OKR in der Logistikbranche: Interview mit NOSTA CEO Nicolas Gallenkamp
Luisa Lazarovici
Nicolas Gallenkamp, CEO bei NOSTA, führte das OKR-Framework ein, um den Herausforderungen der expandierenden Logistikbranche gezielt zu begegnen. Mit der OKR Methode ist es ihm gelungen, das Unternehmen agiler, strategisch ausgerichteter und transparenter zu gestalten. Im Interview berichtet Nicolas, wie das Framework NOSTA dabei unterstützt, klare Ziele zu setzen, die Zusammenarbeit zu fördern und die Performance kontinuierlich zu verbessern.
NOSTA ist ein Familienunternehmen in zweiter Generation, gegründet 1978 als Spedition und heute ein global agierender Full-Service-Logistikdienstleister. NOSTA bietet Transport auf verschiedenen Verkehrsträgern (Schiene, Wasser, Straße, Luft), Lagerung auf 250.000 Quadratmetern, Consulting und E-Commerce-Lösungen in Deutschland, Polen, den Niederlanden und den USA mit über 40 Standorten.
Im Zuge der stetig wachsenden Anforderungen und der sich wandelnden Dynamik in der Logistikbranche sah sich NOSTA mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Um diese gezielt anzugehen und das Unternehmen auf eine strategischere und effizientere Bahn zu lenken, führte Nicolas Gallenkamp OKR (Objectives and Key Results) ein. Im Interview beleuchten wir die Beweggründe hinter dieser Entscheidung und erfahren, wie OKRs dazu beigetragen haben, Fokus und Transparenz zu schaffen, für klare Priorisierung bei den Projekten zu sorgen, die Zusammenarbeit zu stärken und die langfristige Ausrichtung des Unternehmens zu fördern.
Wichtige Themen des Interviews:
Steuerung in unsicherem Umfeld: Die Logistikbranche ist sehr dynamisch und unsicher. OKR hilft gerade in Unsicherheit, strategisch zu planen und flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren.
Transparenz und Klarheit: OKRs bieten eine klare und transparente Methode, um Unternehmensziele zu definieren und in messbare Ergebnisse umzusetzen. Dies ermöglicht eine bessere Ausrichtung der Teams auf gemeinsame Ziele und schafft Klarheit über Prioritäten.
Zusammenarbeit und Kommunikation: OKRs fördern die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams und Abteilungen. Dies hilft, dass alle in die gleiche Richtung arbeiten und verstärkt die Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg.
Langfristige Ausrichtung: OKRs ermöglichen eine langfristige strategische Ausrichtung, indem sie Ziele auf Jahres- und Quartalsbasis setzen. Dies hilft, die operative Umsetzung in den Kontext der langfristigen Unternehmensvision zu stellen.
Murakamy: Im Rahmen der Transformation von NOSTA hast Du Dich als CEO dazu entschieden, OKR einzuführen. Wie bist Du mit dem Framework in Berührung gekommen und warum hast Du Dich für die Implementierung entschieden?
Nicolas Gallenkamp: Ich bin vor 3-4 Jahren über das Projektmanagement in das Thema OKR eingestiegen. Wie es bestimmt einige schnell wachsende Unternehmen kennen, fängt man zu oft zahlreiche Projekte an und setzt sie nicht sauber auf und stellt dann fest: das funktioniert so nicht vernünftig. Daraufhin haben wir ein Projektmanagement-Office ins Leben gerufen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Thore Arendt, der heute auch unser OKR Champion ist, haben wir damals versucht, Methoden zu finden, wie wir unsere Projekte besser durchstrukturieren können. Und Thore war es auch, der mir das OKR Framework in diesem Prozess vorgeschlagen hat. Ich habe mich dann damit vertraut gemacht und war vor allem begeistert, dass OKR so “einfach” strukturiert ist (lacht). Ja, mittlerweile bin ich ein paar Schritte weiter und weiß, dass die Einführung nicht so leicht klappt, wie gedacht. Aber ich bleibe dabei, in der Theorie bzw. die Grundstruktur des Frameworks ist sehr gut strukturiert und davon bin ich nach wie vor begeistert. Ich bzw. wir haben uns dann für die Einführung entschieden, und mir war von Anfang an klar, dass wir hier eine externe Begleitung benötigen. Mir war es wichtig, dass wir jemanden dazu holen, der sich mit der Materie auskennt. Bei Murakamy hat mir gefallen, dass ihr 100% Fokus auf die OKR Methodik habt
M: Du hast eben schon gesagt, dass Ihr nach einer Methodik gesucht habt, um Eure Projekte besser zu strukturieren. Könntest Du die Problematik, für die Ihr eine Lösung finden wolltet, noch etwas genauer beschreiben?
