AMA15: Ask me anything about OKRs - Die OKR Q&A Session
Monika Tartler
In der Episode 15 der AMA-Reihe beschäftigen wir uns mit dem OKR Regelprozess und beleuchten, wie dieser eigentlich genau abläuft - wer muss wann welche OKR-Sets definieren, wer ist für die Vorschläge verantwortlich und wie kommen diese über die Kaskade in den Workshop. Zusätzlich diskutieren wir die Frage, wie man OKRs mit ISO-Zertifizierung und anderen QM Systemen zusammenbringt, ohne die wesentlichen Benefits von OKRs zu verlieren. Ein weiteres Thema ist die Einbindung der Mitarbeiter bei der Definition der richtigen Ziele und zwar so, dass sie nicht nur das Gefühl haben zu partizipieren, sondern vor allem, dass sie den relevanten Beitrag dazu leisten, die richtigen Ziele zu identifizieren. Der Rolle des OKR Champions widmen wir uns ebenfalls und diskutieren, welchen Aufwand diese Rolle einnimmt, wenn man den OKR-Prozess am Anfang bei der Einführung begleitet und am Ende ihn am Laufen hält. Zu guter Letzt diskutieren wir einen „Klassiker“, nämlich, wie man am besten argumentiert, dass das individuelle Incentivierungs- und Bonussystem nicht mit den Ergebnissen der OKRs gekoppelt wird.
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Die häufigsten FAQs zum Thema OKRs hier auch in der AMA Session zum nachlesen
Ich freue mich ganz herzlich, dass ihr die Zeit gefunden habt und ich würde sagen, wir starten gleich direkt mit der ersten Frage und fangen an.
0:02:13 Teilnehmer-Frage: Wie setze ich den Wechsel von Jahres-Objectives hin zu quartalsweisen OKRs am besten um?
Ja, hallo Marco. Ich hätte eine Frage und zwar versuche ich gerade in unserer Organisation jene, die schon OKR anwenden, dahin zu bekommen, sich von Jahres-Objectives zu trennen und künftig quartalsweise OKRs zu setzen und uns von diesen Jahreszielen zu verabschieden. Hast du da vielleicht Tipps oder „Best Practices“, wie man diesen Schritt am ehesten hinbekommen kann?
0:02:48 Marco
Hast du schon gefühlsmäßig herausgefunden, was der Grund ist, warum man gerne daran festhalten möchte?
0:02:55 Teilnehmer
In den letzten zwei Jahren, seit denen wir schon mit OKRs arbeiten, hat sich das so ein bisschen eingeschlichen, dass es diese Jahresziele gibt und da gibt es jetzt aktuell gerade sechs Stück und die sind super generisch. Eines ist z.B. „Unsere Kunden sind glücklich mit uns“, das andere „Unsere Mitarbeiter sind glücklich mit uns“… Das ist natürlich super, denn das sind so Schirme, unter die man rückwärts alles darunter packen kann, was man eh schon immer macht. Und dann bleibt das total gut. Da arbeite ich hart mit den Führungskräften, eine Änderung des Mindsets hinzubekommen. Ich dachte mir, vielleicht kannst du mir einen Tipp geben, was ich vielleicht noch ausprobieren kann.
0:03:40 Marco
Da muss man wahrscheinlich an zwei Sachen arbeiten. Die erste Sache ist, dass das gar keine Ziele sind, nicht im Sinne von „nachweislich erreichbar“. Und wie glücklich ist nicht definiert, zumindest nicht, wenn man das nicht noch als Keyresult nimmt und damit wäre das ganze Modell ein bisschen absurd.
Demzufolge muss man erstmal definieren, was denn das darunter liegende Ziel ist. Es ist ja so ein „ongoing“ Ding. Wenn du sagst: Unsere Kunden sind glücklich und unsere Mitarbeiter sind glücklich und unsere Produkte sind gut, dann hast du so im Groben beschrieben, was das Unternehmen eigentlich macht. Ihr produziert Produkte oder Dienstleistungen und bietet das an und irgendwie sind beide Seiten happy. Das ist ja die Grundidee von einem Unternehmen. Das sagt jetzt jemandem wie mir recht wenig. Ich verstehe das schon, aber das ist ja die Grundidee, warum ihr da antretet.
Also müsste man versuchen, das mal auf eine höhere Ebene zu ziehen, denn das taugt nicht mal als Strategie. Man kann das als Grundannahme definieren und dann sagen: Wenn wir wissen, dass das hier so die Sachen sind, die wir grundsätzlich versuchen, positiv zu beeinflussen, was könnte denn das konkrete Ziel sein? Wovon würden wir denn denken, dass es die Kunden wahrscheinlich am glücklichsten macht? Und wovon würden wir denn denken, dass es die Mitarbeiter am glücklichsten macht? Da ist der erste Reflex: Ja, unser Ziel ist ja, dass die Zufriedenheitsbefragung bei den Mitarbeitern besser ausgeht als vorher. Aber das ist ja keine Hypothese. Die Hypothese wäre ja, die Mitarbeiter sind unzufrieden mit den zu starren Arbeitszeiten. Oder mit irgendwas anderem, mit der Unklarheit ihrer Ziele möglicherweise.
Dann würde man die Hypothese aufstellen: In dem Quartal glauben wir mal, dass, wenn wir allen Mitarbeitern Klarheit über ihre Ziele geben und wir bei ihnen nachfragen, wie happy sie sind, sagen sie hoffentlich, dass sie glücklicher sind als vorher. Das ist ja die Grunddenkweise dessen, wie wir arbeiten. Wir arbeiten Hypothesen-getrieben, wir sagen nicht stur, dass wir uns wünschen würden, dass die Zahl in der Mitarbeiterbewertung hochgeht. Sondern wir müssen eine klare Hypothese aufstellen und sagen: Wenn wir das Ziel erreicht haben, glauben wir, dass sich der Zeiger mit der „overall KPI“ Mitarbeiter-/Kundenzufriedenheit in die richtige Richtung bewegt.
Wie du jetzt aus diesem Jahresziel-Ding rauskommst, ist, erstmal klar zu machen, was denn ein klares Ziel ist. Auf was setzt man eigentlich? Und dann sagen: Das könnte ein bisschen groß sein, wenn wir das auf Jahresebene versuchen zu beschreiben, denn dann rennen wir einer Hypothese ein Jahr lang hinterher und stellen danach vielleicht fest, dass das gar nicht der Grund für ihre Unzufriedenheit war. Da wir das ja nicht wollen, rennen wir dieser Hypothese nur drei Monate hinterher. Danach stellst du fest, ob das den Zeiger bewegt oder nicht. Danach wissen wir: Cool, das Problem ist erledigt, kümmern wir uns um das nächste. Oder: Grundsätzlich ist dieser Zeiger schon in die richtige Richtung gegangen, da geht aber noch mehr, also setzen wir da an und bauen darauf auf. Das wären die nächsten „sinnvollen“ Schritte. Das spricht ja dafür, das quartalsweise zu tun, weil ich einer falschen Hypothese nicht zwölf Monate hinterher laufen.
Glaubst du, dass das eine Überzeugungskraft hat, da rauszukommen?
0:07:33 Teilnehmer
Ja, ich glaube, bei uns hilft, das auf ein Unternehmensbeispiel zu übersetzen, dass ich da direkt mit dem Vorschlag kommen muss: Man könnte es bei uns konkret so-und-so für ein Quartal formulieren. Ich glaube, deine Verknüpfung mit den schwammigen, allgemeinen Zielen, die eher Prinzipien sind und den Mitarbeitern fehlen könnten und sie deswegen vielleicht nicht so glücklich sind, trifft. Dann hat man quasi beides auch noch miteinander verknüpft. Ich werde mal an weiteren Beispielen arbeiten.
0:08:10 Marco
Das Lustige ist, da kann man dann ja sagen: Ach XY, ich glaube da nicht dran. Und du sagst: Ich glaube schon dran. Dann kann man das mal diskutieren und sagen: Glauben ist nicht wissen, wir probieren es mal aus, eine bessere Idee haben wir gerade nicht. Wir gucken mal, ob die Mitarbeiter in drei Monaten sagen: Damit bin ich zumindest mal total happy. Ich habe hier einen klaren Rahmen, ich kann mich orientieren und ich kann meine Entscheidungen möglichst eigenständig treffen. Ich habe ja Ziele, an denen ich mich orientieren kann, die mir auch was sagen.
Wenn du mir sagst: Mach die Kunden zufriedener, mach die Mitarbeiter zufriedener, sieh zu, dass die Produkte was taugen und am Ende wäre besser noch mehr Geld als vorher – da kann ich mich recht wenig daran orientieren, das wusste ich vorher auch schon.
0:08:53 Teilnehmer
Ja, das haben wir auch. Maximise the Impact on our Budget.
0:09:03 Marco
Aber das taugt als Strategie nichts, das taugt als Ziel nichts, für mich taugt das gar nichts. Das gibt ja keinem Klarheit, das weiß ich ja schon. Wenn ich da nicht zufällig hingeraten bin, kann man davon ausgehen, dass die Leute das wissen, dass das ein Maximierungsproblem ist. Kosten runter, Umsätze rauf, die Qualität hoch, Zufriedenheit hoch… das ist ja alles recht …
0:09:35 Teilnehmer
Danke dir.
0:09:38 Teilnehmer-Frage: Wie kann ich denn messen, wie gut meine OKR-Planung war?
Ja. Erstmal vielen Dank für das Format, ich finde diese „OKR-Sprechstunde“ super hilfreich. Ich habe mich tatsächlich durch alle bisherigen Podcasts durchgehört und hätte eine Frage.
Wir sind ein relativ kleines Team von 17 Mitarbeitern, ein Start-Up, vor fünf Jahren gegründet und wir sind in einer stark regulierten Umgebung, nämlich Bio-Pharma. Das bedeutet für uns u.a., dass wir ein ISO 9001 zertifiziertes Qualitätsmanagement-System brauchen, das wir seit drei Jahren im Einsatz haben. Da gibt es relativ starre Formulierungen: Es ist ein starres Framework, wie das Unternehmen zu managen ist, wie die Qualität des Unternehmens zu managen ist und da müssen eben u.a. auch in einem bestimmten Zeitraum Ziele definiert und regelmäßig überprüft werden.
