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OKRs in der Krise: Wie das OKR Modell gerade jetzt bei der Unternehmenssteuerung helfen kann

Murakamy OKR Blog

Inspirierende Veröffentlichungen, kurze Einblicke in unser Denken, Anreize zum Nachdenken - all dies bietet dieser Blog als Sammlung zu den Themen Entrepreneurship, Management und Leadership. 

OKRs in der Krise: Wie das OKR Modell gerade jetzt bei der Unternehmenssteuerung helfen kann

Marco Alberti

Wie können OKRs als zentrales Steuerungstool für die Unternehmenssteuerung in der Krise hilfreich sein und wie geht man am Besten mit bestehenden OKRs um, wenn sich plötzlich das gesamte Umfeld aufgrund der Covid19-Situation verändert?

Zunächst die gute Nachricht vorab: OKRs sind - wie andere agile Methoden auch - gerade dafür gemacht, in Unsicherheit Entscheidungen zu treffen und die Ressourcen auf die richtigen Themen zu setzen. Anders ausgedrückt: Die OKR Methode fühlt sich in Krisen durchaus wohl! Bei all den Herausforderungen, die die Situation rund um Corona mit sich bringt, sollte man einem alten Motto etwas Aufmerksamkeit schenken: "Verschwende niemals eine gute Krise!". Vielleicht ist gerade jetzt die Zeit, um die Stärken von Objectives und Key Results als Führungswerkzeug voll zu entfalten und die Implementierung auch in den bisher noch skeptischen Teilen des Unternehmens so umzusetzen, dass das Framework Sicherheit bietet und Vertrauen schafft. Mitarbeiter brauchen gerade jetzt vor allem Transparenz und Orientierung.

OKRs sind gerade dafür gemacht, in Unsicherheit Entscheidungen zu treffen und die Ressourcen auf die richtigen Themen zu setzen!

Um dem Framework gerade in einer Krise Vertrauen schenken zu können, ist es wichtig zu verstehen, warum OKRs gerade jetzt ihre volle Stärke entfalten können. Das System geht davon aus, dass man die Zukunft nicht voraus sehen kann und es eine mittlere bis hohe Unsicherheit in dem Zusammenhang zwischen Ursachen und Wirkung gibt. Da die genauen Beziehungen zwischen Bemühung und deren Ergebnis unklar sind, nähert man sich durch hypothesengetriebenes Arbeiten in kurzen Intervallen, in denen man die gewonnen Erkenntnisse schnell in die weiteren Entscheidungen einfliessen lässt, um die Unsicherheit in der Zukunft schrittweise zu reduzieren und die Ressourcen auf die richtigen Themen zu konzentrieren. Mit anderen Worten: Gerade wenn es eng wird ist es um so wichtiger, die richtigen Entscheidungen über die Verwendung der knappen Ressourcen zu treffen und sich so zu konzentrieren, dass die investierten Ressourcen ihre volle Wirkung auch entfalten können - und man am Ende nicht mit einer Vielzahl halbfertiger Projekte ohne konkreten Nutzen da steht.

Darüber hinaus ist es jetzt ebenfalls wichtig zu wissen, dass die Ressourcen als gegeben zu betrachten sind. Sollten Teile des Unternehmens für einen gewissen Zeitraum von Kurzarbeit betroffen sein, so ist auch dieser Sachverhalt als gegeben zu betrachten und in die Ressourcensituation entsprechend einzuarbeiten. Die Anzahl der Mitarbeiter in einem bestimmten Team ist also fixiert. Nun geht es nur darum zu definieren, was in einem Zeitraum von in der Regel drei Monaten erreicht werden kann. Businesspläne, Zielvorgaben und jegliche andere Form von statischer Planung sind hierbei irrelevant, da sie die Realität gerade in Zeiten wie diesen noch weniger abbilden als sonst ohnehin üblich.

Folgende Aspekte können dabei helfen, mit Hilfe von OKRs die Steuerung des Unternehmens in der Krise bestmöglich zu gestalten:

#1: Vertrauen ins System

Mit dem vorher beschriebenen Wissen ist es in der aktuellen Lage wichtig, dass das gesamte Führungsteam Vertrauen in das OKR Modell als ganzheitliche Steuerungsmethode hat und die Vorteile einer echten agilen Steuerung bei hoher Unsicherheit sieht und auch wirklich anwenden will. Sollten sich bisher Zweifel an der Methode gehalten haben, so sind diese jetzt schnellstmöglich zu beseitigen. Gleiches gilt für die Grundprinzipien, die sicher in der ein oder anderen OKR Implementierung unterschiedlich interpretiert werden.

OKRs können jetzt nur dann inhaltlich hilfreich sein, wenn alle Ziele des Unternehmens und einer Abteilung oder eines Teams darin abgebildet werden. Werden in den OKRs nur sogenannte strategische Projekte, Weiterentwicklungen des Unternehmens oder die Bewältigung der Corona Krise abgebildet, besteht natürlich der Drang das aktuelle OKR Set komplett in Frage zu stellen oder sogar abzumelden. Der Trade-Off zwischen allen möglichen sinnvollen Zielen soll genau durch die Formulierung eines OKR Sets sichtbar gemacht und bewusst entschieden werden.