NG: Wir wollten unbedingt Klarheit schaffen. Bei uns ist sehr viel Opportunity Driven. Also es kommen oft Chancen um die Ecke, die wir natürlich ergreifen wollen. Aber dadurch haben wir uns wenig nach vorne ausgerichtet und nicht im Fokus gehabt, was wir eigentlich wollen. Wir haben uns zu wenig selbst ans Steuerrad gesetzt, sondern einiges auf uns zukommen lassen. Das hat vor allem unsere Shared Service Centers, die ihre Ressourcen ganz vielen internen Kundinnen und Kunden zur Verfügung stellen müssen, wahnsinnig gemacht. Ich finde das Beispiel aus dem Online-Kurs ganz passend, wo es heißt, dass man sich einig darüber sein soll, ob man zum Ski fahren oder an den Strand will. Und wir haben das damals immer offen gelassen, ob wir jetzt Ski fahren gehen, zum Strand fahren oder ob wir überhaupt verreisen. Das hat sehr viel Druck in der Organisation ausgelöst und irgendwann haben wir einfach gemerkt, dass der Unmut zu groß ist.
Die Logistikbranche ist sehr dynamisch und schwer planbar. Gerade weil wir auch in unserer Kundenstruktur sehr viele Kunden haben, mit denen wir gar keine festen Verträge haben. Da gibt es ganz viele Aktionsgeschäfte, die man sich jedes Jahr neu erarbeiten muss. Dazu müssen wir viele Marktschwankungen aufnehmen und abgleichen. Das heißt, wir versuchen in Unsicherheit zu planen, und deswegen haben wir uns für das Steuern mit OKR entschieden.
M: Bevor Ihr OKR eingeführt habt, habt Ihr zusammen mit unserem Berater Christian Damke, der die OKR Einführung bei Euch begleitet hat, erneut einen Blick auf Eure Vision und Mission geworfen. Wie hilft Euch die neue Vision bei der Formulierung Eurer OKR Sets?
NG: Die Vision wurde komplett neu und viel größer formuliert. Vorher war sie eher monetär und wirtschaftlich getrieben. Die neue Vision ist visionärer und geht über unser Kerngeschäft als Logistikdienstleister hinaus. Es geht darum, an etwas Großem mitzuarbeiten. Die Workshops haben geholfen, die neue Vision prägnant zu formulieren. Bisher haben wir die Vision nur in unser Leadership Team gestreut, das mit OKRs arbeitet. Wir wollen das "Momentum" nicht vergeben, sondern die Vision in einem "Big Bang" allen vermitteln.
Über die Scaling Up Methode arbeiten wir auch an unseren Core Values als Unternehmen und als Menschen. Die wollen wir ebenfalls mit der Vision ausrollen. Aktuell besteht leider noch ein Vakuum, sodass wir die Vision noch nicht voll in die OKRs einfließen lassen können. Wir spüren, dass uns der Bezug zur übergeordneten Vision noch fehlt. OKR ist das richtige Tool, aber uns fehlt noch diese letzte Verlinkung, dieser ein-, zwei-, drei-Jahres-Fokus.
Im nächsten Jahr werden wir deswegen Scaling Up, OKRs und die Vision zusammenbringen und in der Organisation verankern. Jeder soll sie verinnerlichen und sich damit identifizieren können. Wir sind hier gerade noch in einer Lernphase, aber das Ziel ist klar.