Wir haben das bis jetzt so gelebt, dass wir das auch im Ein-Jahres-Horizont definiert haben, stellen aber jedes Jahr immer wieder fest, dass das völliger Blödsinn ist. Das war damals so, dass unser Berater, der uns bei der Implementierung unterstützt hat, uns dies so nahegelegt hat, weil man das „eben“ so macht.
Wir stellen aber fest: Wir wären gern viel agiler, d.h. wir nehmen uns unseren Jahresplan i.d.R. quartalsweise vor, passen den leicht an, aber eben mit dem schlechten Hintergedanken „Das sollte man nicht tun, das ist unser Jahresziel“. Also eigentlich zeigt alles in die Richtung, dass wir OKRs einsetzen sollten und grundsätzlich sehe ich da gar keinen Widerspruch mit der Norm.
Allerdings ist es so: Was in der Norm eben auch explizit vorgegeben ist, das müssen wir erfüllen. Wir müssen die „Performance-niedrigen KPIs“ definieren und die Performance von diesem Qualitätsmanagement-System und auch von der Zielsetzung und –erreichung messen.
Da würde mich interessieren, ob du da Erfahrungswerte hast, wie man jetzt tatsächlich messen würde, wie gut das OKR-System war. Denn für mich ist es jetzt intuitiv schon ein bisschen schwierig. Es geht ja letztlich darum, pro Quartal zu lernen und vor allem meine Planung irgendwann besser zu machen. D.h., wenn mein Plan jetzt richtig gut war, heißt das ja überhaupt nicht, dass du was gelernt hast. Bis jetzt haben wir immer gemessen: Wie gut war mein Plan? Wie gut habe ich es erreicht? Das ist aber jetzt wahrscheinlich die falsche Metrik.
0:11:47 Marco
Das ist so. Meine Erfahrung „hinter vorgehaltener Hand“ und im vertrauten Kreis hier ist: Ich habe noch keine Unternehmen gesehen, die irgend so einen Standard einhalten und ihn so benutzten. Im Sinne von „ihn sinnvoll anwenden“ – so möchte ich das formulieren. Ich habe nur daneben gesehen, die irgendwas für die Regulatorik machen und dann irgendwas, wie sie ihren Laden steuern. Ich glaube, das macht auch Sinn.
Also, im Großen und Ganzen macht es keinen Sinn, aber solange die Regulatorik so ist, wie sie ist und die Realität nicht berücksichtigt, muss man manche Vögel dann halt an den Baum binden. So würde ich das mal nennen.
Das mal vorweg geschickt heißt: Ihr müsst a) euren Laden so steuern, wie man den Laden steuern muss, damit realistisch etwas rauskommt. Ihr wollt ja aus den Ressourcen, die ihr habt, schnellstmöglich das Beste herausholen. Davon würde ich mich von einem „schrägen“ ISO-System genau Null aufhalten lassen. Es macht keinen Sinn. Ich entwickle mich ja schlechter, als ich könnte, nur weil eine etwas „angestaubte“ Regulatorik das von mir erwartet.
Ich sage nicht, dass wir nicht die bestmögliche Qualität haben wollen und das auch schlau absichern. Aber dafür gibt es im agilen Umfeld schlauere Methoden, als die, die regulatorisch in vielen Firmen vorgeschrieben sind. D.h., ihr müsstet euren Laden über OKRs steuern.
Dann muss man gucken, wie weit man die Regulatorik da abbilden kann. Kriegt man es hin zu sagen: Wir haben Quartalsziele und die versuchen wir zu erreichen. Dann haben wir sozusagen für zwölf Monate eine Vorhersage. Wir haben immer einen Forecast von 12 oder 24 Monaten und vor allem, was das mit den lagging KPIs macht, vor allem was das mit Cash und Qualität macht usw. macht. Aber wir passen die sehr stark der Realität an. Wenn es davon dann regulatorische Abweichungen gibt, muss man überlegen, wie man denen begegnet.
Wenn du jetzt sagst, dass es eine regulatorische Anforderung ist zu messen, wie gut man das Ziel, das man vor einem Jahr gesetzt hat, erreicht hat, müsste man sich überlegen, wie man das abbildet.
0:14:19 Teilnehmer
Es ist eigentlich nicht das Messen, wie gut das Ziel erreicht wurde, es ist letztlich immer nur eine Messung des Qualitätsmanagement-Systems, also eine Messung des Erfolgs dieses Systems. Das Zielmanagement ist im Grunde halt eine Komponente dieses Qualitätsmanagement-Systems. Es ist aber nicht so explizit dargelegt; man macht am Ende des Jahres einen Div, guckt das an und normiert das. Das ist es nicht.
0:14:40 Marco
Was du in der Realität Risiko minimierend tracken willst – was total Sinn macht – ist: Hätte ich diese Entscheidung mit den damals vorliegenden Informationen nochmal so getroffen?
Das ist ja, was du dir auch im Review-Prozess anschaust. Das ist ja der Teil, wo „Qualität“ stattfindet. Qualität ist definiert als „Erwartungen erfüllen“, d.h., du triffst das, was du treffen wolltest. Wenn du sagst, die Eigenschaft XY ist schlecht und dann ist sie schlecht, dann ist das Qualität, denn du hast genau geliefert, was du gesagt hast. D.h., was wir realistisch gerne verstehen und tracken wollen, ist: Würdest du diese Entscheidung unter den damals gegebenen Informationen und Bedingungen nochmals so treffen? Würdest du die Hypothesen nochmal so aufstellen? Und wenn Nein, warum nicht. Wenn du sagst: Mit dem, was ich heute weiß, würde ich es anders machen. Das ist ja klar. Das ist ja kein Problem. Sondern mit dem, was ich damals wusste, würde ich es anders machen. Das ist ein Problem.
Diese Abweichung versuchst du zu analysieren. Wenn die möglichst gering ist, wenn du bei den meisten Sachen sagen kannst: Ja, Keyresult ist in die Hose gegangen, aber wenn ich darüber nachdenke mit dem, was ich damals wusste, hätte ich es genauso nochmals versucht. Dann ist das kein Problem. Das ist auch kein Qualitätsproblem, besser ging es nicht.
Wenn du allerdings sagst: Das hätte man wissen können, mit dem, was wir damals wussten, hätten wir anders machen müssen. Das ist ein Qualitätsproblem. Diese Abweichung willst du tracken. Das kommt aus dem Review-Prozess, wo du dich damit beschäftigst, wie gut deine Hypothese unter den damals herrschenden Bedingungen war. Wenn du sagst: Ich würde alles nochmals genauso aufstellen, dann hast du Qualität erreicht. Die hast du ja in dem OKR-Prozess dokumentiert. Wenn du dein Video sauber dokumentierst und sagst: Ah, schau, ich habe mir das dieses Quartal angeguckt, folgende Hypothesen aufgestellt, folgende Objectives und Keyresults formuliert – davon würde ich rückblickend das Keyresult 1, 2, 3 nochmals genauso machen. Und beim 4. haben wir nicht schlau darüber nachgedacht, das war ein Fehler und zwar so. Wenn du das sauber dokumentierst, hast du eigentlich alles dokumentiert, was du aus der Perspektive von Risikomanagement brauchst. Besser ging es ja nicht. Mit dem, was ich damals wusste, würde ich es genauso nochmals machen.
Wenn dann einer sagt: Aber es war nichts. Dann musst du sagen: Ja gut, aber besser ging es ja offensichtlich nicht. Das kann ja kein Qualitätsmanagement ankreiden. Denn Qualitätsmanagement heißt ja in dem Zielkontext: Ich habe einen schlauen Prozess, wie ich zu meinen Zielen komme. Wenn der gut „ge-reviewed“ ist – was er ist, wenn du deine Retro- und Review-Prozesse sauber machst – hast du das auch perfekt dokumentiert. Damit hast du auch gar kein Problem, die Realität zu steuern und gleichzeitig zu dokumentieren, dass du aufgrund deines Zielsystems einen sehr guten Job gemacht hast.
0:18:25 Teilnehmer
Klingt sehr einleuchtend, gerade auch, wenn man sich rückwirkend fragt: Hätte ich die Entscheidung genauso getroffen? Damit hat man im Prinzip ja ein Maß dafür, was man gelernt hat, bzw. was man über die Quartale lernt. Je kleiner der Div wird, je mehr hast du im Endeffekt gelernt.
0:18:43 Marco
Es ist nicht zwingend so, weil du dich immer fragen musst: Hätte ich es mit den damals vorherrschenden Bedingungen gemacht? Also, du hast zwar etwas gelernt. Dein nächstes Ziel würdest du anders formulieren, aber gut ist es, wenn du sagst: Das Ziel, das ich damals hatte, würde ich nochmal genauso machen mit dem, was ich damals wusste.
0:19:05 Teilnehmer
Ja, aber trotzdem, wenn man das als KPI definiert, wäre doch der klare Zielwert Null. Also, dass du nach jedem Quartal sagst: Ich würde die Entscheidung wieder genauso treffen.
0:19:15 Marco
Genau. Das sagt aber nichts darüber aus, ob du was gelernt hast oder nicht.
0:19:20 Teilnehmer
Ja, stimmt. Ist richtig.
0:19:27 Marco
„Slightly different“, aber sagt was anderes.
0:19:30 Teilnehmer
Ganz kurze Rückfrage noch, weil du eingangs erwähnt hast, dass es deine Erfahrung ist, dass es in den meisten Fällen eher so ist, dass solche Qualitätsmanagement-Systeme oder solche Normen eher parallel gelebt werden. Ist deine Erfahrung, dass Unternehmen dann tendenziell eher OKRs parallel zu ihren bestehenden QM-Systemen einführen?
0:19:52 Marco
Ja, weil ich mit diesen Dingern noch nie jemanden habe arbeiten sehen. Punkt. Ich habe schon viele verstaubte Dokumentationen gesehen, damit gearbeitet hat noch keiner. Ist das eine statistisch relevante Aussage? Nein, das ist anekdotisch, aber ein paar habe ich schon gesehen und ich würde mir zu trauen, dies ein bisschen zu extrapolieren. Denn offensichtlich fühlst du dich ja auch nicht so wohl, damit den Laden zu steuern.
0:20:22 Teilnehmer
Du kannst mich als Datenpunkt gerne zu deiner Statistik hinzufügen.
0:20:27 Marco
Okay, sehr gut.
Aber das war eine spannende Fragestellung!
0:20:33 Teilnehmer
Ja, danke für die Antwort. Das hat mir auf jeden Fall weiter geholfen.
0:20:37 Marco
Gerne.
