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OKR - Warum sich der Aufwand lohnt: Interview mit machtfit Co-Founder Philippe Bopp

Murakamy OKR Blog

Inspirierende Veröffentlichungen, kurze Einblicke in unser Denken, Anreize zum Nachdenken - all dies bietet dieser Blog als Sammlung zu den Themen Entrepreneurship, Management und Leadership. 

OKR - Warum sich der Aufwand lohnt: Interview mit machtfit Co-Founder Philippe Bopp

Luisa Lazarovici

Machtfit implementierte das OKR-Framework mitten in der Corona-Pandemie, um den Herausforderungen der Gesundheitsbranche und des Homeoffice-Betriebs zu begegnen. Mit der OKR-Methode gelang es dem Unternehmen, agiler, strategischer und transparenter zu arbeiten. Im Interview berichtet Mit-Gründer Philippe Bopp, wie das Framework machtfit dabei unterstützt, klare Prioritäten zu setzen, die Zusammenarbeit zu stärken und trotz Unsicherheiten kontinuierlich Fortschritte zu machen.

machtfit wurde 2011 von fünf Gründern ins Leben gerufen, inspiriert von den umfassenden Gesundheits- und Sportangeboten bei Adidas. machtfit hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen dabei zu helfen, Gesundheits- und Sportangebote für ihre Mitarbeitenden zu implementieren und zu verwalten. Mit einer Plattform, die sowohl Software-Komponenten als auch Inhalte und Schnittstellen bietet, unterstützt machtfit die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden in Unternehmen.

Die Einführung von OKRs bei machtfit erfolgte mitten in der Corona-Pandemie, als das Unternehmen vor der Herausforderung stand, klare Prioritäten zu setzen und die Zusammenarbeit im Homeoffice zu organisieren. Philippe Bopp, Mitgründer von machtfit, erklärt im Interview, wie die Implementierung des OKR-Frameworks das Unternehmen strategisch und operativ unterstützt hat und welche Lektionen dabei gelernt wurden.

Wichtige Themen des Interviews:

  • Herausforderungen der OKR-Einführung: Die Einführung von OKRs brachte zahlreiche Herausforderungen mit sich, von interner Kritik an der Methode bis hin zu Diskussionen über Output vs. Outcome. Philippe erklärt, wie das Team diese Hürden überwunden hat und seinen eigenen Weg mit OKRs gefunden hat.

  • Fokus und Priorisierung: OKRs helfen machtfit dabei, klare Prioritäten zu setzen und den Fokus des Teams zu schärfen. Durch regelmäßige Meetings und Reviews konnte das Unternehmen sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden auf dieselben Ziele hinarbeiten.

  • Anpassungsfähigkeit und Lernen: Die kontinuierliche Anpassung des OKR-Prozesses und das Lernen aus Erfahrungen helfen machtfit, flexibel und innovativ zu bleiben. Philippe beschreibt, wie dieser Ansatz positive Reibungen und Herausforderungen innerhalb des Teams fördert.

  • Langfristige Ausrichtung: OKRs ermöglichen machtfit eine langfristige strategische Ausrichtung, indem sie sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele festlegen. Philippe erläutert, wie diese Ziele auf Jahres- und Quartalsbasis gesetzt und regelmäßig überprüft werden, um die operative Umsetzung im Kontext der langfristigen Unternehmensvision zu gewährleisten.

Interview:

Murakamy: Wie bist Du auf das OKRs Konzept gestoßen? Und warum habt Ihr Euch bei machtfit dazu entschieden, diese agile Arbeitsmethode einzuführen?

Philippe Bopp: Von OKRs hatte ich immer wieder gehört. In Unternehmerorganisationen wie EO kam das Thema immer mal wieder auf. Zunächst haben wir uns nicht getraut, es anzugehen, und hielten es auch nicht für unbedingt notwendig. Dann kam Covid, und plötzlich waren wir alle im Homeoffice.

Wir stellten uns die Frage, wie wir es schaffen, klare Prioritäten zu setzen, ohne im täglichen Kontakt mit unseren Mitarbeitenden zu sein. Damals waren wir etwa 40 Leute im Büro, und wir lebten stark davon, dass wir persönlich miteinander sprechen und uns einmal pro Woche über die wichtigsten Themen austauschen konnten. Das digitale Treffen und Kommunizieren war damals noch neu und ungewohnt für uns.

