Was sind die wichtigsten Voraussetzung zur Einführung von OKRs?
Marco Alberti
OKRs sind im Kern betrachtet ein Zielvereinbarungssystem. Da Ziele im Unternehmen da zentralste Element der Steuerung sind, ist das Zielsystem mit allen wesentlichen Bereichen des Unternehmens eng verzahnt. Die Einführung von OKRs isoliert zu betrachten, ohne dabei angrenzende Systeme und Strukturen auf ihre jeweilige Kompatibilität hin zu überprüfen ist wenig erfolgversprechend und birgt ein hohes Risiko für massive Spannungsfelder und hohe Unzufriedenheit.
Die gewünschten Effekte einer OKR Einführung sind vor allem eine stärkere Fokussierung, mehr Transparenz und eine höhere Geschwindigkeit in der Umsetzung. Um diese positiven Veränderungen mit Hilfe von OKRs möglichst wirkungsvoll herbeizuführen, sind gewisse Rahmenbedingungen erforderlich, bzw. braucht es eine Bereitschaft diese zu entwickeln:
Eine strahlkräftige Vision und Mission
Aussagekräftige Strategien, die eine klare Richtung vorgeben
Klare Beschreibung von Rollen und Verantwortlichkeiten
Möglichst schnittstellenfreier Schnitt der Teams
Selbstwirksame Teams durch eigenverantwortliche Entscheidungsfindung
Kultur des gemeinsamen Herausfindens – „Was ist richtig?“ statt „Wer hat recht?“
Architektur der Produkte ermöglicht „agile" Vorgehensweisen
Eine Kultur des gemeinsamen Herausfindens – „Was ist richtig?“ statt „Wer hat recht?“
Loslassen von klassischer Führung über Finanzkennzahlen
Entkopplung von Leistungen und individuellen Bonuszahlungen
Eine strahlkräftige Vision und Mission
In unseren Einführungsprojekten stellen wir immer wieder fest, dass die größte Stolperfalle das Fehlen einer sinnstiftenden Vision mit den daraus abgeleiteten Strategien ist. Die reine Proklamation von Größe in Form verklausulierten Formulierungen wie "Marktführer", „Standard" oder - fast grenzgenial - einfach „DER Partner für xyz" hilft leider nicht, sich durch die Komplexität der Zukunft zu navigieren.
Aussagen wie „100 Million Umsatz 2025“ finden ausser den Inhabern nur wenige Menschen wirklich motivierend - und die Vertreter der neuen Generationen mit Kompetenzen in den knappsten Feldern (v.a. IT und Digital Marketing) fühlen sich von solchen Aussagen eher abgeschreckt als angezogen. Da hilft nicht mal das antiquierte Bonussystem.
Dabei ist eine kräftige Vision alles andere als esoterisch. Sie hilft - in Kombination mit einer Mission - die wesentlichen Werttreiber für die Nutzer im Auge zu behalten und alle Handlungsfelder konsequent daran auszurichten.
Aussagekräftige Strategien
Der strategische Überbau – bestehend aus klaren strategischen Aussagen für die nächsten 18-36 Monate – muss die nötige Orientierung geben, um Entscheidungen zu treffen und Handlungsoptionen auszusortieren.
„Eine gute Strategie macht 1000 kleinere Entscheidung überflüssig“
Heute geht es nicht mehr darum, die guten von den schlechten Ideen zu unterscheiden. Die Kunst besteht darin, unter all den guten Ideen die hervorragenden Ideen zu identifizieren. Denn nur dort sollten - fokussiert durch OKRs - die Ressourcen eingesetzt werden.
Klare Rollen und Verantwortlichkeiten
Wenn den Mitarbeitern in den Teams durch den strategischen Überbau das „Big Picture" klar ist, sollte man möglichst Rahmenbedingungen schaffen, die es den Teams ermöglichen ohne Ressourcenverlust wirksam zu werden.
Sie sollten ihre jeweilige Mission kennen und die Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb des Teams klar beschrieben haben. Die Qualität der Ergebnisse wird negativ beeinflusst, wenn Zuständigkeiten nicht klar sind oder unter zahlreichen Personen oder Teams aufgeteilt werden.
Schnittstellenfreier Schnitt der Teams
Cross-funktionale Teams mit End-to-End Verantwortlichkeit sind dabei sicher idealtypisch, allerdings nicht zwingend erforderlich.
Spannungsfelder in Matrix-Organisationen gilt es im Vorfeld zu erkennen und möglichst aufzulösen. Die Organisation sollte dabei möglichst schnittstellenfrei geschnitten sein, sodass die Teams in sich den größtmöglichen autarken Wirkungsgrad erzielen können. Jegliche Form der Abstimmung oder Abhängigkeit von externen Ressourcen erhöht die Reibungsverluste und kostet Geschwindigkeit in der Umsetzung.