0:20:40 Teilnehmer-Frage: Wie lange dauert es, den ersten OKR-Sets auf Unternehmens-Ebene und Abteilungs-Ebene festzulegen?
Dann bin ich die Nächste. Und zwar ganz konkret bin ich grad am Überlegen, wie wir in unserer Firma – wir sind so ungefähr 100-115 Leute glaube ich – OKR einführen sollen. Wenn ich mir jetzt wirklich vorstelle, wir hätten jetzt das nächste Quartal und würden mit unserem ersten OKR-Zyklus anfangen, dann hätten wir jetzt am ersten Dienstag im Monat immer die Runde, die die Unternehmens-OKRs für das Quartal festlegen würde und dann würde das ja in die Abteilungen runtergehen. Ich bin mir ein bisschen unsicher, wie genau, ganz konkret, dieser Prozess gestaltet werden kann, im Sinne von: Wie lange dauert das so ungefähr? Was kann ich mir da ungefähr vorstellen, bis wir dieses Unternehmens-Set fertig haben? Was ist deine Erfahrung? Ist das ein Tag, sind es fünf Tage? Und wenn es dann weitergeht, dass ich dann sage, jetzt sind die Abteilungen dran, ihre Abteilungs-OKR-Sets festzulegen, die werden ja auch eine Abstimmung brauchen: Ist das eher so eine Woche, die da realistisch ist oder eher vier?
0:21:37 Marco
Zwei Tage.
0:21:39 Teilnehmer
Okay.
0:21:40 Marco
Kannst du ganz kurz noch den Kontext geben, was ihr macht?
0:21:46 Teilnehmer
Ach so. ich bin bei Baby1one, wir sind ein Franchiseunternehmen für Baby- und Kleinkindbedarf. Ich bin in der Systemzentrale. Also alle zentralen Einheiten wie Marketing, Einkauf, Retail-Bereich sind alle bei uns in der Zentrale. Und in dieser Zentrale wollen wir OKR einführen.
0:22:05 Marco
Du referenzierst wahrscheinlich den Dienstag auf das Leadership-Meeting, wenn ich das richtig verstanden habe.
0:22:12 Teilnehmer
Ja, korrekt.
0:22:14 Marco
Das ist ja der „Regelbetrieb“, das ist zwischen den Quartalen, wenn es darum geht, die OKRs zu erfüllen.
Um die OKRs zu definieren hast du einen Workshop, der sich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit zwei Tage lang ausbreiten wird. Viel kürzer haben wir es noch nicht gesehen und immer, wenn es darunter geht, leidet die Qualität.
Was machst du in den zwei Tagen? Du definierst das Company-Set und die ganzen Team-Sets oder Abteilungs-Sets, die direkt darunter kommen, und du machst genau diese Abstimmung, die du angesprochen hast, innerhalb dieser zwei Tage. D.h. es kommt jemand, der sich für das Company-Set verantwortlich fühlt, mit einem Vorschlag für das Company-Set, und jeder „Team-Lead“ kommt mit einem Vorschlag für ein Team-Set und dann führst du die zwei Sachen übereinander und vergleichst sie miteinander.
Du suchst nach zwei Punkten. Der erste Punkt ist: Wo hat im Company-Set eine Sache keine Unterstützung. D.h., jemand sieht auf Company-Ebene ein Keyresult, aber darunter fühlt sich keiner berufen, das zu unterstützen. Da ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass das in die Hose geht. Den zweiten Punkt, den du suchst, ist: Da hat jemand was in einem Team-Set, allerdings ohne Anschlussfähigkeit an das Company-Set. Das könnte dazu führen, dass man sagt: Spannende Idee, kommt von unten nach oben, hatten wir so gar nicht auf dem Schirm, müssen wir mitaufnehmen. Also weiten wir das Company-Set aus und schmeißen dafür vielleicht ein anderes Thema raus.
Das differenziert dann, was du alles machen kannst. D.h., du versuchst dann, diesen Impuls zu nehmen und zu sagen: Nein, das kommt im Company-Set nicht vor, kommt dieses Quartal nicht dran. Kommt im Company-Set nicht vor, ist aber spannend und haben wir vergessen – nehmen wir auf, dafür schmeißen wir oben etwas anderes raus.
Aus diesem Diskurs kriegst du dann das Company-Set final gerüttelt, also so, dass du sagst, du nimmst möglicherweise etwas auf und das, wofür du keine Unterstützung hast, schmeißt du raus. Oder du sagst, wo ich noch keine Unterstützung habe, brauche ich noch z.B. vom Marketing-Team die Unterstützung. Dann rüttelst du das so, dass das Company-Set final ist. Dann gehen alle noch kurz in sich, passen ihre Team-Sets an und dann gehst du die Team-Sets einzeln durch.
Die Summe aller Team-Sets sollte das Company-Set ergeben, sonst ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass keiner was macht. Und die Team-Sets sollten in sich so sein, dass sie „sportlich“, aber machbar sind, also nicht völlig surreal. Und meistens sind sie ja auch leider funktional nicht so geschnitten, dass jeder alleine klar kommt, sondern es sind x Abhängigkeiten drin und die musst du adressiert haben. Z.B. Team A will etwas von Team B, Marketing will ein neues Newsletter-Tool einführen, kann es aber eigentlich gar nicht, weil es IT braucht. IT sagt: Wir sind sowieso überlastet, weil Buchhaltung und alle anderen wollen auch noch etwas. Dann musst du halt diesen Engpass lösen und musst sagen: Was ist für uns als Gruppe – es ist ja die gesamte Company vertreten – am wichtigsten? Newsletter-System oder Buchhaltungs-System oder Product-Feature I? Und dann schmeißt ihr halt etwas über Bord.
Wenn du das alles hast, weiß jeder, wie viel Support er von den anderen kriegt, was er liefern muss, wie wahrscheinlich das ist, dass sie das Company-Set hinkriegen, weil es ja von den einzelnen Sets der Teams „untermauert“ ist. In Summe müsste das Company-Set irgendwie aufgehen, sowohl von der Realisierbarkeit, resp. von den zur Verfügung stehenden Ressourcen, als auch von der Wahrscheinlichkeit, dass, wenn alle liefern, was sie in OKR-Maß – so 70% oder mehr - versprochen haben.
Das rüttelst du zwei Tage lang gerade. Danach brauchst du nicht mehr so viel Zeit, weil ihr dann ja Fakten habt. Dann fange ich nicht nochmals an, das Team-Set mit irgendjemandem zu diskutieren, weil das ja schon mit allen relevanten Stakeholdern diskutiert wurde. Daraus kannst du dann ableiten, was die Beiträge der Personen oder Teams sind, die darunter kommen. Die sagen dann: Meine Beiträge sind X, Y und Z. Demzufolge haben sie die Möglichkeit, auch ihre eigenen Sets zu formulieren, weil sie das ja schon wissen. Zudem steckt in den Teamvorschlägen ja schon das drin.
Idealerweise haben sich die Teamleiterinnen und Teamleiter schon vergewissert, was sie ins Rennen werfen, weil sie wissen, was die Leute, die hinter ihnen stehen, wollen, leisten können usw. Das hat sich ja nicht einer aus dem blauen Himmel überlegt, sondern der Vorschlag ist ja gut durchdacht und dann „marginal“ aufgrund seiner Machbarkeit und Wichtigkeit verändert worden. D.h., dass das, was zu den Teams zurückkommt, idealerweise nicht so weit weg ist von dem, mit dem sie reingegangen sind. Demzufolge brauchst du auch nicht so einen komplexen Prozess, um das auf die Ebenen runter zu diskutieren, weil ja die großen Bausteine gesetzt sind.
0:27:50 Teilnehmer-Frage: Sollte der OKR-Champion auch die Teams am Anfang unterstützen?
Und eine Anschlussfrage daran: In der Organisation, in der wir dann einen OKR-Champion hätten, der dann ich wäre, würde ich diese zwei Tage voll begleiten. Oder wie ist da deine Erfahrung dazu? Wenn das dann runter geht an die Teams, brauchen die dann auch alle grad zu Beginn schon auch nochmal jemand an der Seite, der sie dann in dem Prozess unterstützt? Oder ist das etwas, wo der Champion immer bei allen Teams dabei wäre?
0:28:18 Marco
Wie viele Teams sind es?
0:28:21 Teilnehmer
Ich glaube acht.
0:28:26 Marco
Nach dem Workshop macht der OKR-Champion dann mit den jeweiligen Teamleiterinnen und Teamleitern zu den „Office Hours“, d.h. man setzt sich normal hin und sagt: Ich weiß schon, in dem Workshop ging es heiß her, da war auch nicht so viel Zeit und da gucken einem alle auf die Finger. Jetzt machen wir das nochmal in Ruhe OKR-kosmetisch. D.h., da kommt man nochmals auf die Sets und das ist auf jeden Fall ein Pflicht-Aufwand für dich, dann wäre es nochmals bei 8-10 Stunden. Vereinfacht gesagt, nochmal einen Tag. Das ist so die Mindestanforderung.
Dann kannst du natürlich den acht Teams deine Hilfe anbieten und sagen: Schau, wenn ihr jetzt beim Runterbrechen von euren OKR-Sets Fragen habt, dann bin ich natürlich für euch da und biete euch Hilfestellung. Dann kannst du z.B. auf Office-Hours mit den ganzen Teams gehen oder kannst dir einzelne Leute aussuchen, die sagen: Ich habe noch eine Frage. Oder: Kann ich das mal haben. Wir machen es immer so, dass diese Office-Hours auch jenen angeboten werden, die nicht Teilnehmer dieses Workshops waren. Erfahrungsgemäß ist die Nachfrage gar nicht so hoch, wie man befürchtet. Viel schlimmer ist, dass du wahrscheinlich eher mal auf die OKR-Sets schauen musst und dann mal fragst: Willst du nicht mal eine Office-Hour?
Das entspricht wahrscheinlich eher der gelebten Realität, weil die Leute, die mit Fragen kommen, sind wahrscheinlich nicht jene, die du am unbedingt sehen möchtest.
Um es von Seiten der Kapazität zu beantworten: Dein Aufwand ist am Anfang wahrscheinlich bei 30-50% einer Vollzeitstelle. Das ist wie die Einführung eines ERP-Systems. Da ist man halt am Anfang ein bisschen beschäftigt und später wird es dann besser.
0:30:34 Teilnehmer
Okay. Danke.
0:30:42 Teilnehmer-Frage: Wie kommen denn die Mitarbeiter der unteren Ebenen bei der OKR-Planung zum Zug?