Also, wie sollten wir uns digital treffen und kommunizieren? Im Management-Team überlegten wir, was wir tun sollten. Dann sagte ich: "Komm, jetzt führen wir OKRs ein." Kurz zuvor hatte ich das Buch "Measure What Matters" gelesen und war total begeistert. Ich dachte: "Okay, das ist die Lösung." Wir diskutierten viel darüber, ob es der richtige Zeitpunkt sei, denn wir hatten natürlich auch ganz andere Sorgen.

Es ging ein bisschen ums Überleben, wir wussten nicht, was passieren würde. Wir sind ein B2B-Unternehmen, und alle Fitness- oder Yoga-Studios und Anbieter-Firmen waren geschlossen bzw. machten gerade keinen Sinn. Schließlich sagten wir: "Nee, das ist genau das, was wir brauchen, um das Team auf die wichtigsten Themen zu fokussieren und alle einzubinden."

Dann ging es vor ca. 4 Jahren von heute auf morgen los. Im Februar beschlossen wir die Einführung und im März sind wir gestartet. Wir aus dem Management-Team sprachen noch mit ein paar anderen Unternehmern und Freunden und holten uns Input, wie sie es machen. Und dann sagten wir: "Okay, let's do it."

M: Wie sahen Eure ersten Schritte aus? Und was waren die größten Herausforderungen bei der OKR Einführung?

PB: Es gab viele Herausforderungen – wirklich alles schien zunächst eine Herausforderung zu sein. Wir mussten uns erst mit dem neuen Framework vertraut machen und vor allem den Mitarbeitenden erklären, warum diese Veränderung sinnvoll ist. Eine der größten Hürden war es, dem Team zu vermitteln, dass die Einführung der OKRs zunächst zusätzlichen Aufwand bedeutet. Glücklicherweise hatten wir ein, zwei Kollegen im Team, die sich intensiv mit der Materie auseinandergesetzt haben. Aber wir haben viel diskutiert, besonders über Output vs. Outcome, diese Diskussion hat uns fast in den Wahnsinn getrieben. Vor allem, weil wir es selbst anfangs nicht vollständig verstanden haben und es dann dem Team erklären mussten…

Wir sind gleich so gestartet, dass jedes Team ein Objective hatte. Das führte zu einem enormen Verwaltungsaufwand. Einige Teams setzten sich sehr ambitionierte Ziele, während andere die Hürden sehr niedrig ansetzten. Diese Unterschiede zu managen, war sicherlich auch eine große Herausforderung.

M: Mit welchen Argumenten habt Ihr damals die Mitarbeitenden von dem Nutzen und dem Mehraufwand der Einführung überzeugt?

PB: Nun, ich denke, wir haben uns ziemlich an das Lehrbuch gehalten. Zuerst haben wir erklärt, dass die wichtigsten Themen nicht von nur zwei Personen bearbeitet werden können. Es ist wichtig, dass alle wissen, welche Themen von Bedeutung sind, und sich überlegen, wie sie ihren Beitrag leisten können, um gemeinsam diese Phase zu bewältigen.

Es war nicht so, dass die Menschen das nicht verstanden haben. Die Frage war eher, warum wir das so machen müssen und warum dieser Aufwand nötig ist. Das war dann eine Top-Down-Entscheidung. Wir haben gesagt: "Wir probieren das jetzt. Wir machen es ein, zwei Quartale und sehen, wie sich das anfühlt und wie sinnvoll das ist."

Was schnell positiv war, war unsere Anpassungsfähigkeit. Wir haben den Prozess sehr partizipativ gestaltet, sodass die Leute ihre Ideen einbringen konnten. Jede Person im Team hatte das Gefühl, gehört zu werden. Natürlich war das schwierig, weil wir alles unterbringen wollten. Das führte zuerst nicht immer zu einem fokussierten Ansatz, sondern wir versuchten, alle Themen irgendwie einzubeziehen. Doch diese Einbindung und Mitgestaltung haben zur Akzeptanz geführt. Die Menschen fühlten sich nicht nur eingebunden, sondern sie haben die Themen aktiv mitgestaltet.