#2: Update auf dem Strategie-Level

Die durch Covid19 ausgelöste Situation hat eine Menge Implikationen, die sich sowohl auf der gesundheitlichen, als auch wirtschaftlichen Ebene auswirken werden. Es hat sich als hilfreich erwiesen, wenn das Führungsteam Leitlinien definiert, wie die Lage aktuell eingeschätzt wird und welche Ableitungen daraufhin für das eigene Unternehmen getroffen werden. Zum einen sollte es drei bis vier Szenarien geben, wie sich die aktuelle Situation entwickeln kann. Hilfreich ist dabei zu definieren, welches Szenario das Leadership als das wahrscheinlichste einschätzt. Dieses wird dann auch für die weiteren Planungen herangezogen.

(Mehr zum Thema Einschätzung der Corona-Krise und Szenarienentwicklung haben wir mit Zukunftsforscher Nils Müller von TrendOne im Podcast diskutiert.)

Wir halten ein Strategie-Update in der aktuellen Situation für absolut empfehlenswert! Es sollte klar daraus hervorgehen, auf welche aktuellen Bedrohungslagen unmittelbare reagiert werden muss, welche Chancen ergriffen und welche Entwicklungen verschoben werden. Es hat sich absolut bewährt diese Form des Strategie-Updates schriftlich zu machen, um eine hohe Transparenz durch das gesamte Unternehmen zu gewährleisten. Allein der Prozess der konkreten Formulierung, welche Auswirkungen die Corona-Krise für das eigene Unternehmen hat, schafft eine enorme Klarheit und gibt das Gefühl der Ruhe, da man sich konzentriert mit den möglichen Optionen auseinander gesetzt hat.

Das Update ist auch während eines Quartals jederzeit möglich und sinnvoll! Man sollte nicht bis zum nächsten Quartalswechsel warten, wenn sich die Rahmenbedingungen wesentlich verändern. In den Phase extrem hoher Unsicherheit kann ein solches Update durchaus 2-3x im Quartal erfolgen. Die Sorge, die Belegschaft dadurch zu verwirren ist unbegründet. Solange jeder Strategiewechsel nachvollziehbar, dokumentiert und begründet ist, entsteht in der Belegschaft nicht der Eindruck einer Planlosigkeit. Ganz im Gegenteil: Dies wird in der Regel als extrem transparent aufgefasst und steigert das Vertrauen in das Führungsteam.

#3: Planung hinterfragen & umplanen

Tritt während eines Quartals eine weitere Veränderung der Rahmenbedingungen auf, die ein bestehendes OKR Set sinnlos erscheinen lassen, so kann dieses auch im regulären OKR Prozess angepasst werden. Dieses Vorgehen ist abgesichert durch die wöchentlich stattfindenden Team Meetings des Leadership Teams. In dieser Runde ist das Unternehmen schnell entschlussfähig, um auf Grundlage neuer Erkenntnisse und Einschätzungen der Situation gewisse Themen aus dem OKR Set zu streichen und durch andere Themen zu ersetzen. Hier geht es - wie im Regelprozess auch - nicht darum, den Erwartungswert (also die Höhe der KRs) nach unten zu korrigieren, sondern die platzierten Wetten anzupassen, so dass sich die verbleibenden Ressourcen in der verbleibenden Zeit auf andere Themen konzentrieren.

Sollten die Zeiträume der Planung angepasst werden, wenn die Unsicherheit extrem hoch ist? Das kommt ein Stück weit darauf an, wie breit das Spektrum der möglichen Alternativen ist, die als Handlungsoptionen zur Verfügung stehen. Hat man als Unternehmen abhängig von der Entwicklung der Situation die Möglichkeit, mit 10-20 möglichen Maßnahmen sinnvoll zu reagieren, dann ist ein kürzerer Planungshorizont sicher hilfreich, um die Erkenntnisse schneller in die Entscheidungen einfliessen zu lassen. Bleibt das Spektrum der Möglichkeiten verhältnismässig beschränkt (so zum Beispiel in der Gastronomie, wo klar ist, was nach einer Wiedereröffnung zu tun ist, allerdings der Zeitraum bisher nicht absehbar ist), bringt ein kürzerer Planungshorizont kaum Vorteile. In diesem Fall sollte man bei den Planungszyklen von drei Monaten bleiben und lieber innerhalb der Quartals in einzelnen Os oder KRs Anpassungen vornehmen.