Ich melde mich nochmal mit einer Frage, weil ihr die OKR-Planung so schön angesprochen habt. Es stimmt, diejenigen, die dem OKR-Champion Fragen stellen, die braucht man nicht so betreuen, wie die anderen, das kenne ich aus eigener Erfahrung.
Zur OKR-Planung: Wenn ich das richtig verstanden habe, wie du den Prozess in zwei Tagen beschreibst, dann findet dieses Alignement und dieser Bottom-Up-Approach ja nur zwischen der Unternehmensführung und der Ebene darunter statt. Was mir dann ein bisschen fehlt, ist: Wie werden denn alle so ein Stück weit abgeholt. Denn ich werbe immer damit, dass im OKR-Framework auch der Mitarbeiter mit seiner Idee, mit seinem Pitch für ein Objective und Keyresult auch gehört wird, dass das einmal die ganze Schleife bringt.
Dann komme ich wieder zu dem Punkt: Dann muss ja der Teamleiter oder der Bereichsleiter, also die zweite Ebene, von der du gesprochen hast, irgendwie die Vorarbeit machen und das in seinem Bereich einsammeln. Bei uns ist das ein Event und nicht Teil von diesen zwei Tagen.
0:32:09 Marco
Nein, das ist nicht Teil von diesen zwei Tagen.
0:32:13 Teilnehmer
Okay.
0:32:14 Marco
Aber worauf wolltest du hinaus? Ich wollte dich nicht unterbrechen.
0:32:19 Teilnehmer
Warum ich darüber so nachdenke, ist, dass der Planungsprozess auch bei uns extrem Verbesserungsbedarf hat, weil das in Teilen wie so eine Kaskade ist, weil dann so wie früher auch, als Jahresziele runtergedrückt wurden sind, werden jetzt einfach Objectives und Keyresults runtergedrückt. Da muss man halt gucken, wie man als Mitarbeiter darauf einzahlt. Am schlimmsten finde ich, man muss auf alle einzahlen, das ist ja die Katastrophe.
0:32:52 Marco
Das geht beides nicht in die richtige Richtung.
0:32:55 Teilnehmer
Ja. Dann gibt es bei uns im Unternehmen herausragende Bereiche, die nehmen wirklich alle Mitarbeiter mit, lassen die auch teilhaben und bringen das dann auch wieder für ihren Bereich mit, aber es wird daraus nie ein Unternehmens-Objective. D.h., wir kriegen diese Rückmeldung auf Unternehmens-Ebene nicht hin und ständig wird geächzt, dass es ja eh so viel Zeitaufwand ist und so komplex, dann lieber von oben nach unten gehen, das ist ja auch ein bisschen steuerbarer und kontrollierbarer.
0:33:32 Marco
Da könnte man mit verschiedenen Sachen aufräumen.
Erstmal ist der Planungsprozess ziemlich klar definiert. Den können wir gleich nochmals kurz durchgehen, damit es da Klarheit gibt. Aber es ist ja grundsätzlich eine Mindset-Frage.
Wenn ich ganz oben sage „Ich kenne die Ziele“, dann folgt das ja der Annahme „Im schlimmsten Fall wäre ich der CEO und weiß am besten, wo es lang geht“. Das glaube ich schon auch immer, aber ich versuche auch, mich schlau zu hinterfragen, ob es vielleicht nicht auch Aspekte gibt, die ich übersehen haben könnte.
Erster Punkt: Ist es zur Risikominimierung viel besser, wenn mehrere Leute unabhängig voneinander darüber nachdenken und zum selben Ergebnis kommen, als wenn eine Einzelperson sagt: Das sind die Ziele. Und alle anderen gucken da nur noch, was sie darauf einzahlen können und hinterfragen das nicht. Warum haben wir unseren Prozess so gebaut, dass das nicht so ist? Weil wir nie gesehen haben, dass jemand die Ziele eines CEOs in Frage gestellt hat. Der einzige, der das gemacht hat, war ich. Ich konnte dann die Firma um 90° drehen. Warum? Weil ich extern war und irgendwie ganz gute Argumente hatte, aber das darf eigentlich nicht sein.
So eine Organisation ist gegen Schockwirkungen von außen nicht sonderlich widerstandsfähig aufgestellt und es gibt keine Validierungsprozesse, sobald einer sagt: Ich glaube, es ist A und die anderen sagen okay. Dann mache ich 0,5 A und den Rest von A macht jemand anders. Dann haben wir A ja nie sauber hinterfragt.
Wenn du sagst: Ich glaube, es ist A, glaubst du nicht auch? Dann ist halt die deutsche Kultur nun mal so geprägt, dass jemand sagt: Na ja, gut, also A ist der des CEO, der will das schon auch immer, dass man denkt, dass das auch A ist, deshalb sage ich nicht, dass ich B glaube. Oder, wenn ich jetzt selber darüber nachdenke, ist mir das viel zu anstrengend, ich denke, wenn der A sagt, dann wird das schon passen. Da stecken also ganz viele unterschiedliche kulturelle Sachen drin. Deswegen sage ich: Schreib du doch mal auf einen Zettel, was du glaubst, was es ist, und ich schreibe mal auf einen Zettel, was ich glaube, was es ist – aber du kennst meinen Zettel nicht! Auf drei drehen wir den um und dann sehen wir: Du sagst A und ich sage B.
Dann können wir sagen: Komisch, wo kommt denn das her? Da es bei OKRs nicht darum geht, wer Recht hat, sondern was richtig ist, werden wir dann auch rausfinden, ob mein B oder dein A besser geeignet ist, unser nächstes Ziel zu sein.
Das spricht schon mal dagegen, es „easy“ von oben nach unten zu machen. Denn damit würde ich die ganze Risikominimierung herausnehmen. Dann habe ich nur einmal darüber nachgedacht, wahrscheinlich wenig Gegenwehr bekommen und was ich ja suche, ist „überlegten Widerspruch“. Also, Leute, die mir sagen, dass das, was ich gedacht habe, schon gut und richtig ist, bringt mir wenig. Das habe ich ja selber schon gedacht. Ich habe ja nichts auf den Zettel geschrieben, worüber ich denke: So ein Käse! Daher denke ich mir, das wird schon richtig sein und alle, die mir sagen: Wir glauben auch, dass das schon richtig sein wird, machen den Prozess nicht besser. Das steigert vielleicht mein Ego, das erhöht auch die „gefühlte“ Sicherheit, aber nicht die tatsächliche.
Wir suchen jemanden, der eine Gegenperspektive hat, die nicht aus irgendwelchen Ego-Gründen resultiert oder weil er halt einfach dagegen ist, sondern weil sie berechtigt ist. Erst dann wird es ja schlau, darüber nachzudenken. Wenn ich durch vier Gegenperspektiven durchdiskutiert habe und wir als Gruppe trotzdem der Meinung sind, dass es A ist, dann kann ich relativ zuversichtlich sein, dass A schon eine ganz gute Wette sein wird.
Damit würde ich mal anfangen, das zu diskutieren, warum das „von oben nach unten regnen“ nicht der schlauste Weg ist. Der ist der effizienteste. Diktatur ist auch der effizienteste. Wenn ich sage: Alle machen A, keine Diskussion, dann geht es am schnellsten mit A los. Keine Frage. Ob A das richtige ist, werden wir auf diesem Weg wahrscheinlich nicht herauskriegen. Da wir mit Komplexität steuern, d.h. Ursachen und Wirkung sind nicht belegt, ist es wahrscheinlich besser, wenn wir versuchen, das Risiko zu minimieren.
0:38:18 Teilnehmer
Dann fange ich eigentlich beim einzelnen Mitarbeiter an.
0:38:20 Marco
Das ist so.
0:38:24 Teilnehmer
Wenn wir mal auf einer Zeitachse bleiben, dann fangen wir beim Mitarbeiter an, über die Teamleads, dann zu den Bereichen, dann pitcht die Division parallel ihre die OKRs für die Unternehmensführung und das wird dann abgestimmt.
0:38:40 Marco
Ja. Du fängst ganz unten an und d.h. ganz unten hat jemand eine Idee für das beste Ziel. Also eigentlich frage ich die Leute: Was glaubst du, was du mit deinen Ressourcen am sinnvollsten anstellen willst. Dann guckt sich das die nächsthöhere Ebene an, der Abteilungsleiter, der Lead-Link, wie auch immer, also jemand, der Informationen verdichtet und daraus den nächstbesten Vorschlag macht. Damit gehe ich dann ins Rennen.
Und auf der oberen Ebene spielen wir das Spiel dann: Jeder bringt die Karten verdeckt mit, denkt unabhängig darüber nach und dann legen wir sie alle auf den Tisch.
D.h., dass du genau das machst, nämlich den Input an jeder Stelle abzuholen und jeden zu fragen: Was willst denn du mit den Ressourcen machen?
Das Wort „pitchen“ finde ich in dem Zusammenhang ungünstig. Es suggeriert etwas, was irgendwie nicht ist. Ich persönlich hasse pitchen. Wenn uns irgendeiner zum Pitch einlädt, dann wird es schon relativ unwahrscheinlich, dass wir da mitmachen. Das ist mein persönliches Problem. Ich glaube aber, dass es in diesem Kontext irgendwie komisch konnotiert ist. Pitchen heißt ja so etwas wie „Da darf mir jemand was andienen und ich entscheide dann, ob ich das gut finde oder nicht.“ Das ist aber das falsche Mindset. Es geht ja nicht darum: Hey, lieber Mitarbeiter, du darfst auch mal überlegen, was du mit deiner Zeit anfangen willst. Wenn du nicht ganz Quatsch erfunden hast, dann lass ich sogar mal machen, was du willst.
0:40:33 Teilnehmer
Nein, es ist ein Vorschlag oder…
0:40:36 Marco
Na ja, pitchen heißt: Na ja, wir müssen mal gucken, ob wir uns darauf verständigen. Aber das ist eine völlig falsche Grundannahme. Die Grundannahme ist ja – wie ich eben gesagt habe: Hey, lieber Mitarbeiter, lieber Mitarbeiterin, liebe Teamleiterin, folgender Vorschlag: Du sagst mal, was du mit den ganzen 100 Leuten, die hier in deiner Abteilung sind, in den drei nächsten Monaten am sinnvollsten machen willst. Du kennst unsere Strategie, du kennst unsere Vision, jetzt mach doch mal einen Vorschlag! Das letzte, was ich will, wenn ich dein Vorgesetzter wäre, ist den Vorschlag anzupassen. Mein Ziel ist also, dass das, was ich denke, was du erfunden haben solltest – also, was ich erfunden hätte, wenn ich aus deiner Perspektive darüber nachgedacht hätte – und das, was du erfunden hast, weil es auf deinem Zettel steht, das sollte deckungsgleich sein. Montesorisches Prinzip: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung langsam übereinander kriegen.