M: Das heißt, Ihr habt OKRs im ganzen Unternehmen eingeführt? 

Philippe: Das war am Anfang so, dass wir für fast jedes Team ein OKR hatten, mittlerweile haben wir Company OKRs und bilden das Tagesgeschäft nicht über OKR ab. 

M: Es ist wichtig, dass alle dasselbe Verständnis des Frameworks haben. Es gibt ja durchaus unterschiedliche Interpretationen. Wie habt ihr dafür gesorgt, dass alle Mitarbeitenden auf demselben Wissensstand sind?

PB: Das haben wir am Anfang nicht so gut hinbekommen. Wir haben viel darüber geredet, das Buch beworben und wir haben auch ein, zwei Quellen geteilt, damit sich die Leute informieren konnten. Das haben wir schon gemacht. Aber ja, es hat sehr lange gedauert, bis wir wirklich ein gemeinsames Verständnis hatten. Und ich weiß, das führte zu endlosen Diskussionen.

Daran wären wir auch fast gescheitert, weil es manche demotiviert hat, dass wir unseren eigenen Weg gegangen sind und nicht alles 100 Prozent nach Lehrbuch umgesetzt haben. Damals habe ich viel mit anderen Unternehmern gesprochen, um herauszufinden, wie sie es machen. Das war nicht immer hilfreich, weil wir versucht haben, uns daran zu orientieren, bis ich erkannt habe, dass fast jeder seinen eigenen Weg findet. Das war wirklich anstrengend, aber wir haben trotz allem gemerkt, dass es uns hilft. Prioritäten zu setzen und diese klar zu kommunizieren. Deswegen haben wir auch weiter gemacht.

M: Welche Prozessanpassungen habt Ihr denn vorgenommen?

PB: Das erste, was wir gemacht haben, war die Anzahl der OKRs zu reduzieren, weil wir gemerkt haben, dass wir das nicht schaffen. Es gab niemanden in der Organisation, der das Thema wirklich übernommen und die Umsetzung mit den Leuten vorangetrieben hat. Wir haben auch entschieden, das Tagesgeschäft nicht über die OKRs abzubilden, da wir dafür unsere eigenen Mechanismen hatten und es nur die Kommunikation verkompliziert hätte. Stattdessen haben wir uns auf die wichtigsten Themen konzentriert, insbesondere solche, bei denen Innovation gefordert war und die Lösung noch nicht klar war.

In der zweiten Runde hatten wir immer noch zu viele OKRs, etwa neun oder zehn. Das haben wir sukzessive reduziert, sodass wir im letzten Jahr mit nur drei OKRs gearbeitet haben. Zu Beginn des Jahres haben wir uns zusammengesetzt, die aktuellen Probleme und den gewünschten Zustand definiert und dann Freiraum gegeben, wie diese Ziele zu erreichen sind. Das hat dem Team sehr geholfen, da sie ein klares Zielbild hatten und gleichzeitig die Freiheit, die Lösungen selbst zu entwickeln.

Wir wurden auch großzügiger mit dem ganzen Output-Outcome-Thema. Manchmal haben wir gesagt, dass ein Thema so wichtig ist, dass es nicht nur auf Initiativen-Ebene gehalten werden sollte, sondern als Key Result behandelt werden muss, auch wenn es binär bemessen wird (als eine Art Meilenstein). Dies haben wir gemacht, wenn es sinnvoll war, um dem Thema Priorität zu geben und es transparent in der Organisation zu machen. Alle 14 Tage haben wir mit dem gesamten Team darüber gesprochen, da viele Menschen davon betroffen waren. So haben wir unseren Weg gefunden und konnten die meisten Key Results dem originären Muster entsprechend anpassen.

Murakamy: Wenn ich Dich richtig verstehe, setzt Ihr Euch alle 14 Tage mit 40 Leuten in der großen Runde zusammen und diskutiert die OKR Sets. Das sind viele Leute. Wie laufen diese Meetings ab? Und warum habt Ihr Euch dazu entschieden, das so zu machen?