Selbstwirksame Teams
Selbstwirksame Teams und eigenverantwortliche Entscheidungsfindung – im Rahmen klar beschriebener Rollen und Verantwortungsbereichen – sind das Fundament erfolgreicher OKR-Implementierungen. Teams müssen in der Lage sein, eigenständig Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihre Ergebnisse zu übernehmen. Dies erfordert sowohl das Vertrauen der Führung als auch die notwendigen Kompetenzen und psychologische Sicherheit im Team.
Agile Produktarchitektur
Im Zielbild zieht sich diese Unabhängigkeit zur Erreichung von Zielen idealerweise durch bis in die Architektur der Produkte. Eine zentralisierte Softwarearchitektur ermöglicht es agilen Teams beispielsweise nicht, ihre Ergebnisse eigenständig zu liefern und zu optimieren, da sie in der Umsetzung von zahlreichen anderen Stellen abhängig sind.
Es ist also für einen reibungsfreien Einsatz agiler Methoden erforderlich, dass sich auch die Architektur der Produkte der agilen Welt anpasst, indem beispielsweise eine Mikroservice-Struktur in der Architektur der Software verwendet wird.
Kultur des gemeinsamen Herausfindens
Am Ende sollen OKRs Menschen dabei helfen, die richtigen Dinge zu tun und dies so wirkungsvoll wie möglich. Daher ist die Kultur des Unternehmens ein wesentlicher Erfolgstreiber - wenn nicht der wesentliche Treiber des Gesamterfolges eines solchen Führungssystems.
Heute geht es in der Führung nicht mehr darum herauszufinden, wer recht hat. Das einzige was zählt ist, was richtig ist. Völlig unabhängig wer die Sichtweise etabliert hat oder welcher Prozess uns zu der Erkenntnis geführt hat. Führungskräfte müssen sich heute inhaltlich tief mit den Herausforderungen auseinandersetzen, um mit ihren Teams und Mitarbeitern gemeinsam die richtigen Wege zu finden und Entscheidungen zu treffen. Es geht um den Austausch und die Steigerung der Wahrscheinlichkeit, die richtigen Dinge zu tun.
Wer da noch Wert auf „Titel" legt oder wem es wichtig ist, „Macht“ zu haben, der gehört eher zu einer aussterbenden Spezies - wenn nicht innerhalb des Unternehmens, spätestens dann, wenn das Unternehmen von den „unfairen“ Digitalplayern überholt wurde. Dann wird gerne von „Disruption“ gesprochen.
Loslassen von klassischer „Führung" über Finanzkennzahlen
Ein agiles Steuerungssystem wie OKRs und klassischen Führung über Finanzkennzahlen oder KPIs passen nicht wirklich zusammen. Das eine System versucht in kurzen Zyklen immer wieder neu zu bewerten, was die sinnvollsten qualitativen Ziele unter den aktuellen Gegebenheiten sind, während in der anderen Logik quantitative Jahresziele wie Umsatz- oder Gewinnwachstum den Ton angeben.
Ein Rolling Forecast mit dem Verständnis von „leading und lagging" Indikatoren funktioniert in Verbindung mit einer agilen Steuerung deutlich besser, denn Finanzkennzahlen sind nur das Ergebnis der richtigen inhaltlichen Entscheidungen und guter Exekution!
Entkopplung von Bonus und Leistung
Dasselbe Prinzip gilt natürlich auch für die Zielvereinbarungen von Mitarbeitenden. Die Entkopplung von Leistungen und individuellen Bonuszahlungen ist ein wichtiger Schritt zur erfolgreichen OKR-Einführung. Klassische Bonussysteme können kontraproduktiv wirken, da sie oft zu kurzfristigem Denken und suboptimaler Zielsetzung führen.
Das OKR Framework geht davon aus, dass Teams und Mitarbeitende selbst für die Definition ihrer Ziele verantwortlich sind. Dabei soll aber keine Situation entstehen, in der versucht wird, Ziele möglichst niedrig und erreichbar zu setzen – z.B. weil das Gehalt davon abhängt. Vielmehr sollen bewusst Risiken in Kauf genommen werden und neue Wege ausprobiert werden, auch wenn man sich nicht sicher sein kann, dass der Weg funktioniert und man das Ziel auch erreichen wird.
Fazit
Wer bei den oben genannten Aspekten schon gut aufgestellt ist darf sich auf ein System freuen, welches innerhalb kürzester Zeit den Fokus und die Transparenz im Unternehmen fördert. Wer noch die ein oder andere Hausaufgabe vor sich sieht, sollte keine Angst entwickeln, sondern sich vielmehr auf die Veränderungen freuen.
OKRs helfen auf eine sehr konsequente Art die wichtigsten Aufgaben Schritt für Schritt zu identifizieren und umzusetzen. Dabei ist das Maß der Veränderung für jedes Unternehmen unterschiedlich und auch die Geschwindigkeit passt sich fast automatisch an die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens an. Die Veränderung findet in dem Maße statt, wie es das Unternehmen verkraften kann - aber eben auch nicht schneller.