Warum? a) Ich will mir nicht deine Gedanken machen, dafür habe ich ja dich eingestellt. b) ist es nicht sonderlich heilsam, wenn du dir Gedanken machst, dann kommt irgendwas raus, was ich dir danach „umoperieren“ muss. D.h., die Entscheidung, die du triffst, kannst du entweder nicht sauber treffen, weil du die richtigen Rahmenbedingungen nicht hast (Strategie etc.) oder weil du irgendwie komische Ableitungen triffst. Beide würde ich möglichst schnell versuchen zu eliminieren, weil ich damit sonst nur Ärger habe. Also wenn du von selber drauf kommst, dass B das richtige ist und ich dir sozusagen das Visier neu einstelle und sage: Nein, es ist A, dann habe ich Arbeit damit, dir klar zu machen, dass es A ist und du hast auf A keinen Bock. Es ist für beide Seiten ein schlechter Deal. Ich habe Arbeit und du keinen Bock – das ist äußerst ungünstig.
Also muss mein Bestreben ja sein zu versuchen, dir alles zu geben: Rahmenbedingungen und Denkprozess, sodass du auf das kommst, was du denkst, was am sinnvollsten ist. Und das ist gleichzeitig das, was ich denke, was am sinnvollsten ist.
Dann ist es am wahrscheinlichsten, dass a) wir das Richtige machen, b) ich keine Arbeit damit habe, weil die Organisation selbstständig auf die schlausten nächsten Ziele kommt – dann kann ich ins Schwimmbad gehen und c) die Motivation soll dahin, wo sie hingehört, weil du mit deinen Leuten das machen kannst, was du dachtest, dass es das schlauste ist.
0:43:06 Teilnehmer
Ich glaube „pitchen“ kommt bei uns daher, dass Mitarbeiter Themen als „OKR-Pitch“ bezeichnet haben, weil sie auch noch andere Kollegen davon begeistern wollen, sie in den Themen zu unterstützen.
0:43:22 Marco
Das Gute ist: Ich muss niemanden begeistern. Das ist ja eine rein rationale Geschichte. Wir kommen ja aus einer Objectives-Nutzen-Perspektive. D.h., ich habe einen relevanten Nutzen. Jemand anders hat auch einen relevanten Nutzen. Dagegen halten wir den Aufwand. Mein Thema ist nur S, dein Thema ist L. Wenn die Nutzen gleich groß sind oder meiner vielleicht sogar höher, ist es indiskutabel, dass mein Thema vor deinem dran kommt. Da brauche ich begrenzt Leute dafür zu begeistern, im Sinne von „überreden“. Sondern die Begeisterung kommt aus der Sinnhaftigkeit: Hey, das macht total Sinn, dass wir das machen, das kostet auch wenig und bringt extrem viel. Lass uns das machen!
Da kommt ja die Begeisterung her, weil die Wirkung groß ist. Menschen zeigen große Begeisterung für große Wirkung und weniger Begeisterung für keine Wirkung. Es ist also viel heilsamer, die Wirkung klar zu machen und nicht für Details zu begeistern.
0:44:33 Teilnehmer
Ich hätte noch eine abschließende Frage. Wenn das nach der Planung über die Team-Sets wieder „pyramidenmäßig“ nach unten wandert, dann machen die Teams nochmals was Eigenes draus, quasi …
0:44:53 Marco
Die Teams haben ja schon was draus gemacht. Wir haben vorhin gesagt, wenn wir die Pyramide hochfahren, haben die Mitarbeiter schon OKR-Sets gebaut, die Teams haben OKR-Sets gebaut und damit gehen wir in den Workshop und dann gibt es leichte Veränderungen.
D.h. in dem Team-Set ergibt sich aus „Wir machen A“: „Statt A machen wir jetzt B.“ Der Rest war ja schon da und braucht ja nicht „neu“ erfunden zu werden, denn damit gehen wir ja schon ins Rennen, in der Hoffnung, dass das am Ende auch wieder herauskommt. Es ist ja nicht so: Wir sammeln mal eure Ideen ein und dann überlegen wir uns, was ganz anderes und dann schreibt ihr wieder alles von uns ab.
Die Grundidee ist ja, dass das, was hochgeht, oben diskutiert und marginal verändert wird, weil es sinnvollere Sachen gibt oder Abhängigkeiten oder zu wenig Ressourcen sind. Daraus purzelt dann das Set, das du schon reingesteckt hast, aber mit feinen Anpassungen. Der Weg nach unten ist ja gar nicht mehr so steinig, denn da ist ja a) schon ein Großteil der Arbeit gemacht und b) gab es die Inhalte schon.
Klarer?
0:46:11 Teilnehmer
Ja. Danke.
0:46:13 Marco
Sehr gut. Danke dir.
Der nächste…
0:46:20 Teilnehmer-Frage: Hast du schon einmal erlebt, dass sich ein OKR-Prozessbegleiter wegrationalisiert hat, weil er nicht mehr gebraucht wurde? Und gibt es Start-Up-Unternehmen, die die Einführung von OKRs ohne Prozessbegleiter geschafft haben?
Ich habe zwei Fragen. Die eine ergibt die nächste.
Hast du schon einmal erlebt, dass ein OKR-Prozessbegleiter zum Start der Dokumentierung und der Begleitung – sofern es den überhaupt gibt – sich irgendwann mal selbst wegrationalisieren konnte? Also, nachdem OKRs eingeführt wurden, die Teams begleitet wurden, alle wissen, wie es geht, dass es ihn am Ende nicht mehr braucht? Das ist die eine Frage.
Die andere ist: Gibt es auch Start-Up-Unternehmen, die mit dem Mindset schon total cool sind, die von Anfang an schon gar keinen Prozessbegleiter hatten, sondern es selbstständig geschafft haben, dort während des Prozesses objektiv zu bleiben?
0:47:03 Marco
Wir definieren das ja als „der OKR-Champion ist der Hüter des Systems“ und damit wirst du immer ein minimales Grundrauschen haben, allein schon so etwas wie: Wer kümmert sich den um den Termin des nächsten Workshops? Wer legt denn das Timing fest? Wer sorgt dafür, dass wir vielleicht ein anderes OKR-Tool einsetzen? Es gibt immer bestimmte Sachen, die sich über den Zeitverlauf ergeben oder auch ändern können. Da würden wir immer sehen wollen, dass es einen ganz klar definierten Ansprechpartner gibt: Oh, ich habe mich in der OKR-Landschaft umgeguckt, es gibt folgende Verbesserungen oder es gibt ein neues Tool usw. Dann ist das der „Einflugwinkel“ über den das kommt. Die minimale Grundlast ist immer auf dem Workshop-Thema. Das zu ermöglichen halten wir langfristig als total hilfreich, weil es einfach eine Perspektive dazu fügt, und zwar von jemandem, der nicht von den Zielen im Raum betroffen ist.
D.h., man kann einfach von einem anderen Blickwinkel da drauf schauen und sagen: Ich weiß ja nicht, was ihr da wahrnimmt, aber jetzt diskutieren wir ganz schön lange darüber, warum das nicht 10‘000 sondern nur 300 geworden sind. Fakt ist, das können wir hier mal festhalten, und dann können wir uns mal überlegen, was wir daraus machen.
Das ist ja eine externe Perspektive, die wirst du von innerhalb des Kreises wahrscheinlich selten kriegen, weil die anderen alle an den 300 beteiligt waren und sich am Ende alle doch noch auf die Schulter klopfen wollen, warum es gar nicht so schlecht war. Systemimmanent sehe ich da schon einen Vorteil darin, die Rolle aufrecht zu erhalten. Aber dieser Coaching-Entertainer-Part im Sinne von „langsam weiß jede Führungskraft, wie das funktioniert“, den sehe ich auf jeden Fall gegen Null gehen. Den Aufwand in der Interaktion mit den einzelnen Leuten, die Qualität hochzukriegen, die Fragen zu beantworten, der geht natürlich runter, es sei denn, du akquirierst z.B. eine Firma, dann kommt ein neues Team dazu, dann wissen die nicht, was OKR ist, dann geht die Party von vorne los. Oder du stellst fünf neue Leute ein. Das sind natürlich Sachen, für die diese Rolle geschaffen ist und um zu sagen: Hey, schön, dass ihr da seid, ich erklär euch mal wie der Hase hier läuft.
Das alles selbst organisieren? Ich glaube nicht so an Selbstorganisation im Sinne von „keiner hat den Hut auf“. Ich glaube schon, dass Verantwortung immer übergeben und übernommen werden muss. Und dann muss es auch immer so sein, dass einer sagt: Ich kümmere mich darum. Solange es nichts gibt, worum man sich kümmern muss, habe ich das auch unter Kontrolle, das ist einfach. Aber wenn was kommt, dann ist klar, wer es hätte haben müssen, nämlich ich. Damit finde ich schon wichtig, die Rolle zu erhalten, aber du wirst es mit deutlich weniger Zeitaufwand hinkriegen.
0:50:24 Teilnehmer
Wo du grad Zeitaufwand ansprichst, hat sich aus der Diskussion bei mir eine weitere Frage aufgemacht. Was mache ich mit Karin? Uns beide kennst Du ja, wir begleiten drei Teams komplett durch Planung, Themensammlung, Clustern, Priorisieren usw. Das machen wir schon seit zwei Jahren und das ist auch wertvoll, weil wir auch parallel in Sessions gehen und dort begleitend unterwegs sind. Jetzt frage ich mich, ob es vielleicht ganz schlau wäre zu sagen: „Jetzt machen wir das ja schon eine Weile – macht mal.“ Wo du grad auch meintest, wir machen dann ein Open-Office-Format und können dann nochmal draufgucken, wenn der Wunsch besteht, oder ich gucke selbst nochmal im Nachgang drauf und sage: „Ich sehe hier folgenden Punkt, kommt doch mal bitte ins Office.“
0:51:20 Marco
Ja, es ist total schlau. Ich steige auch aktiv aus Projekten aus und sage: Ich kann euch hier jetzt nicht mehr viel beibringen. Und für eine „Assistenzkraft“ ist das zu teuer. Also müsst ihr leider selber aufschreiben, was ihr da macht.