PB: Ja, also es ist nicht so, dass alle 40 Leute gleichzeitig diskutieren. Wir nutzen diese 14-tägigen Check-ins, bei denen die Objective-Owner und die KeyResults-Halter ein kurzes Update geben und jeder die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen. Diese Meetings haben sich aus mehreren Gründen bewährt.

Erstens ist es eine gute Möglichkeit, das gesamte Team einzubinden. Inzwischen sind wir etwa 75 Leute, und obwohl nicht immer alle mental voll dabei sind, sind viele dennoch engagiert. Zweitens ist diese Regelmäßigkeit auch für das OKR-Team wichtig, weil es uns dazu zwingt, Fortschritte zu zeigen und Klarheit in unsere Arbeit zu bringen. Wenn wir diese Meetings ausfallen lassen würden, könnte schnell ein Drittel des Quartals vergehen, ohne dass wir uns austauschen. Das wäre kontraproduktiv.

Seit etwa einem halben Jahr haben wir zusätzlich vor Ort ein Townhall-Meeting eingeführt. Dieses findet in der ersten oder spätestens in der zweiten Woche des neuen Quartals statt. Dort machen wir ein ausführliches Review: Was haben wir gelernt? Welche Hypothesen haben sich bestätigt und welche nicht? Es geht nicht nur darum, zu sagen, was wir erreicht haben, sondern auch, was wir institutionalisieren wollen und was wir in Zukunft vermeiden sollten, weil es nicht funktioniert hat.

Durch dieses hypothesengetriebene Arbeiten haben wir eine super Methode eingeführt, die aber zunächst etwas ungewohnt war. Unser Quartalsauftakt konzentriert sich primär darauf, was im letzten Quartal passiert ist. In den letzten Monaten hat sich dieses Instrument als so wertvoll erwiesen, dass wir es beibehalten wollen, auch wenn es für Neulinge vielleicht etwas ungewöhnlich ist. Diese Reflexion über das Vergangene und der Blick nach vorne verhindern das Gefühl der Unvollständigkeit und sorgen für Zufriedenheit im Team.

M: Wir haben viel darüber gesprochen, was anstrengend war oder noch immer ist. Aber was waren denn die ersten Erfolgserlebnisse oder Veränderungen, die sich eingestellt haben?

PB: Also, es ist ein ständiger Prozess, immer ein bisschen ein Hustle. Es ist nicht so, dass jedes Quartal super einfach ist. Besonders, wenn es darum geht, gute Key Results zu definieren und den wahren Wert zu finden. Es bleibt immer eine Herausforderung, auch wenn wir immer besser werden, weil unsere Datenqualität sich immer weiter verbessert. Was sich aber schnell verändert hat, ist der Fokus. OKRs geben uns eine klare Richtung. In jeder Weiterbildung, in jedem Workshop oder Experience Share wird betont, wie wichtig Fokus ist. Auch wenn wir damals dachten, wir seien fokussiert, haben wir gemerkt, dass es immer noch fokussierter und zugespitzter geht.

Je größer wir werden, desto mehr schlaue Menschen kommen dazu, alle mit tollen Ideen. Aber am Ende geht es darum, diese Ideen zu operationalisieren und in die Tat umzusetzen. Gestern meinte jemand, wir seien alle over-inspired – Ideen und Möglichkeiten haben wir genug, aber das Entscheidende ist, diese auch umzusetzen.

Fokus allein reicht nicht aus, aber er setzt den Rahmen, in dem wir uns bewegen. Natürlich gibt es weitere Instrumente, um richtig in die Execution zu kommen. Ein gutes OKR Set ist zwar “nur” der Anfang, aber ein elementarer Bestandteil für eine gute Umsetzung. Perfekt sind wir noch nicht, aber wir werden immer besser und spüren, dass es uns wirklich hilft.

M: Helfen Euch OKRs dabei, Eure Unternehmensziele zu erreichen?

PB: Ja, auf jeden Fall. Wir gehen so vor, dass wir uns im September oder Oktober immer grob überlegen, was die wichtigsten Dinge fürs nächste Jahr sind. Diese Ziele können sich dann im Laufe des Jahres zwar wieder ändern, aber wir bemühen uns, sie auf ein bis maximal zwei Themen zu reduzieren. Diese Themen haben natürlich eine strategische Komponente, aber auch ein wirtschaftliches Ergebnis.