M: Gehen wir nochmal einen Schritt zurück, nachdem Vision und Mission überarbeitet waren, habt Ihr vorerst “nur” in Eurem Board-Team (bestehend aus 5 Personen) OKRs eingeführt und habt dann im nächsten Schritt erst den Rollout auf das Leadership-Team geplant. Wie lief das genau ab?
NG: Wir hatten einen OKR Softstart mit einem 5-köpfigen Team, dem Board Team. Wir wollten die Methode im Kleinen ausprobieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie realistisch es ist, in 3 Monaten bestimmte Ziele zu erreichen. Das war eine wichtige Erkenntnis - 3 Monate sind keine lange Zeit und wir mussten lernen, realistischer zu planen. Mit Christian haben wir das erste Company-Set aufgesetzt. Mit diesem Set und der OKR-Methodik haben wir ein Leadership Team von aktuell über 16 Personen zusammengestellt, bestehend aus Führungskräften der zweiten Ebene, Shared Services Verantwortlichen und der Geschäftsführung. Nachdem wir dann auch die OKR Champions ausgebildet hatten, haben wir in einem ersten offiziellen Workshop mit Christian das Company-Set vorgestellt. Dabei wurde die Methodik erklärt und jeder sollte OKR Sets für sich aufsetzen. Danach sind wir in das Grading und die Prozesse eingestiegen. Inzwischen befinden wir uns, wenn man den Softstart dazu rechnet, in der vierten Runde mit OKRs.
M: Das hört sich nach einem gut geplanten Einstieg an. Was waren denn die größten Herausforderungen in den ersten OKR-Zyklen?
NG: Die größte Herausforderung am Anfang war, dem Team zu erklären, warum wir schon wieder eine neue Methodik einführen und was wir von ihnen erwarten. Aber wir konnten schnell transparent machen, dass es um mehr Klarheit geht. Wir haben viel erklärt, die Methodik dargelegt und dabei viele abgeholt. Das System wurde schnell gut angenommen und der Mehrwert erkannt.
Ich finde eine große Herausforderung bei der Einführung ist auch, die richtige Flughöhe zu finden. Man muss aufpassen, dass man nicht jede kleine Aufgabe als OKR definiert, sondern wirklich nur die wichtigen Themen. Die Lernkurve war am Anfang sehr hoch und es gab viele Aha-Momente. Zum Beispiel wurde über das Marketing-Team plötzlich transparent, warum sie immer schnell überlastet sind - sie steckten in ganz vielen OKRs drin, da viele neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt wurden. Diese Transparenz zu schaffen und zu verstehen, dass wir priorisieren und auch mal Nein sagen müssen, war sehr positiv.
Schwierig ist bis heute das Grading, also ab wann ein Objective als erreicht gilt. Die deutsche Mentalität ist nicht die 70-80% Mentalität. Immer wieder gibt es Diskussionen, bei welchen Themen 70% schon ausreichen. Kann OKR dazu führen, dass 70% als "fertig" gelten und die letzten 30% nicht mehr verfolgt werden? Hier braucht es mehr Ehrlichkeit - es dürfen ruhig auch mal komplett rote Felder oder No-Progress da sein, anstatt auf den letzten Metern noch schnell ein paar Prozentpunkte zu ergattern, finde ich.
Ein Dauerbrenner ist bei uns leider auch immer noch das Tagesgeschäft. Oft entsteht das Gefühl, alles, was nicht in den OKR Sets steht, wird nicht gemacht. Eine Zeit lang kamen aus Bereichen ohne OKR Rückmeldungen, dass sie keinen Support mehr bekommen, mit der Begründung "steht nicht im Set". Hier musste ich gegensteuern - OKRs dürfen nicht dazu führen, dass jede normale Aufgabe blockiert wird. Die Methodik soll Transparenz und Geschwindigkeit in großen Themen ermöglichen, aber nicht das Tagesgeschäft lähmen. Diesen Spagat müssen wir noch üben.
