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CEO Philipp Teipel über die OKR Einführung bei goldgas

Murakamy OKR Blog

Inspirierende Veröffentlichungen, kurze Einblicke in unser Denken, Anreize zum Nachdenken - all dies bietet dieser Blog als Sammlung zu den Themen Entrepreneurship, Management und Leadership. 

CEO Philipp Teipel über die OKR Einführung bei goldgas

Luisa Lazarovici

goldgas zählt zu den führenden bundesweiten Energielieferanten in Deutschland. Kurz nachdem Philipp Teipel 2020 die Geschäftsführung übernahm, begann die Implementierung von OKR. Im Interview verrät er, warum ihn die Steuerungsmethode vor allem in Krisenzeiten so überzeugt 

Im Zuge der Liberalisierung des Gasmarktes debütierte goldgas 2008 als Deutschlands erster freier Energieanbieter. Seit 2011 versorgt die GmbH ihre Kundschaft neben Erdgas auch mit Strom. Das mehrfach ausgezeichnete Unternehmen hat seinen Sitz im hessischen Eschborn, beschäftigt rund 60 Mitarbeitende und ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen des europaweit aktiven Gashandelskonzerns VNG AG.

Im August 2020 übernahm Philipp Teipel den Vorsitz der Geschäftsführung, der zuvor als Head of Finance und Agile Lead bei der E.ON-Tochter eprimo tätig war. Ab 2016 initiierte der studierte Diplom-Kaufmann dort im Rahmen der Transformation die Einführung der Management-Methode Objectives and Key Results – und trieb sie als OKR Champion federführend mit an. Anfang 2021, ein halbes Jahr nach Teipels Einstieg als CEO, begann goldgas im Zuge seiner Transformation mit der Implementierung des OKR Frameworks. 

Im Interview verrät Philipp Teipel, warum ihm sofort klar war, dass er nach seinem Einstieg bei goldgas OKR als ganzheitliche Führungs- und Steuerungsmethode etablieren wird, wodurch sich die zweite Einführung von seiner ersten erlebten unterscheidet und weshalb er der Meinung ist, dass Unternehmen heutzutage um ein agiles Framework wie OKR nicht herumkommen werden…

 

Murakamy: Bereits kurz nach deinem Start als CEO brach mit der Einführung von OKR eine neue Ära bei goldgas an. Welche Voraussetzungen mussten dafür noch geschaffen werden? Wie wurde der Change eingeleitet?

Philipp Teipel: Zunächst ging es für mich darum, zu prüfen und zu verstehen, wie sich die Transformation am besten strukturieren ließe. So gesehen starteten wir ganz klassisch erst einmal damit, den Purpose neu zu definieren. Wir fragten uns: Was ist der Daseinszweck für goldgas im Kontext von Energiewende und Digitalisierung? Hierbei waren natürlich auch Rahmenbedingungen zu beachten, wie die Rolle im Konzern und die Vergangenheit der Gesellschaft. Diese Überlegung bildete den Ausgangspunkt für unseren Change Prozess, in dessen Zentrum sich ein schneller Weg zur Klimaneutralität über einfache und günstige Produkte sowie Dienstleistungen für unsere Kunden und Kundinnen befindet. 

Um zu sehen, wie andere damit umgehen würden bzw. welche Wertekombination sich da herauskristallisiert, initiierten wir einen „Purpose Day“. Dafür luden wir zum einen Max Wittrock, einen der Gründer von mymuesli, ein. Er legte uns dar, was es heißt, wenn man sich auf eine unbekannte Reise mit einer klaren Vision und einem neuen Purpose begibt. Und auch, wie man den Weg dahin mit vielen Unwägbarkeiten umgehen kann. Das war sehr inspirierend! 

Zum anderen bekamen wir noch eine andere Keynote von einer Kollegin der VNG, unseres Mutterkonzerns. Diese öffnete uns hinsichtlich der Energiewende auch noch einmal etwas mehr die Augen für das Thema „grüne Gase“, also Wasserstoff, denn auch bei der VNG steht Gas im Fokus. Hier wurden uns die technologischen Entwicklungen sowie die Möglichkeiten aufgezeigt, auch mit grünen Gasen und Wasserstoff den Weg in die Klimaneutralität zu gehen. Auf dieser Basis überlegten wir uns, was dies nun konkret für uns bedeutet – und wie wir diesen Purpose für uns lebbarer und erfahrbarer machen sowie auch in die Realität umsetzen können.