Das sind dann unsere zwei Unternehmensziele. Und OKRs helfen uns dann dabei, diese Ziele zu erreichen. Also, definitiv.

M: Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?  

PB: Wir haben zum Beispiel im vergangenen Herbst gemerkt, dass sich der Markt verändert hat. Es gibt mehr Konkurrenzlösungen. Wir waren relativ früh am Markt, aber jetzt entwickelt sich das weiter. Unser Customer Success Team bekommt immer mehr Informationen darüber, dass Mitbewerber auftauchen, die konkurrierende Produkte anbieten. Wir haben lange überlegt, wie wir uns positionieren können und haben eine Strategie entwickelt. Wir haben aus verschiedenen Quellen gelernt und beschlossen, dass unser Plattformansatz unsere langfristige Strategie sein soll, um Kunden weiterzuentwickeln.

Für uns war klar, dass wir das Thema Kundenentwicklung ins Zentrum stellen müssen, um diese Strategie umzusetzen und weiterhin wirtschaftlich erfolgreich zu sein. In diesem neuen Marktumfeld haben wir Kundenentwicklung als ein zentrales Objektive festgelegt. Ein funktionsübergreifendes Team arbeitet daran, und wir haben Produktressourcen sowie zusätzliche Mitarbeiter darauf fokussiert. Natürlich gibt es noch andere Opportunitäten und Herausforderungen, aber das ist unser Hauptfokus. Alle 14 Tage reden wir darüber. Die Leute wissen, dass das Priorität hat, und wenn es um interne Prioritäten geht, sind diese klar gesetzt.

Das hilft uns sehr. Wir waren gerade zwei Tage im Management-Offsite und überprüfen ständig, welche Themen aktuell sind und ob es etwas Neues gibt, das wir einbeziehen müssen. Für dieses Quartal haben wir noch ein zweites Objective hinzugefügt: Effizienz und Prozesse. Wir merken, dass wir durch die vielen neuen Dinge, die wir machen, an einigen Stellen nachziehen müssen, um genug Zeit für die Arbeit mit dem Kunden zu haben. Das nehmen wir jetzt auch noch dazu, aber der Fokus liegt darauf, die Prozesse und die Effizienz zu verbessern, um das Kundenentwicklungs-Ziel zu erreichen.

M: Habt ihr bei diesem Beispiel auch über Outcome vs. Output diskutiert?

PB: Ja, das haben wir. Bei folgendem Thema: Wir integrieren eine andere Plattform in unser System. Das ist ein großes Projekt, an dem viele Leute beteiligt sind. Es ist so: Entweder ist die Integration abgeschlossen oder nicht. In diesem Fall haben wir uns dagegen entschieden, es als OKR aufzunehmen. Wir haben gesagt, dass es sowieso gesetzt ist und passieren wird. Es läuft bereits und ist eigentlich schon so gut wie fertig. Es gab aber trotzdem Diskussionen, weil es die Frage aufwarf: Wenn es nicht als OKR aufgeführt wird, könnten andere sagen, dass es keine Priorität hat. Das führt dann zu Diskussionen darüber, welche Aufgaben legitim Ressourcen beanspruchen dürfen, die andernfalls woanders benötigt werden.

Da auch externe Entwickler beteiligt sind, haben wir uns letztlich dagegen entschieden, es als OKR aufzunehmen. Aber die Diskussion gab es natürlich.

M: Wie hat sich Eure Unternehmenskultur verändert? Hast du Veränderungen durch die Einführung bemerkt?

PB: Also, ich würde sagen, es hat geholfen, die Kultur, die wir ohnehin schon hatten, zu stärken. Wir haben eine sehr transparente Kultur. Wir reporten einmal im Monat und alle wissen, wo wir stehen. Wir wollen uns auf das Wesentliche konzentrieren, cross-funktional zusammenarbeiten, Transparenz schaffen und offen sein. Ich finde, das ist eine schöne Komponente von OKR. 