M: Das Thema Tagesgeschäft ist oft eine Herausforderung. Die Frage lautet immer, rein in die Sets oder nicht. Wir empfehlen immer alle Ressourcen in den OKR Prozess mit aufzunehmen bzw. im Workshop darüber zu verhandeln. In der Logistikbranche muss man natürlich sehr oft spontan und flexibel reagieren können. Habt Ihr Euch deswegen entschieden, das Tagesgeschäft erstmal außen vor zu lassen und funktioniert das?
NG: Ja, das ist eine interessante Frage, da dies eine ganze Reihe von Implikationen hat. Grundsätzlich war die Idee hinter der Implementierung von OKRs, besonders die großen strukturellen Projekte abzubilden. Die Dynamik und Vielfalt des Tagesgeschäfts machen es jedoch schwierig, alles einzubeziehen. Das würde vermutlich den Rahmen sprengen, wenn jeder seine alltäglichen Aufgaben einbringen würde, um sie abzugleichen. Vieles davon ist operatives Tagesgeschäft, das für Shared Service-Verantwortliche möglicherweise nicht direkt relevant ist und keine Verbindung zu den jeweiligen Bereichen hat.
Ähnlich verhält es sich oft mit Projekten. Es ist nicht immer klar, wann eine Aufgabe als eigenständiges Projekt betrachtet werden sollte. Interne Abteilungsprojekte wären beispielsweise nicht unbedingt etwas, das im Projektmanagementbüro gemeldet werden müsste. Das PMO sollte hauptsächlich Projekte behandeln, die Ressourcen aus verschiedenen Bereichen erfordern und klassische projektähnliche Eigenschaften aufweisen. Dies ist auch der Aspekt, der mit OKRs besser gehandhabt werden kann.
Angenommen, jeder würde seine internen Angelegenheiten erläutern und seine täglichen Aufgaben darlegen, könnte dies zu einer enormen Informationsmenge führen, solange keine Verbindung zwischen den Aufgaben besteht. Unsere primäre Absicht ist es, bedeutende Initiativen und strategische Projekte abzubilden, die eine Zusammenarbeit über Bereiche hinweg erfordern. So sind wir bisher vorgegangen. Dennoch könnte es notwendig sein, sich erneut mit der Integration des Tagesgeschäfts auseinanderzusetzen, da dies eine kontinuierliche Herausforderung ist.
Wir verwenden das Tool "Wrike" zur Umsetzung unserer OKRs, ein Ressourcenplanungstool, das sich gut für die Abbildung von OKRs eignet. Einige Personen haben begonnen, kleine Buckets zu erstellen, um ihre Tagesgeschäfts-Aufgaben dort zu erfassen. Dies geschieht jedoch nicht einheitlich. Das ist die aktuelle Situation, daher kann ich dir hier keine endgültige Antwort geben. Dieses Thema ist nach wie vor offen und bedarf weiterer Diskussion.
M: Wenn ich das richtig verstehe, arbeitet Ihr also sowohl mit PMO als auch mit OKRs. Warum habt Ihr Euch dazu entschieden? Wie erfolgt die Integration und Koordination dieser beiden Ansätze?
NG: Ja,wir arbeiten nach wie vor mit PMO und sind auch dabei, es noch zu erweitern. Das Team wächst, Prozesse verändern sich und wir planen, uns verstärkt dem Prozessmanagement und der Einführung des Programm Managements zuzuwenden. Wir denken seit dem Workshop mit Christian jetzt noch mehr mit Blick auf Vision, Mission und Strategie.