Das ist sowieso die Grundhaltung. Ich gehe hin und sage: Ich schreibe hier gar nichts. Das ist nicht mein Job, das ist euer Job. Da muss man immer aufpassen, dass ihr nicht anders wahrgenommen, respektive eingebunden werdet, als es eigentlich erforderlich ist, denn eigentlich dürftet ihr sofort gehen können oder sogar müssen, ohne dass etwas passiert.
Denn nach zwei Jahren ist der Prozess ja eingeschliffen – sollte zumindest. Und keiner dürfte das Gefühl haben „Womöglich weiß ich gar nicht, was ich jetzt machen muss.“ Da du nichts aufschreibst, sondern die Leute selber, ist dein Mehrwert noch „die Steigerung der Qualität“. Aber der wird ja marginal von Runde zu Runde geringer. Demzufolge müsstest du nach so einem langen Zeitraum auch sagen können: Ich habe euch jetzt alles mitgegeben, was ihr wisst. Wenn ihr es nach zwei Jahren immer noch nicht selber könnt, dann müssen wir uns vielleicht mal die Frage stellen, wo das herkommen könnte. Wenn ihr dann noch Fragen habt, bin ich darüber hinaus ja nicht weg, ich bin schon da, aber euren Job müsst ihr jetzt ohne mich machen. So würde ich das schon sehen.
Wir glauben nicht daran, dass jedes Team standardmäßig einen Facilitator braucht, um das OKR-Set zu definieren. Wir glauben schon, dass so ein Workshop eine Moderation braucht, aber wir glauben nicht daran, dass es eine dauerhafte externe OKR-Champion-Rolle zum Händchenhalten in dem Team braucht. Das ist bei uns etwas anders definiert.
Beantwortet das die Frage?
0:53:33 Teilnehmer
Ja. Ich habe grad überlegt, wie ich das mal übersetze. Also, wir bohren ja auch nach hinsichtlich: Ist es das, was ihr tun wollt, schaut mal aufs Set, Kapazitäten, 60 Arbeitstage usw. Und nochmal das Aufgreifen von: Wollt ihr diese Ressourcen für diese Ziele, die ihr jetzt definiert habt, wirklich einsetzen? Wenn wir da nicht mehr dabei sind, werden die unangenehmen Fragen nicht mehr gestellt.
0:54:00 Marco
Aber die Frage ist, wer sie deiner Meinung nach eigentlich stellen müsste.
0:54:04 Teilnehmer
Ja!
0:54:05 Marco
Was glaubst du, was die Antwort ist?
0:54:08 Teilnehmer
Ja! Logisch! Natürlich aus den Teams heraus, bzw. bei uns sind es ja Product-Leads, die am Start die Verantwortung für das Set haben. Ja. Es gibt Teams, da ist es der Fall, da übergeben wir langsam an unsere „Führungskraft“. Es gibt aber auch Teams, wo die Führungskräfte unsere spezielle Wirkung nicht so wirklich einsetzen, wie sie könnten. Da sind wir natürlich ein bisschen stärker unterwegs.
Ja, das beantwortet meine Frage.
0:54:36 Marco
Aber das sind ja OKRs und Katalysator. Jetzt stellt sich die Frage, wie man das Thema heilt. Klebt man da ein Pflaster drauf, resp. bleibt man drei Jahre in dem Prozess und sagt sich: Ich muss ja die fiesen Fragen stellen?
Oder sagt man: Eigentlich ist die Methodik, dies zu hinterfragen, jetzt klar! Die Fragen sind ja auch nicht fies, sondern die Fragen dienen dazu: Haben wir den Aufwand richtig eingeschätzt? Haben wir den Nutzen richtig eingeschätzt? Passt das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand? Haben wir die richtigen Dinge entschieden? Ist das die Rolle des Facilitators?
Nein, es ist im eigenen Interesse der jeweils höchsten, verfügbaren Führungskraft, das so schlau wie möglich zu machen.
Wenn du sagst, dann gebe es jetzt jemanden, der das nicht mag, dann müsste man halt mal mit diesen Personen diskutieren, warum sie die Rolle der Führungskraft nicht so ausführen, wie sie in den OKRs definiert ist. Denn inhaltlich ist das ja denen ihr Ding. Die müssen ja dafür sorgen. Die versprechen ja nach oben etwas Ambitioniertes und damit das passt, müssen die ja auch dafür sorgen, dass die von unten bestmöglich unterstützt werden. Demzufolge liegt es ja in deren ureigenen Interesse, im Sandwich nicht irgendwie unterzugehen, sondern schlau zu hinterfragen: Habe ich es jetzt mit einer ausreichenden Anspannung und nicht mit einer Überforderung geschafft, die Leute hinter die Teams zu kriegen? Sind das die Teams, die sie wollen? Sind das die Teams, die ich sehe? Wie kriegen wir da das sinnvollste Set raus? Und stimmt das? Ist das leistbar? Und macht das Sinn?
Das muss ja niemand von außen hinterfragen, sondern das ist ja die „Kernaufgabe“ einer Führungskraft.
0:56:28 Teilnehmer
Jaaaa.
0:56:30 Marco
Wir kommen immer wieder dazu. Wir nennen das den „Dritten Layer“. Dann ist es irgendetwas im emotionalen Mindset-Layer, weil dann Menschen nicht das wollen, was sie sollten. Dann muss man halt hinterfragen, warum man das nicht will. Vielleicht sagt da einer: Ich kann das nicht. Dann kann er das vielleicht lernen, wenn man es denn lernen will. Aber wenn man es nicht kann, auch nicht lernen will und es auch nicht machen will, das aber zu der Rolle gehört, muss man sich schon fragen lassen: Wie stellst du dir denn vor, wie das aufgeht?
Diese ganze agile Führung hat schon eine Menge mit Konsequenz zu tun. Konzentration und Konsequenz – das sind die zwei Hebel, die dir das ganze Ding gibt. Konsequent die Ziele zu verfolgen, die du gesagt hast, dass du sie verfolgst, aber auch konsequent im Umgang mit den Erkenntnissen sein, die dir das System liefert.
Du willst ja auch nicht hingehen und sagen: Ah, ich habe jetzt gelernt, dass diese Maßnahme nicht zu dem Ziel führt. Egal, ich mache es trotzdem.
Das würdest du inhaltlich auch nicht machen. Aber in diesem Mindset-Layer macht man das schon: Ah, eigentlich habe ich gelernt, dass die Führungskraft das so und so machen müsste. Aber es ist ganz schön unangenehm, lassen wir’s mal so.
Auch wenn du das 18 oder 24 Monate hintereinander machst: Es wird nicht besser.
0:58:06 Teilnehmer
Nein. Ich glaube, ich habe die Frage auch gestellt, weil ich mit dem Gedanken hadere, die Sachen nicht mehr zu machen. Also zu sagen: Das, was ihr da macht, ist kein OKR, tut mir leid! Tschüs! Und wenn ihr mich braucht, dann bin ich da.
0:58:20 Marco
Aber um die richtigen Ableitungen zu treffen: Ich sag dann meiner Führungskraft mal Bescheid, wie mein Bild auf die Sache ist. Es heißt nicht nur, ich gehe und macht ihr doch, was ihr wollt. Sondern: Mein Job ist hier, OKRs zum Laufen zu kriegen. Daran hängt Framework-Content und Mindset. Wenn es im Mindset nicht passt, werden wir mit den anderen Dingern nicht weit kommen. Ich glaube, die Ursache liegt da und da, ich sag mal denen Bescheid, denen ich verpflichtet bin, das Ding hier zum Laufen zu kriegen. Da könntet ihr mal drüber reden.
So würde ich die Rolle ausfüllen. Kannst du überlegen, ob du das auch magst.
0:59:07 Teilnehmer
Ja, ich habe es jetzt grad ein bisschen spitz ausgedrückt, aber es führt mich zu diesem Punkt, so drauf zu gucken. Ist es das oder ist es das nicht. Ja.
Das führt mich zu dem Aspekt, dass du das Ding ziemlich schnell veröffentlichst.
0:59:26 Marco
Verstehe. Wir können ja auch vorab eine Kopie schicken.
Sehr gut. Danke dir.
Der nächste…
0:59:35 Teilnehmer-Frage: Sollte denn jedes Set auch nur eine für die OKRs verantwortliche Person haben, z.B. auch in einem Team-Set?
Dann habe ich noch eine Frage, weil wir gerade das Thema „Hut aufhaben“ nochmals angerissen haben. Das war jetzt eher aus der Perspektive des OKR-Champion. Wenn wir jetzt aber auf die OKR-Sets gucken, da wäre das Company-Set und dann eben entweder die Abteilungs-Sets oder die Team-Sets. Wärst du denn auch Fan davon zu sagen, dass auch jedes Set auch wirklich eine Person hat, die „den Hut“ für das ganze Set aufhat? Denn ich denke eher, wenn es ein Team-Set ist, dann ist das ganze Team dafür verantwortlich und nicht der eine, der da „der Blöde“ ist, der jetzt „den Hut aufhat“.
1:00:10 Marco
Ich habe in einem OKR-Workshop mal gesagt: Einem Kreis kann ich nicht in den Hintern treten. Ich habe noch nie gesehen, dass ein Team eine Verantwortung für irgendetwas hat!
Verantwortung ist schon da, wenn es ein Team-Lead gibt. Gehen wir mal davon aus, dass das die Struktur wäre. Was soll denn da sonst die Aufgabe sein, außer Verantwortung zu tragen? Sicher nicht, die ganze Arbeit zu machen, weil es dafür zu viel Arbeit ist. Folglich bleibt nur noch, die Verantwortung zu tragen.
Wenn du sagst, die Verantwortung will ich aber auch nicht tragen, die gebe ich jetzt den anderen und wenn es schief geht, sage ich: Die waren’s. Was machst du denn den ganzen Tag? Was rechtfertigt dann die Rolle desjenigen, der sich Team-Lead nennt?
1:01:00 Teilnehmer
Beim Company-Set?
1:01:02 Marco
Genauso.
1:01:04 Teilnehmer
Also die Geschäftsführer, oder?
1:01:07 Marco
Und genau da fängt das Problem meistens an, dass die nämlich auch sagen: Ich mache mir das Leben leicht und delegiere einzelne Key-Results. Genauso nicht!