Manchmal unterschätzen wir selbst, dass wir uns hinstellen können und sagen: "Das wollen wir erreichen, aber wir wissen noch nicht wie." Das ist etwas, was ich auch persönlich erlebt habe. Als Führungskraft denkt man oft, man muss die Lösung haben, aber wer sagt, dass ich die beste Lösung habe? Wahrscheinlich nicht. Daher passt das Hypothesen-getriebene Arbeiten mit OKRs für uns gut, auch wenn es manchmal mit zusätzlichen Aufgaben verbunden ist.

M: Das hört sich nach einem starken Alignment an, da jeder weiß, wer an was arbeitet.

PB: Genau. Total. Das Alignment ist definitiv besser. Wir hatten kürzlich eine große Diskussion mit den Leads. Einige sagten: "Ich kann dazu gar nichts direkt beitragen, aber es wird von mir verlangt, dass ich mir Gedanken mache." Jetzt verstehen wir besser, dass es wichtig ist, Klarheit zu schaffen und festzulegen, wen wir wirklich brauchen. Für die anderen ist es in Ordnung, nur informiert zu sein. Sie müssen nicht in jeden Inhalt involviert sein. Wir trennen jetzt stärker zwischen Prozess und Inhalt.

Das Alignment ist ein super wichtiger Punkt. Wenn wir mit dem gesamten Leadership-Team zusammenkommen, sind das 16 Leute. Das erste Thema ist immer: Wir sprechen über die OKRs, den Fortschritt und wo wir Unterstützung brauchen. Von den 16 Leuten sind dann vielleicht neun oder acht direkt involviert, während die anderen im Tagesgeschäft wenig damit zu tun haben. Aber sie verstehen, dass sie vielleicht an anderer Stelle kürzer treten müssen, weil ihre Kolleginnen und Kollegen eingespannt sind.

M: In Review-Workshops sieht man eigentlich immer ganz gut, wie es um die Kultur in einer Organisation steht. Kann man bei Euch offen über Themen sprechen, die nicht so gut laufen, oder nicht?

PB: Bei uns ist es auch so, dass wir die Erkenntnis, wenn etwas nicht geklappt hat, auf eine gewisse Art und Weise “feiern”. Natürlich hätten wir gerne, dass alles immer funktioniert, aber wir wissen, dass das nicht realistisch ist. Zu wissen, dass etwas nicht funktioniert hat, ist super wertvoll. Deshalb sind diese Meetings, selbst wenn die OKRs nicht erreicht werden, in der Regel sehr motivierend. Wir haben daraus gelernt, und das steht im Zentrum.

M: Wenn ich Dich richtig verstanden habe, gibt es bei Euch also "nur" Company OKRs, richtig?

PB: Genau, richtig. Die Key Results werden von verschiedenen Teamleads verantwortet. In den Initiativen sind viele Leute involviert, die daran arbeiten. Wir haben das Tagesgeschäft aus dem OKR-Thema herausgenommen. Das bedeutet, die Teams haben ihre Tagesgeschäft-KPIs. Wir haben keine Verkaufszahlen in unseren OKRs, es sei denn, wir führen gerade etwas Neues ein. Wenn wir beispielsweise ein neues Kundenentwicklungsprojekt starten, könnten wir dafür Umsatz-Kennzahlen festlegen. Das Tagesgeschäft wird jedoch wie gesagt durch separate KPIs verfolgt.

M: Wo bildet Ihr Euer Set ab, benutzt Ihr irgendwelche Tools?

PB: Wir haben ein paar Sachen ausprobiert und sind jetzt sehr zufrieden mit Confluence. Dort haben wir eine schöne Übersicht und viele Details sind verlinkt. Es ist wirklich ein cooles Office-Reporting-Tool. Es ist praktisch, wenn man mal einen Screenshot in eine PowerPoint-Präsentation einfügen muss, denn jeder weiß, wo es zu finden ist. Wir haben in Confluence eine Übersicht der 10 bis 12 wichtigsten Themen, die direkt unter der Strategie angesiedelt sind, sodass jeder darauf zugreifen kann.

M: Kann man da auch die Fortschritte der OKRs einsehen?   