Für mich ist das Operationelle ein Teil der Strategie, und dazu gehören Programme, die von der Strategie abgeleitet werden. Diese Programme und ihre Schritte werden in OKRs heruntergebrochen, da OKRs für mich die grundlegende Struktur darstellen. Derzeit sind wir im dritten oder vierten Sprint unterwegs, und wir haben wie bereits erwähnt erkannt, dass uns eine Verbindung zwischen der Ein- und Dreijahres-Perspektive fehlt. Ich glaube, wir haben bisher zu wenig in die Zukunft geschaut, was dazu führt, dass unsere Verwendung von OKRs nicht so zufriedenstellend ist, wie wir es möchten. Daher beschäftigen wir uns jetzt zusätzlich, wie ebenfalls bereits erwähnt, mit dem Framework 'Scaling Up'. Dieses Framework beinhaltet auch OKRs und betont die Umsetzung der Strategie. Wir schauen uns an, wo wir in drei Jahren stehen wollen, was das für das nächste Jahr bedeutet und brechen es dann in OKR-Sprints herunter. Unsere bisherige Herangehensweise war, in vier Monaten zu planen, dann zu schauen, was als Nächstes kommt, und das führte nicht zu langfristiger Struktur. Das aktuelle OKR-Modell vermittelt uns das Gefühl, dass wir uns schnell im Unternehmen umsehen und alles, was gerade ansteht, in OKRs abbilden sollten. Doch dieser Ansatz ist uns nicht langfristig genug ausgerichtet und baut nicht aufeinander auf. Daher nutzen wir nun das Framework Scaling Up, um eine langfristige Struktur zu schaffen. Das Projektmanagement begleitet diesen Ansatz und konzentriert sich auf langfristige Initiativen, die über drei Jahre laufen. Diese werden dann entsprechend in den OKR Modus übertragen, damit sie langfristig auf die Drei-Jahresziele einzahlen. Wir wollen einfach noch viel mehr in die vorausschauende Steuerung kommen und dieses ganze Thema ‘Opportunity Driven’ so gut wie möglich reduzieren.
M: In der Logistikbranche ist das wahrscheinlich auch wirklich eine große Herausforderung. Außerdem arbeitet Ihr ja mit vielen eigenständigen Einheiten zusammen. Trotzdem ist es wichtig, dass alle in die gleiche Richtung denken. Inwiefern bietet das OKR-Framework hier eine passende Lösung?
NG: Das OKR-Framework hat zweifellos zu einer erhöhten Transparenz beigetragen, insbesondere hinsichtlich der Aktivitäten der anderen Teams. Diese Teams agieren zwar autonom, sollen aber dennoch ein Verständnis dafür entwickeln, was die anderen tun. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Verantwortlichen für die Shared Services verstehen, mit welchen Herausforderungen die operativen Teams konfrontiert sind. Gleichzeitig müssen die operativen Teams verstehen, wie ihre Anfragen und Themen die Shared Services beeinflussen und wie Ressourcenmanagement in der Praxis funktioniert. Wir haben immer betont, dass eine 100% "Opportunity-driven" Einstellung nur dann funktionieren würde, wenn wir über unbegrenzte Ressourcen verfügen würden. Da wir jedoch mit begrenzten Ressourcen arbeiten, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels, müssen wir äußerst klug vorgehen und unsere Ressourcen optimal einsetzen. Deshalb ist maximale Transparenz von äußerster Wichtigkeit.
Früher hatten wir bereits Transparenz in Bezug auf Finanzkennzahlen und übergreifende strategische Prozesse sowie Strategien. Jedoch gab es unter den Teams zu wenig Abstimmung, was sich mit der Einführung von OKRs und den zweiwöchentlichen Stand-In-Meetings grundlegend geändert hat. Unsere Absicht ist es, die Teams miteinander zu vernetzen und eine kooperative Arbeitsweise zu fördern, anstatt alles top-down vom Board aus zu steuern. Wir ermutigen die Teams dazu, miteinander zu sprechen und sich auszutauschen. Vorher liefen wir im Board gewissermaßen nur hin und her, um Botschaften zwischen den Bereichen zu übermitteln. Die Kommunikation war oft eine Herausforderung, und wir haben viel Zeit darauf verwendet, zwischen Konfliktparteien zu vermitteln, da sie einander nicht verstanden haben.