Ich bin nicht nur „Fan“ davon - wir lassen das anders nicht zu, weil es noch nie geklappt hat. Das widerspricht ja dem ganzen System!
Das System sagt: Ich bin CEO, ich trage die Verantwortung für die Ziele der ganzen Company. Dann gibt es jemand, der ist Marketingleiterin, die trägt die Verantwortung für die Ziele der ganzen Marketingabteilung. Dann gibt es jemand darunter, der ist Teamleiter Online-Marketing. Diese Person trägt die Verantwortung für die ganzen Ziele des Online-Marketings. Dann gibt es darunter jemanden, der für Facebook verantwortlich ist. Der trägt die Verantwortung für den Kanal Facebook.
Jetzt brauche ich nicht rummachen bei der Frage: Wer hätte den Ball denn haben müssen? Das, was runter fällt, ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass die Situation entsteht, wenn unklar ist, wer ihn hätte fangen müssen. Dann hast du in unseren Augen einen „Fehler“ in der Aufbauorganisation, denn dass was kaputt geht, ist normal. Dass keiner weiß, wer es hätte wissen müssen, das wäre unschön. Folglich würden wir ganz klar sagen: Der Team-Lead trägt die Verantwortung für das Team-Set und zwar für das Ganze. Deswegen ist es ja auch aus der Sicht des ganzen Teams geschrieben. Darunter trägt jemand die Verantwortung für die einzelnen Bausteine, also für das, was ich beitragen kann, damit das Team-Set Wirklichkeit wird.
Wenn jetzt im Team-Set etwas kaputt gegangen ist, kann ich ja auch genau nachverfolgen, was eigentlich der Grund dafür war. Dann können wir auch sagen: Was waren unsere Annahmen da? Warum haben wir das nicht besser hingekriegt? Wie kriegen wir das beim nächsten Mal besser hin? Das kann ich aber erst machen, wenn es klar ist, wie hier die Kausalität gedacht war. Wenn ich hingehe und sage: Na ja, wird schon passen… Wenn es dann quasi „gepasst“ hat, waren es alle, wenn es nicht gepasst hat, war es keiner. Das ist eine ungünstige Situation für die Frage: Wer hätte es denn haben müssen? Standardmäßig kommen dann die Antworten, wie: Ich war gerade auf dem Klo.
Die Diskussion will ich ja gar nicht haben. Die Diskussion will ich am Anfang haben. Wer setzt sich welchen Hut auf? Okay, super. D.h., dein Hut ist immer “last Line of Defence”. Die Arbeit machen die Leute in deinem Team. Aber wenn das Ergebnis nicht passt, müsstest du die Initiative ergreifen und dafür sorgen, dass wir noch was anderes erfinden, dass es am Ende doch passt. Und „last Line of Defence“ von allen ist ein CEO. D.h., wenn sich darum keiner gekümmert hat, können wir sicher sein: Ich kümmere mich dann darum. Aber das ist nicht die Grundidee gewesen.
1:04:17 Teilnehmer
Dann ist es grundsätzlich gar keine Frage der Methodik – also, ein Stück weit vielleicht auch - , sondern eher eine der vorherrschenden „Verantwortungskulturen“, ob man so arbeitet und sich eben dabei bewusst ist, dass Verantwortung so geteilt wird und eben nicht im Sinne von: Okay, wenn du den Hut aufhast, dann bin ich fein raus.
1:04:37 Marco
Na ja, da ist ja der alte Spruch: Nimm du ihn, ich habe ihn sicher. Dann sagt man sich: Ah ja gut, ich bin kurz mal über meinen Schnürsenkel gestolpert, aber du warst ja auch da! – Ja, aber ich dachte, du machst das. – Ja, gut…
Also, ich habe das noch nie funktionieren sehen. Hingegen hat das nichts mit „klassisch“ und „hierarchisch“ zu tun. Es hat einfach etwas mit Klarheit zu tun. Anekdotisch betrachtet ist es ja so, wenn du jemanden in einem Führungskreis siehst, der die Rolle andersherum interpretiert, heißt es immer: Kann ich nicht genau sagen, wo das Ziel herkommt, da muss ich das Team fragen. Kann ich nicht genau sagen, warum es hier schief gelaufen ist, da muss ich das Team fragen.
Dann denke ich mir: Dann schick mir doch irgendwer, der was sagen kann, weil mit dir kann ich ja gar nichts anfangen. Denn du musst ja Informationen verdichten. Du kannst das Abteilungsleiter, Klassensprecher usw. nennen – das ist mir alles egal. Schick mir einen, der was sagen kann. Wie will ich den Laden denn anders steuern, wenn zehn Leute zwei Tage lang in einem Raum sitzen und jeder zweite Satz ist: Kann ich nichts sagen, da muss ich erst das Team fragen. Was machst du dann den ganzen Tag?
1:06:01 Teilnehmer
Das frage ich mich auch bei manchen.
1:06:04 Marco
Ich ja auch! Da sind wir wieder bei dem Punkt davor, nämlich bei Konsequenz. Wie interpretierst du denn deine Rolle? Das ist ja so ein bisschen dieses Sprachrohr, wenn du das mal konsequent weiter beobachtest. Das habe ich getan, weil ich an mehreren Tischen saß. Ich sah die Person einmal mit dem CEO-Level, dann mit ihrem Team, dann mit denen darunter und dann stellst du fest, das sind nur so Durchlauferhitzer. Die nehmen, was die eine Seite sagt und sagen den anderen: Also, die haben gesagt, dass… Jetzt haben die gesagt, dass… Und die sagten, dass… usw.
Stille Post war noch nie geil. Du weißt immer, dass am anderen Ende des Rohres was anderes rauskommt, als du vorne reingepustet hast.
Da das noch nie gut funktioniert hat, kann das ja auch nicht agile Führung sein, wenn du Durchlauferhitzer spielst und sagst: Eigentlich trage ich hier gar keinen Wert bei, weil ich nur sage, was die anderen gesagt haben. Wenn ich etwas entscheiden muss, entscheide ich nichts, weil ich ja sage: Ich habe gar keine Ahnung davon. Respektive: Da muss ich das Team fragen. Dann hat das aber auch nichts mit der Rolle einer Führungskraft zu tun, denn Führungskräfte müssen genau die Sachen entscheiden, die unangenehm zu entscheiden sind. Denn wenn sie angenehm wären oder sinnvoll, dann könnte es ja jeder entscheiden.
Also, wenn die Entscheidung auf der Hand liegt, brauche ich auch keine Führungskraft. Dann wusste das Team das schon. Blöd wird es nur, wenn die Entscheidung nicht so offensichtlich oder unangenehm ist, dann muss die nämlich leider einer treffen. Das macht ja die Führungskraft aus!
1:07:38 Teilnehmer
Im Idealfall.
1:07:40 Marco
Nein: Immer.
1:07:42 Teilnehmer
Ja. Okay.
1:07:45 Marco
Es macht die Führungskraft immer aus, aber im Idealfall wird es auch gelebt. So rum kann man es vielleicht formulieren.
1:07:50 Teilnehmer
Ja, das stimmt. Super. Danke.
1:07:54 Marco
Hast du damit das Gefühl, dass du das intern ein bisschen zu verarzten kriegst?
1:08:02 Teilnehmer
Ja, ich glaube. Es ist einfach insgesamt ein sehr großes To-Do, weil halt genau dieses „Was heißt es denn, Abteilungsleiter zu sein?“ eben nicht nur heißt: Ich gehe zur Geschäftsführung und sage, was ich den ganzen Tag feines gemacht habe. Sondern eben auch, eine Abteilung zu führen und nicht…
1:08:21 Marco
Da sind OKRs ein super Tool, die du als Katalysator nutzen kannst und sagen: Hey, schau, das sind die Regeln. Wir definieren die Verantwortung immer: Das OKR-Set gehört demjenigen, der da kommt. Daraus ergibt sich ja logisch, dass man die Verantwortung hat.
Das Einzige, was du sicherstellen musst, ist: Wenn du dir das als Marionette vorstellst, darf der, der die Fäden zuoberst zieht, das Spiel nicht „nicht verstehen“. Wenn jemand ganz oben an den richtigen Fäden zieht, dann sage ich: Ich nehme die Verantwortung für das ganze Ding und von dir hätte ich gerne, dass du die Verantwortung für den Zettel nimmst, auf dem dein Name steht. Dann kann es ab hier nicht mehr schief gehen. Dann sagt jemand in der zweiten Reihe: So ein Mist, jetzt habe ich dem versprochen, dass ich verantworte, was auf dem Zettel steht, jetzt sehe ich mal lieber zu, dass die anderen auch die Verantwortung dafür tragen, was die mir versprochen haben.
Eigentlich musst du nur dafür sorgen, dass das ganz oben richtig interpretiert wird, dann ist der Rest ziemlich einfach.
Wenn es ganz oben schief geht, wird es ganz unten schwieriger.
1:09:41 Teilnehmer
Ich glaube, dass bei uns nicht zu 100% klar ist, was wir von welcher Rolle erwarten: Was erwarte ich, wenn ich an oberster Stelle am Faden ziehe, was passiert dann? Die wichtigste Voraussetzung ist, dass das eben oben mal transparent wird. Es ist momentan noch nicht 100% klar und transparent, weil es grad auch einen großen Wechsel gab. Da haben sich im letzten Jahr auch viele Rollen geändert. Das ist bei uns momentan die Herausforderung.
1:10:11 Marco
Da fängt es auch mit „moderner“ Führung an. Damit ich das einfordern kann, damit das passiert, was da versprochen wurde, muss ich auch selber versprechen, dass ich hier die Gesamtverantwortung trage und dazu stehe, nämlich: Wenn euch was runter fällt, keine Sorge, ich bin da, ich hol das dann schon. Ich zeige nicht mit dem Finger und sage: Liebe Gesellschafter, das hat der Marketingleiter verbockt, da kann ich jetzt auch nichts dazu sagen. Da müssen wir die fragen, wie die das hingekriegt haben.
Damit ist alles gesagt. Du weißt, an welcher Stelle du ansetzen kannst. Ich hoffe, das hilft.
Haben wir noch Fragen oder ist die Fragerunde für heute erschöpft? Für ein paar hätten wir noch Luft.
1:11:14 Teilnehmer-Frage: Wann können wir die Sessions jeweils nachlesen oder nachhören?
Ich hätte mal eine ganz pragmatische Frage zur letzten Session, die du angeboten hast, wenn wir da was nachlesen oder nachhören wollen. Wann kann man das denn ungefähr machen?
