden an Krebs entstehen, zu eliminieren. Das ist eine inhaltliche Vision, anhand der sich das Unternehmen sehr kundenzentriert und zielgerichtet aufstellen kann. Fragt man auf der Straße, ob jemand Lust hätte, daran mitzuwirken, findet man mit hoher Wahrscheinlichkeit die eine oder andere Person, die sagt: „Ich weiß zwar nicht wie, aber wenn ich etwas beitragen kann, dann gerne!“ In der Mission wird die nächste Ebene definiert: „Worum geht es eigentlich bei uns genau? Was ist unser Beitrag dafür, diesen Zustand, den wir in der Vision beschrieben haben, zu erreichen?“
STRATEGIEN SIND KEINE ZIELE
Danach kommen die Strategien. Sie bilden den dritten Layer einer Leitbild Pyramide. Eine Strategie darf jedoch nicht mit einem Ziel verwechselt werden! Ein Ziel ist ein Wegpunkt, an dem man sich in einem bestimmten Zeitraum einfinden will. Eine Strategie hingegen beschreibt eher einen Vektor; man gibt damit die Richtungen vor. Auf diesen werden dann iterativ mit den OKRs die nächsten sinnvollen Ziele definiert. Und das nicht auf einer Jahres- oder sogar Mehrjahres-Perspektive, sondern Quartal für Quartal.
Eine Strategie sollte eine Entscheidung treffen, die 1.000 andere Entscheidungen überflüssig macht! Gibt man den Mitarbeitenden eines Unternehmens eine saubere Strategie an die Hand, liefert das ein hohes Maß an Klarheit. Alle wissen, welchen Weg es einzuschlagen gilt, wenn eine Entscheidung ansteht, denn es ist klar verständlich und nachvollziehbar, welche Optionen außerhalb der Strategie liegen – und welche für uns in Frage kommen. Das schafft in dieser ganzen Komplexität Orientierung.
EINE KLARE STRATEGIE MUSS KLARE AUSSAGEN TREFFEN
Dafür muss die Strategie „Reibungsfläche“ bieten. Wenn das Gegenereignis der formulierten Strategie keinen Sinn ergibt, dann ist die Aussage nicht viel wert…
Während unserer Coachings lesen wir oft Formulierungen wie: „Wir finden ein top motiviertes Team mit Leuten, die genau das können, was wir brauchen – und die dann Lösungen schaffen, die unsere Kunden haben wollen!“ Das sind aber keine Strategien, sondern ist eher BWL-Commodity. Das Gegenereignis der Aussage ergibt keinen Sinn: Wer sich mit der Existenz eines Unternehmens auseinandersetzt, stellt fest, dass es immer richtig ist, Mitarbeitende zu beschäftigen, die das, was sie tun sollen, gerne machen – und idealerweise auch gut können. Dass man Produkte finden sollte, die Kunden auch Nutzen stiften, ist ebenfalls klar.
Die genannten Formulierungen liefern keinerlei Orientierung. Klarheit zu schaffen, ist für die Führung eines Unternehmens jedoch essenziell! Nur dann sind die Voraussetzungen erfüllt, damit die Mitarbeitenden in ihren Entscheidungen überhaupt den richtigen Weg einschlagen können. Genau das wollen wir mit Agilität in der Unternehmenssteuerung erreichen. Nur ein klar gesetzter Rahmen ermöglicht den Mitwirkenden, eigene Entscheidungen zu treffen und so ihre Selbstwirksamkeit zu fördern. Deshalb müssen auf oberster Ebene auch Entscheidungen gefällt werden, die möglicherweise auch mal falsch sind...