Mit der Einführung von OKRs hat sich das grundlegend verändert. Die Teams wissen endlich, was die anderen tun. Die regelmäßigen Workshops, die alle paar Monate stattfinden, fördern den Teamgeist. Hier findet ein intensiver Austausch statt, die Teams werden gemischt und das Company OKR Set wird entsprechend angepasst.
Offene Kritik und Meinungsaustausch sind willkommen, ohne dass dies zu Konflikten führt. Dies hat unsere Zusammenarbeit in diesen strategisch wichtigen Bereichen erheblich gestärkt. Wir planen, dieses Konzept nun sogar auf eine tiefere Ebene zu erweitern, indem die Teams selbst mit OKRs arbeiten. Unsere internationalen Standorte sind ebenfalls interessiert, besonders aus Holland erhalten wir eine starke Nachfrage. Wir müssen jedoch sorgfältig abwägen, bis zu welcher Ebene dieses Vorgehen sinnvoll ist. Denn wenn wir es bis zur vierten oder fünften Managementebene oder zu den Teamebenen herunterbrechen, würde die Einführung von OKRs z.B. bei Kollegen im Lager vermutlich auf Ablehnung stoßen.
M: Und es stellt sich die Frage, ob es das Arbeiten mit OKR hier überhaupt sinnvoll ist…
NG: Ja, denn viele arbeiten hier ja nicht projektbezogen oder dynamisch, sondern kümmern sich um das Tagesgeschäft. Das wiederholt sich kontinuierlich. Und OKR ist eher ein strategisches Tool, um am Unternehmen und dessen Weiterentwicklung zu arbeiten und diese Transformationsarbeit strukturiert zu begleiten.
M: Was kann OKR Deiner Meinung nach, was andere Frameworks nicht können?
NG: Eines der herausragenden Merkmale von OKRs ist die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge auf einfache Weise zu strukturieren. Das ist meiner Meinung nach das Besondere an OKRs: Es handelt sich um ein äußerst verständliches und simples Konzept, das dennoch in der Lage ist, eine enorme Vielfalt an komplexen Themen abzubilden. In vielen anderen Fällen wird oft unnötig viel "Rocket Science" in Frameworks gepackt, was die Teams überfordert. OKRs hingegen sind dazu in der Lage, einen angestrebten Zustand zu definieren, einige Schlüsselkennzahlen (KPS) festzulegen und diese verfolgbar zu machen, ohne dabei übermäßigen Druck zu erzeugen. Das 70-Prozent-Ziel gefällt mir persönlich gut. Es entlastet uns davon, immer an 100 Prozent Perfektion zu denken, wie es manchmal in der deutschen Denkweise üblich ist. Dies verhindert, dass wir uns im Detail verlieren. Das ist der Punkt, an dem das Framework wirklich seine Stärken ausspielt: Es lenkt uns auf die richtigen Prioritäten, schafft Transparenz und ist dennoch einfach und schnell in der gesamten Organisation umsetzbar.
Jeder kann es verstehen, weshalb es nur wenig Abwehrhaltung gibt, sondern eher ein Begeisterungseffekt in den verschiedenen Bereichen entsteht. Teams möchten es verwenden, weil es genau diese Transparenz fördert. Wir haben sogar mit Kunden darüber gesprochen, die zuvor Ansätze wie OPEX genutzt haben, jedoch jetzt das OKR-Modell äußerst spannend finden. Wir teilen unsere Erfahrungen bereits mit ihnen und präsentieren, wie wir damit arbeiten. In gewisser Weise betreiben wir sogar Werbung für diese Methodik. Warum? Weil OKRs Klarheit schaffen und den Druck reduzieren können. Das können nur wenige Systeme leisten. Die meisten anderen Systeme überfordern die Menschen eher, indem sie sie mit einer Flut von Informationen und Materialien konfrontieren, sodass die Begeisterung schnell verloren geht.
Vielen Dank Nicolas für die Einblicke, das Teilen Deiner Erfahrungen und Deine Tipps rund um das Arbeiten mit OKRs.
Interview & Text: Luisa Lazarovici