1:11:25 Marco
Wir werden jetzt ein bisschen zeitnaher hinkommen, dass wir die veröffentlichen. Wir werden die die nächsten Wochen rausbringen. Die sind ja auch transkribiert, da könnt ihr drunter auch nachlesen. Ich gehe mal davon aus, in den nächsten ein bis zwei Wochen sind wir relativ zeitnah an der Folge hier dran.
1:11:45 Teilnehmer
Das ist nämlich super nützlich. Wenn man nämlich so super aufgeregt ist, um seine eigene Frage irgendwie verständlich rüberzubringen und dann nochmals die Antwort nochmals nachgucken kann. Danke.
1:11:55 Marco
Kann ich nachvollziehen. Und man kann ja immer auch das eine oder andere vielleicht auch an die Kollegen weiterleiten. Das ist vielleicht auch ein guter Gedanke.
1:12:01 Teilnehmer
Ja, das ist vor allem super nützlich.
1:12:07 Marco
Super.
Gibt es noch inhaltliche Fragen oder machen wir heute damit Schluss?
1:12:12 Teilnehmer-Frage: Hast du eine gute Argumentation gegen die Monetarisierung von Zielen?
Ich habe vielleicht noch eine. Ich bin nicht sicher, ob ihr das vielleicht nicht schon hattet. Ich bin etwas später dazu gekommen.
Ich werde immer mit der Frage von Kunden beim Thema Zielerreichung konfrontiert. Man soll OKRs ja nicht belohnen. In Organisationen, die sehr vertrieblich aufgestellt sind, wird das Thema Zielerreichung gern mit Incentive und monetär verbunden, was ich nicht schön finde. Aber da ich auch der Externe bin, komme ich dann immer mit diesen Kulturen in Diskussion. Vielleicht hast du da noch eine tolle Argumentation dafür.
1:12:56 Marco
Ja, habe ich. Das hat nichts mit „man mag das“ oder „man mag das nicht“ zu tun, sondern das ist eine Frage der Logik.
Wozu dient OKRs? OKRs dient zu Steuerung in Unsicherheit. Daraus folgt: Wenn man Komplexität anerkennt, muss man auch anerkennen, dass man selber keine Ahnung von Ursache und Wirkung hat. Wenn man das hätte, wäre es nicht komplex. D.h., man kann sich dagegen nicht wehren, dass man Ursache und Wirkung von der Zukunft nicht genau vorhersehen kann. Demzufolge kann ich auch nicht, wenn ich Ursache und Wirkung nicht genau belegen kann, die Wirkung belohnen, wenn ich die Ursache nicht kenne.
Es gebietet ja die Logik, dass die Leistung eines Mitarbeiters in Komplexität nicht von dem Ergebnis her beurteilt werden kann. Weil zwischen dem Ergebnis und der Leistung stehen noch Glück und Pech.
1:14:00 Teilnehmer
Okay.
1:14:02 Marco
Ich will dich nicht dafür belohnen, dass du dich gut fühlst und viel Geld kriegst, weil du Glück hattest. Ich will dich auch nicht dafür bestrafen und dir wenig Geld geben, weil du Pech hattest. Aber da du und ich die Ursache für die Wirkung nicht kennen, kann ich die Faktoren Glück und Pech nicht ausschließen. Das ist ja die Unbekannte. Wir wissen das nicht. Das ist die Umgebungsrealität. Ich kann das nicht beeinflussen. Das sind all diese Sachen. Es geht also darum, Komplexität anzuerkennen und zu sagen: Wir wissen es alle nicht.
In der alten Welt „wusste“ man es. Einfaches Beispiel: …
1:14:43 Teilnehmer
Da hat man sich eingebildet, man wisse es.
1:14:46 Marco
In vielen Fällen wusste man es. Nehmen wir mal Hotelzimmer. Ich sage: Das Hotelzimmer putze ich dir in zwei Stunden und wenn du es nicht glaubst, dann zeige ich es dir einmal. Und jetzt lasse ich noch durchgehen, dass du nicht so motiviert bist, weil es nicht dein Hotel ist, sondern meins. Also: zweieinhalb Stunden. Das ist ein Deal. Warum? Ursache und Wirkung sind gleich. Ich kann es dir vormachen. Ich habe zwar keine Lust drauf, aber ich werde es dir vormachen, wenn du es nicht glaubst. Dann ist zweieinhalb Stunden ein gesetztes Ding, weil wir beweisen können, dass die Ursache zur Wirkung führt.
Wenn ich aber sage: Kannst du mal dieses Big-Data-Ding hier und den AI Bot da drüben mal kurz programmieren? Ich weiß auch nicht so genau, wie das geht und die Grundvoraussetzung von diesem ganzen Big-Data-Zeug weiß ja keiner, sonst wäre es ja nicht so spannend. Dann kann ich dir nichts vormachen, wie man die Nadel im Heuhaufen findet. Wenn ich sie hätte, würde ich sie nicht suchen lassen. D.h., da dringen wir ja sozusagen in Sphären vor, wo wir es alle nicht mehr wissen, deswegen ist die Haltung: Wenn du es mir nicht glaubst, dann mache ich es dir halt vor. Oder: Ich habe ein Benchmark, weil deine Kolleginnen und Kollegen machen das auch so und so schnell. Im komplexen Umfeld ist das nicht mehr hilfreich. Da war noch nie jemand.
Jetzt musst du dich als Organisation halt fragen, wo ihr langfristig hin geht. In die Sachen, wo Ursache und Wirkung klar beschrieben ist – wahrscheinlich nicht, weil das dann der Saugroboter macht, irgendein Algorithmus, irgendeiner wird die Dinge, die klar beschrieben sind, irgendwie digitalisieren, automatisieren und wegrationalisieren. Das ist keine gute Positionierung.
Also kann ich mich nur noch – wenn alles andere wegschmilzt – auf der Scholle der Unsicherheit irgendwie gemütlich einrichten, weil das die einzig Sichere ist, wo mir kein Computer sagt, was ich machen muss, und weil da ich noch versuche den Computern zu sagen, was sie machen sollen.
Der andere Teil wird immer schwieriger. Wenn du das Bild von der Zukunft hast und Komplexität anerkennst, kann ja die logische Ableitung nicht mehr sein: Ich belohne dich fürs Ergebnis. Das hat mit der Ursache und deiner Bemühung nichts zu tun. Ich kann, wie ich vorhin gesagt habe, dich nur einladen, gemeinsam zu reflektieren, ob du die Entscheidung nochmals so treffen würdest und ob du dich bemüht hast, oder ob du im Schwimmbad warst.
Das sind die beiden Faktoren, die du beeinflussen kannst und von denen ich deine „Performance“ abhängig machen kann. Dafür kann ich dich theoretisch auch belohnen, wenn ich wollen würde. Aber ich würde dich lieber zur Mitunternehmerin machen, anstatt dich für den Teil zu belohnen. Ich teile ja lieber, wenn es geklappt hat, auch wenn wir nicht genau beweisen können, dass du es warst. Wenn wir alles geschafft haben, schlau darüber nachzudenken und uns echt zu bemühen, und dann kommt auch noch etwas dabei raus, dann teile ich das doch gern. Ist doch super! Und wenn nicht, dann gibt es auch nichts zu teilen und dann bin ich auch ganz froh, wenn ich nichts teilen muss.
Das nennt sich „Alignment of Interest“, das ist ja das Einzige, was ich versuche so herzustellen: Nämlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Führungskräfte von sich aus in die gleiche Richtung wollen. Nicht dass der eine sagt: Na ja, ich optimiere hier meine Sales-KPIs, ich verkaufe, was sich verkaufen lässt.
Da kannst du es auch ziemlich gut klar machen. Wenn du eine klassische Vertriebsabteilung anschaust, verkaufen die, was sich verkaufen lässt und nicht, was wir eigentlich verkaufen müssten. Vorher sagen sie: Das können wir alles nicht planen. Ach, der Kunde ist so unberechenbar. Und dann sagen sie noch: Jetzt müssen wir noch das Feature einbauen, der Prozess ist leider ein bisschen anders. Der wollte aber das Produkt, das haben wir zwar nicht, weiß ich schon, aber der wollte das kaufen, ich habe ihm das verkauft.
Wenn du das ganze Puzzle anguckst, macht das keinen Sinn. Wenn du nur den Teil „Vertrieb“ anguckst, optimiert jemand auf die Größe, die man ihm gegeben hat, nämlich: Sales-Erfolge. Was würde ich machen? Auf gar keinen Fall Individualisten auf Sales-Erfolg optimieren lassen, weil da kommt nicht das Beste für das große Gesamte dabei heraus, sondern ein „lokales Optimum“ für Leute, die ihr Gehalt optimieren.
Da musst du eher versuchen, das Bild zu schaffen: Wie können wir viel mehr teilen, wenn das große Ganze aufgeht. D.h., der Vertrieb muss was verkaufen, was wir dann auch produzieren, liefern und leisten können, und zwar mit möglichst wenig Aufwand und auch können und wollen und am Ende auch alle happy sind. Erst wenn das eingetreten ist, dann teilen wir es gerne mit allen, die daran beteiligt waren. D.h., der Vertrieb wird auch hinten am Produkt oder Projekterfolg belohnt und nicht vorne am Vertriebserfolg. Was wir ja nicht wollen, ist eine Horde Individualisten. Das funktioniert schon, die optimieren halt ein lokales Optimum, und nicht aufs große Ganze. Das liegt aber in der Belohnungsstruktur.
1:20:19 Teilnehmer
Danke.
1:20:20 Marco
Glaubst du, dass du damit Überzeugungsarbeit leisten kannst?
1:20:25 Teilnehmer
Ich kann es auf jeden Fall einsetzen.
1:20:30 Marco
Sehr gut. Wenn du hartnäckige Gegner hast, schicke sie gerne mal hier vorbei. Ich bin immer dafür zu haben, auch die Gegenposition zu diskutieren.
1:20:42 Teilnehmer
Das mache ich gerne.
1:20:44 Marco
Sehr gut. Dann würde ich sagen, sind wir für heute ganz gut durchgekommen. Die nächste Anmeldung geht morgen oder übermorgen auf die Homepage. Wenn ihr gerne wieder dabei sein mögt, könnt ihr euch gerne anmelden. Ansonsten versuche ich, das auch im nächsten Newsletter zuverlässig zu verlinken. Ich freue mich, euch bald wieder zu sehen.