FÜR FALSCHE Strategische ENTSCHEIDUNGEN EINSTEHEN
Der OKR Prozess führt Mitwirkende in Dreimonatszyklen dazu, die Strategien zu prüfen – und wenn nötig, in den Diskurs zu gehen, ob das immer noch der beste Weg ist, den man hier eingeschlagen hat. Dabei ist es überhaupt nicht schlimm, wenn man mal daneben gelegen hat! Wichtig ist, dass man daraus lernt und sich auch eingesteht, wenn eine Strategie rückblickend nicht die richtige war. Diese dann zu ändern und das transparent in die Organisation zu geben, ist ein wesentlicher Teil guter Führung. Es wird kein Plan vorgegeben, der dann zu verfolgen ist, sondern eine Spiegelung dessen, was die nächsten Monate relevant sein könnte.
Das gilt auch für den Businessplan! Ein Businessplan ist nicht das Ziel, sondern idealerweise eine Projektion dessen, was herauskommt, wenn man die richtigen Strategien gefunden hat und die passenden Ziele konsequent verfolgt.
Wer den Businessplan ins Zentrum stellt, steckt noch in der „Wasserfall-Welt“ fest, in der angenommen wird, man könne für die nächsten Jahre vorhersagen, wie sich die Welt entwickelt.
DER ROLLING FORECAST ALS AGILER GEGENSPIELER der Strategie
Der viel passendere Gegenspieler für ein agiles Steuerungsmodell wie das OKR Framework ist also nicht der Businessplan, sondern der Rolling Forecast. Dieser blickt für etwa acht bis 24 Monate in die Zukunft – mit den Annahmen, die aus den Strategien und den Zielen abgeleitet getroffen wurden. Dadurch entsteht eine Projektion darauf, wie sich der eingeschlagene Weg entwickeln könnte, ob er wirtschaftlich funktioniert und somit das „Puzzle“ am Ende aufgeht.
Das ist ein bisschen wie beim Schach: Dabei wird auch ein Plan verfolgt, wie man den König bedrängt und unter Schach setzt. Allerdings muss dieser Plan idealerweise alle zwei Züge angepasst werden, da das Gegenüber meistens anders reagiert, wie man sich das vorgestellt hat, sondern einen eigenen Plan entwickelt und sein eigenes Ziel verfolgt. Darauf muss man reagieren! Das heißt, im Agilen hat man also stets einen Plan, der bis zur jeweiligen „Schach-Situation“ reicht, aber der sich Zug um Zug ändert, da sich die Umgebungsrealität ebenfalls ändert.
MIT OKRS DIE SINNVOLLSTEN ZIELE IDENTIFIZIEREN
Um aus den Strategien ableiten zu können, wie man die verfügbaren Ressourcen in den nächsten drei Monaten am besten einsetzen sollte, muss man sich quartalsweise die Frage stellen, welche der unzähligen möglichen Objectives die sinnvollsten sind. Die Strategien helfen dabei, all die Themen zu filtern und zu entscheiden, welche Ziele am besten zu dem eingeschlagenen Weg passen. Das wird im Führungsteam mit den entsprechenden Führungskräften auf oberster Ebene oder auf Abteilungs-Level diskutiert, um gemeinsam zu ermitteln, worauf man in den nächsten drei Monaten „wettet“. Es geht darum, Einigkeit darüber zu erreichen, worauf die Ressourcen gesetzt werden, da diese schließlich nur einmal vorhanden sind.
Überlegt man sich mit OKRs Quartal für Quartal, welche Ziele man in den nächsten drei Monaten erreichen möchte und prüft nach jeder Iteration, was davon abschließend verwirklicht wurde, stellt man meistens fest, dass die Überschätzung dessen, was in einem Quartal wirklich möglich war, groß ist. Gleichzeitig wird oft unterschätzt, was in einem Jahr eigentlich alles geschafft werden kann. Demzufolge ist es sehr hilfreich, diese Zielbetrachtung quartalsweise immer wieder zu reflektieren und sich zu fragen:
„Was haben wir uns eigentlich für dieses Quartal vorgenommen?“
„Was waren die Annahmen?“
„Wie weit sind wir damit gekommen?“
„Haben wir uns vielleicht überfrachtet?“
Darum nennen wir die OKR Methode auch „die Kunst, die richtigen Dinge NICHT zu tun!“ Man fokussiert sich darauf, sehr genau auszuwählen, welche Ziele man sich vornimmt – und diese innerhalb des Quartals zur vollen Entfaltung der Wirkung zu führen.