 

M: Und wie kam im Anschluss das Thema OKR auf?

PT: Für mich war von vornherein klar: Wenn ich diese neue berufliche Herausforderung als CEO annehme, werde ich als Steuerungsmethode das OKR Framework etablieren! Das habe ich aus meinen Erfahrungen bei meinem vorherigen Arbeitgeber, der E.ON Tochter eprimo, klar abgeleitet. Dort fungierte ich als Head of Finance und Agile Lead – sowie auch OKR Champion. Die Einführung war also nur eine Frage des richtigen Timings...

M: Was macht das OKR Framework deiner Meinung nach so wertvoll für die Steuerung eines Unternehmens?

PT: Bei den Veränderungen, die der digitale Wandel hervorruft, und in unserem konkreten Fall auch das Thema Energiewende, ist ein Framework wie Objectives and Key Results meiner Meinung nach zur Führung einer Organisation inzwischen unabdingbar. Das Phänomen bei OKR ist, dass diese unglaubliche Veränderungsdynamik überall um sich greift. Nicht nur im Hinblick auf alle unternehmerischen Aspekte fordert und fördert OKR. Die Methode nützt vor allem den Mitarbeitenden sehr, wenn sozusagen der „Wald vor lauter Bäumen“ nicht mehr gesehen wird. Das ist unglaublich wertvoll!

Es wird transparent diskutiert, um einen Fokus zu definieren, was in einem Quartal wirklich wichtig ist und was eben nicht – nicht nur im Leadership Team, sondern im gesamten Unternehmen. Alle drei Monate wird nachjustiert und in jedem neuen Zyklus werden wieder alle Kräfte gebündelt, um die Ausrichtung anzupassen. Die Klarheit, die man darüber bekommt, und die Wirksamkeit über das permanente Verproben derselbigen sind fundamentale Faktoren, um erwünschte Ziele zu erreichen. Klarheit führt zu mehr Fokus, Transparenz zu mehr Alignment. Das sind die essenziellen „Klassiker“, die das Arbeiten mit dem OKR Framework mit sich zieht. 

Ich habe bisher keine andere Führungsmethode kennengelernt, die so konkrete Antworten gibt. Natürlich ist OKR kein „Allheilmittel“, jedoch ein wesentliches Instrument oder auch eine Philosophie, um den heutigen Herausforderungen gerecht zu werden. Und ich bin fest davon überzeugt, dass das Framework auch in sich agil bleibt und sich permanent weiterentwickeln wird.

 

M: Bei eprimo hast du als OKR Champion bereits eine OKR Implementierung aktiv mitgestaltet. Inwiefern ist es dir gelungen, dir deine Erfahrungen von damals zunutze zu machen?

PT: Auch wenn mein neuer Job bei goldgas auf dem gleichen Geschäftsmodell wie bei eprimo beruht, hat doch jedes Unternehmen seine eigene Organisationsarchitektur. Und eine andere Historie, mit anderen Menschen. OKR ist keine Blaupause, die sich kontextunabhängig überstülpen lässt. Man kann das Modell nicht einfach nur jedes Mal „nachzeichnen“. Das muss schon sensibler betrachtet werden.

Als wir das OKR Modell bei eprimo in Zusammenarbeit mit Murakamy etablierten, war Vieles explorativer. Es herrschte noch mehr Pioniergeist, denn 2016 gab es diesen Hype um OKR als Steuerungsmethode noch nicht so lange. Deshalb war das eine sehr spannende Zeit, in der wir auf diversen Ebenen sehr viel dazulernten – wir bei eprimo und ich persönlich mit OKR. Murakamy hat in der Vergangenheit schließlich auch viel assimiliert, um OKR permanent weiterzuentwickeln. Diese erweiterte Expertise machte die Einführung des Frameworks bei goldgas um Einiges leichter als damals.

 

M: Welche konkreten Learnings haben dabei geholfen?

PT: Grundsätzliche Dinge, wie z.B. die Themen Konsistenz, Kontinuität. Ganz wichtig bei OKR ist schließlich, wirklich an der Methode dranzubleiben – wohlwissend, dass dieses Lernen mit OKR eine Sache ist, die auch nie aufhört. Dafür braucht man Gelassenheit, alles Schritt für Schritt anzugehen und durchaus zuzulassen, dass es mal nicht so rund läuft. Und dann über Review und Retro aus Fehlern zu lernen. OKR bricht viel auf und macht die Dinge transparent, die in einer Organisation verändert werden müssen. Darüber muss man sich bewusst sein. Nur, wenn es gelingt, OKR tief in die DNA seines Unternehmens eindringen zu lassen, kann man auch von den erhofften Benefits profitieren.