#4: Analysieren, Erkenntnisse gewinnen, handeln

In der Militär-Strategie wurde der Begriff des “OODA-Loops” geprägt, der darauf beruht die Entwicklungen in der Umgebung zu beobachten, schnelle Schlüsse zu ziehen und zu handeln. OODA steht dabei konkret für:

  1. Observe – beobachten

  2. Orient – orientieren

  3. Decide – entscheiden

  4. Act – handeln

Dieser Prozess wird auch im OKR Prozess zwischen den einzelnen OKR Meetings durchlaufen. In unserem OKR Framework ist dieser Prozess als "KVP Agenda" (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) beschrieben. Die Teilnehmer eines Meetings definieren die erreichten Fortschritte (nicht zu Verwechseln mit der geleisteten Anstrengung), identifizieren die sich bietenden Blocker und nötigen Entscheidungen, formulieren Beobachtungen und Erkenntnisse und definieren auf dieser Basis einen nächsten Fortschritt der bis zum nächsten Meeting angestrebt wird.

Dieses Vorgehen gleicht in vielen Teilen der Logik des Scrum-Prozesses. Da es etwas schlanker ist, wird es überall dort angewendet, wo kein agiler Prozess wie Kanban oder Scrum implementiert ist. Es hat sich als extrem hilfreich gezeigt, gerade in hektischen Zeiten die Dokumentation dieser einzelnen Aspekte schriftlich durchzuführen und innerhalb der Team-Meetings auch entsprechend zu diskutieren. Erst durch die konsequente und saubere Identifikation und schriftlichen Fixierung werden die zentralen Bestandteile der aktuellen Entwicklungen wirklich sichtbar und können als Muster erkannt werden. Es entsteht ein höheres Sicherheitsgefühl, da die Entscheidungen nicht ausschliesslich spontan und unter Zeitdruck getroffen werden.

Es ist uns durchaus bewusst, dass gerade dann, wenn die Zeit knapp wird das "dokumentieren" als aufwändig erscheint. Unser Punkt ist aber ein anderer: Es geht nicht darum, eine Erkenntnis oder Entscheidung zu dokumentieren. Es geht darum, dass die meisten Entscheidungen zu spontan getroffen werden und dies meist während eines Meetings unter dem Druck, durch Andere unter Beobachtung zu stehen. Dies birgt ein hohes Fehlerpotential. Wir gehen davon aus, dass “wer klar schreibt, auch klar denkt”. Wenn das Meeting schriftlich vorbereitet und dokumentiert ist, wird der Denkprozess in eine Phase vor dem Meeting ausgelagert, so dass etwas mehr Ruhe bei der Beleuchtung möglicher Optionen besteht. Diese können dann konkret in dem Meeting aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und mit den anderen Vorschlägen verglichen werden. Erst in (etwas) Ruhe denken, dann diskutieren! Das steigert unserer Erfahrung nach die Qualität der getroffenen Entscheidung enorm - und reduziert darüber hinaus das eigene Stress-Level ebenfalls erheblich.  

#Fazit: OKRs erst recht in der Krise

Wenn OKRs jemals Sinn gemacht haben, dann jetzt! Das Unternehmen wird durch diesen externen Stressor gezwungen, sich zu fragen: Was will ich eigentlich genau erreichen und was ist mir wirklich wichtig? Wenn diese Fragen im Rahmen des Strategie-Updates vielleicht etwas klarer beleuchtet wurden, dann liefert das OKR Framework die idealen Voraussetzungen, um mit den knappen Ressourcen die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Je geringer die Sicherheitsmarge ist oder je mehr ein "Boom" nachlässt, um so besser müssen nun die Wetten sein, auf die man seine Ressourcen platziert.

Wie heisst es so schön: Wenn die Ebbe kommt, sieht man wer ohne Hosen baden geht! Das ist genau die Situation, auf die wir die Menschen in den Unternehmen mit OKRs vorbereiten wollen. Richtig zu liegen, aufgrund der richtigen Entscheidungen. Wenn der erste Schock überwunden ist geht es also genau darum, die Verknüpfungen von Ursache und Wirkung hypothesenbasiert zu identifizieren und die Ressourcen auf den richtigen Wetten zu platzieren. Je schneller und vor allem öfter man diese Learning-Loops mit Hilfe von OKRs durchläuft, desto höher ist am Ende die Trefferwahrscheinlichkeit der platzierten Wetten.

Wenn ein Unternehmen bisher noch nicht mit OKRs arbeitet, sich aber jetzt gezwungen sieht, die richtigen Entscheidungen über die Ressourcen zu treffen, dann ist eine Einführung der zentralen Bestandteile der Methode in den obersten beiden Führungsebenen extrem hilfreich. Dabei ist es nicht erforderlich, dass alle Artefakte des Frameworks gleich zu Beginn in vollem Umfang Anwendung finden. Auch der Rollout der Methode auf das Gesamtunternehmen sollte dabei auf mehrere Zyklen ausgeweitet werden, in denen weitere Ebenen nach und nach in das Modell integriert werden. Eine rein digitale Einführung von OKRs ist dabei durchaus möglich. Im Artikel über virtuelle OKR Workshops beschreiben wir hierzu wichtige Tools und die zentralen Erkenntnisse.