IN DER KOMPLEXITÄT GIBT ES KEINE KLARHEIT ÜBER URSACHE UND WIRKUNG
Das Leadership Modell Objectives & Key Results trainiert Unternehmen darauf, mit solchen Situationen, wie wir sie im letzten Jahr erlebt haben, umzugehen. Um eine Organisation in diesen agilen und neuen Methoden gut steuern zu können, muss man akzeptieren, dass es in der Komplexität keine Klarheit über Ursache und Wirkung gibt. Erst, wenn man der Realität ins Auge blickt, kann man mit Komplexität zurechtkommen. Das heißt, der Erfolg, den man sich wünscht, kommt aus dem besten Plan, den man hatte, plus einer konsequenten Umsetzung dessen, plus Glück, minus Pech.
Erfolg = Plan * Umsetzung + Glück - Pech
Erkennt man diese Formel an und akzeptiert, dass nicht alles von dem, was man erreicht, deshalb passiert, weil man einen guten Plan so konsequent verfolgt hat, sondern auch Glück oder Pech dabei waren, kann man die eigene Zufriedenheit nicht aus dem Erfolg ableiten. Es könnte wie gesagt auch Glück oder Pech gewesen sein… Damit man jedoch mit seinen eigenen Leistungen und denen der anderen zufrieden ist, bedarf es der Beantwortung von zwei Fragen:
„Hatten wir den besten Plan, den wir unter den damaligen Umständen hätten finden können?“
„Haben wir unseren Plan konsequent verfolgt?“
Wenn wir beide Fragen mit ja beantworten können, dann ist das Ergebnis, das beste was wir erreichen hätten können und damit sollten wir auch zufrieden sein!
DAS ERGEBNIS IST EGAL
Kann man im Nachhinein behaupten, dass man mit der Kenntnis, die man zu dem damaligen Zeitpunkt besaß, den besten Plan hatte und dieser auch konsequent verfolgt wurde, ist das Ergebnis nicht mehr sonderlich relevant...
Es geht vielmehr darum, sich zu fragen, welche Erkenntnisse man daraus ziehen kann, um in Zukunft noch bessere Hypothesen zu formulieren und so langsam zu verstehen, welche Ursachen in der Komplexität zu welcher Wirkung führen.
Das Quartal für Quartal zu wiederholen und diesen „Learning Loop“ im gesamten Unternehmen offen, ehrlich und transparent zu spielen, ist aus unserer Sicht der Kern des OKR Steuerungssystems! Nur so erhalten alle Mitarbeitenden und alle Teams die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, worin man seine Energie und Zeit in den nächsten drei Monaten investieren will.
Bei der ganzheitlichen Steuerung mit OKRs geht es ausdrücklich nicht darum, wer recht hat, sondern darum, herauszufinden was richtig ist!
Denken mehrere Leute mit diesem Mindset im Rahmen des OKR Prozesses sehr konsequent darüber nach, was die richtigen Ziele sind und das Risiko dabei kurz hält – da man ja in drei Monaten erneut in die Reflexion geht und nachsteuern kann – ist man bestens dafür gewappnet, mit sich ändernden Bedingungen und der komplexen Zukunft klarzukommen.
Wir hoffen das Video und der Beitrag konnten ein paar hilfreiche Anhaltspunkte für die Auseinandersetzung mit den Themen Vision, Strategie & OKRs geben!
Weitere Fragen rund um Vision, Strategien & OKRs versuchen wir regelmäßig auf unserem Blog zu beantworten und teilen dort auch die neusten Erfahrungen aus der Praxis.
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