 

M: Was natürlich impliziert, dass es durchaus auch mal „wehtun“ kann und Frust aufkommt…

PT: Ja, das ist einfach so und gehört zu dem Prozess dazu! Veränderungen ohne „Schmerzen“ gibt es nicht, das ist ein Wunschdenken. Bevor irgendwann ein gewisser Flow eintritt, muss man Frustrationen aushalten können. Aber die Erfahrung bringt die Gewissheit mit, dass diese Momente normal sind und man sie einfach dulden muss. Ich sage dazu immer: „Honor the struggle!“ Nach einer Weile weiß man, dass sie auch wieder vorübergehen und man dann idealerweise eine neue Entwicklungsstufe erreicht hat. Hier hilft natürlich auch ganz klar die Erfahrung, wenn man diesen Prozess bereits einmal durchlaufen hat.

 

M: Inwiefern hebt sich die zweite Einführung, die du aus der Sicht eines CEOs erlebtest bzw. erlebst, von der ersten ab? Was hat deine neue Rolle für Auswirkungen auf den Prozess?

PT: Als CEO hat man natürlich das Mandat zur Gestaltung – und kann einfach sagen: „So, wir setzen das jetzt um!“ (Lacht.) Aber es bringt ja auch nichts, wenn nur ich so viel von OKR halte. Am Ende war es wichtig und notwendig, den Nutzen der Methode gegenüber meinen Kollegen und Kolleginnen in der Geschäftsführung sowie den Teamleads herauszustellen, erklären zu können, was dabei genau passiert und warum uns das helfen kann – auch, wenn es bedeutet, dass man sich erst einmal kräftezehrenden Herausforderungen stellen muss.  Hierbei profitierte ich auf jeden Fall von meinen Erfahrungen, diesen Prozess zuvor bereits einmal miterlebt haben zu dürfen. So konnte ich deutlich einfacher und viel überzeugender transportieren, wie man so eine Lernkurve mit all ihren Höhen und Tiefen durchläuft.

 

M: Welche Unterschiede konntest du im Vergleich zur ersten OKR Einführung feststellen?

PT: Natürlich mussten sich zu Beginn alle erst einmal diversen Challenges stellen, aber mein Leadership Team spielte da super mit! Bis heute wurden die Vorteile des Nutzens von OKR auch nicht in Frage gestellt, was ich als eine sehr erfreuliche Entwicklung empfinde. Das Tempo, in dem wir nach dem Startschuss Fortschritte verzeichnen konnten, war deutlich höher, als ich es bei meiner ersten OKR Implementierung miterlebte. Das liegt an oben genannten Faktoren – und natürlich auch am Zusammenspiel mit Murakamy und unserem OKR Coach Tilman. Wir waren auf der Lernkurve bereits weiter, sowohl die Experten als auch ich persönlich.

 

M: goldgas umfasst rund 60 Mitarbeitende. Wie seid ihr den Rollout und das Herunterbrechen auf einzelne Ebenen angegangen?

PT: Zu Beginn deckten wir die Breite des Unternehmens über das komplette Leadership Team ab. Die ersten beiden Quartalszyklen waren stark an unserem Company Level orientiert. Mittlerweile liegt unser Augenmerk in den Workshops zunehmend auch auf den Team Sets. Diese waren zwar zuvor bereits involviert, mittlerweile befinden sie sich aber mehr im Fokus. Auf die Ebene einzelner Mitarbeitenden haben wir die Abbildung von OKRs noch nicht heruntergebrochen – und es ist auch noch offen, wie wir das in Zukunft handhaben werden. Wir müssen erst einmal prüfen, inwiefern das Sinn macht.

Als schlanke und schlagkräftige Organisation ist es meiner Erfahrung nach wichtig, diesen Rhythmus auch als Gesamtunternehmen bewusst mitzugehen. Aber natürlich unterscheidet sich hier das Potenzial im Detail und ist z.B. bei vertrieblichen Tätigkeiten, in denen es um Produktinnovationen geht, ein ganz anderes als im Rechnungswesen. Dennoch sollte der Rahmen, den OKR vorgibt, für alle gelten. Schließlich geht man den Weg ja gemeinsam als Team, auch wenn die Benefits sicherlich nicht für alle gleich sind bzw. der „Hebel“ je nach Tätigkeit ein anderer sein kann.