PB: Ja. Man sieht dort, wo wir aktuell stehen und welche nächsten Initiativen anstehen. Es gibt auch Informationen darüber, was gerade gemacht wurde und welche offenen Themen als nächstes angegangen werden. Zwar nicht im kleinsten Detail, aber auf einer Ebene, sodass alle mitgenommen werden und verstehen, woran gerade gearbeitet wird und welche Hypothesen verfolgt werden.

M: Was sind für Dich die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Arbeit mit OKRs und welchen Rat würdest Du anderen Unternehmen geben, die OKRs einführen wollen?

PB: Es ist ziemlich schwierig, einen allgemeinen Rat zu geben, weil die Kontexte immer unterschiedlich sind. Aus unserer Erfahrung würde ich sagen, dass man dem ganzen Thema Zeit geben sollte. Man sollte nicht nach einem Quartal schon urteilen. Das erste Quartal wird sich wahrscheinlich in vielen Aspekten noch nicht rund anfühlen, und das zweite vermutlich auch nicht. Es ist wichtig, geduldig zu sein und den richtigen Weg zu finden. Für mich ist Transparenz bezüglich der Prioritäten das Wichtigste. Die Ressourcen sollten entsprechend den Prioritäten transparent verteilt werden.  

Ein wichtiger Faktor ist wahrscheinlich Zeit. Vor allem ausreichend Zeit für die Festlegung der Themen einplanen. Es reicht nicht, nur eine Stunde darüber nachzudenken. Wir nehmen uns wirklich einmal im Quartal zwei Tage Zeit, um uns damit intensiv zu beschäftigen. Oftmals bleiben Themen bestehen, aber wir wissen dann genau, warum und haben das gut abgewogen.

Und zum anderen auch, sich Zeit nehmen, um zu verstehen, was man erreicht hat. Diese Lernkomponente ist entscheidend. Es geht nicht nur darum, ob man etwas erreicht hat oder nicht, sondern auch darum, was man auf dem Weg gelernt hat. Dieses Wissen ist wertvoll und hilft, die richtigen Themen für die Zukunft zu setzen. 

M: Warum habt Ihr Euch keine externe Hilfe für die Einführung geholt?

PB: Wir haben tatsächlich mit ein paar Leuten gesprochen. Es gab zwei Hauptgründe. Erstens, zu Beginn der Corona-Pandemie war das Budget ein großes Thema. Wir mussten wirklich jeden Cent zusammenhalten. Zweitens hatten wir einen neuen Kollegen im Management, der ein erfahrener Unternehmer war. Er sagte: "Leute, das schaffen wir selbst. Das brauchen wir nicht, wir kriegen das hin." Das hat dann den Geist geprägt. Es war eine Kombination aus Budget sparen und einem naiven Mindset, das gesagt hat: "Wir schaffen das."

Rückblickend würde ich sagen, wenn ich das Budget gehabt hätte oder noch mal in derselben Situation wäre und das Budget hätte, würde es total Sinn machen, jemanden extern dazuzuholen. Diese Person könnte viele Diskussionen abkürzen und Vertrauen schaffen. Unser Team wusste, dass wir keine Ahnung von OKRs hatten, was natürlich Zweifel aufgeworfen hat. Wenn jemand da ist, der das schon zigmal gemacht hat, wäre das definitiv hilfreich. 

Für uns war der gewählte Weg aber richtig. Wir sind gut durchgekommen und haben rechtzeitig die Bremse gezogen, wo nötig. Es gibt Dinge, die wir besser machen könnten, aber für uns war es der richtige Weg und hat uns geholfen, erfolgreich weiterzuwachsen.


M: Und wird OKR auch in Zukunft ein Teil Eures Business sein?

PB: Immer wieder kommt die Frage auf, ob es nicht ein besseres oder anderes Framework gibt. Bisher gab es nichts Überzeugenderes und wir nutzen es weiter. Ich sehe nicht, dass sich das in naher Zukunft ändern wird.




Vielen Dank Philippe für die Einblicke, das Teilen Deiner Erfahrungen und Deine Tipps rund um das Arbeiten mit OKRs.


Interview & Text: Luisa Lazarovici