 

M: Und wie ist das Feedback im Unternehmen bzgl. der OKR Transformation? Wird das Thema von allen Seiten gut angenommen?

PT: Das Leadership Team hat sich ja bereits von Anfang mit dem Thema auseinandergesetzt – und mittlerweile auch ein gewisses Level erreicht. Bei den anderen Kollegen und Kolleginnen gibt es noch Unterschiede, inwieweit OKR schon bei ihnen angekommen ist. Der größte Mehrwert, der von Beginn der OKR Einführung an wahrnehmbar war, ist das Thema Transparenz! Durch unser Company Set hatten wir ja seit dem ersten Zyklus alle mit ins Boot geholt und aufgezeigt, welche Herausforderungen bzw. Ziele wir uns auf Unternehmensebene für das kommende Quartal gesetzt haben. Jeder hat sofort verstanden, wohin die Reise geht; dieser Impuls war von Anfang an gegeben. 

Wie zuvor bereits erwähnt, war der nächste logische Schritt in der Weiterentwicklung von OKR für unser zweites Jahr, den Fokus stärker auf die einzelnen Teams und Mitarbeitenden zu lenken. Und dabei auch konkret zu verfolgen, wie diese damit umgehen und zurechtkommen.

M: Welche wichtigen Fortschritte konntet ihr seit der Einführung von OKR erzielen?

PT: Nach einem Jahr mit OKR haben wir es geschafft, die „matschigen“ Verwerfungen, die von außen bei den Commodities Strom und besonders beim Gas auf uns eingeprasselt sind, zu meistern. Was, glaube ich, so in die Geschichte der Energiewirtschaft und unseres Geschäftsmodells als etwas noch nie Dagewesenes eingehen wird... 

Intern fanden vergangenes Jahr zudem einige große Weichenstellungen statt, die wir erfolgreich umsetzen konnten. Um uns rein auf unser B2C Geschäft konzentrieren zu können, verkauften wir unseren deutlich kleineren B2B Strang. Parallel dazu wechselten wir den Dienstleister für unsere Kundenbetreuung. Sowohl der Verkaufsprozess als auch der Dienstleisterwechsel haben enorm viele Ressourcen gebunden. Und daneben gab es noch ein paar weitere Themen, die anstanden. Ohne das Rahmenwerk des OKR Modells hätten wir uns wesentlich schwerer getan, diese Enabler alle zu orchestrieren – obwohl wir dafür ja erst einmal unsere komplette Organisationsstruktur neu aufbauen mussten. 

Die wichtigsten Benefits in unserem ersten OKR Jahr waren also, dass es uns gelungen ist, diesen Herausforderungen standzuhalten! 2022 konnten wir uns zum Ziel setzen, mithilfe von OKR noch stärker in die Gestaltung der Zukunft von goldgas einzutauchen. 

M: Kannst du das noch etwas genauer ausführen? Wo bestand bzw. besteht noch Optimierungspotenzial bei den OKRs?

PT: Hier liegt unser Fokus auf dem Backlog Prozess. Diesen müssen wir auf jeden Fall weiterentwickeln, um die Workshops noch effizienter durchlaufen und unsere Maßnahmen bzw. Ziele noch schärfer und schneller bestimmen zu können. Wer mit OKR beginnt, verfügt meist noch nicht über ein sauber gepflegtes, abgestimmtes Backlog. Wir zuvor auch nicht. Aber hat man die wichtigen Themen bereits im Vorfeld begriffen und nach bestimmten Kriterien bewertet, wird es immer leichter, die Company und Team Sets zu diskutieren und abzustimmen. Und das ist meiner Meinung nach noch mal ein wesentlicher Hebel, um Alignment zu schaffen. Das sehe ich definitiv als Booster!

M: Viele Unternehmen, die sich bei ihrer OKR Einführung von externen Experten begleiten lassen, holen sich Unterstützung für zwei bis drei Quartale. Eure Zusammenarbeit mit Murakamy war auf eineinhalb Jahre angelegt. Warum lohnt sich dieses Investment aus deiner Sicht?

PT: Bei all den Herausforderungen, die wir in den vergangenen Quartalen im Rahmen der OKR Implementierung hatten, war es unglaublich hilfreich, wichtig und letztlich auch notwendig, einen Experten an unserer Seite zu haben, der uns dabei unterstützt und auch challenged, eine neue Organisationsarchitektur zu etablieren.  Hier sehe ich die optimale Zeitspanne eher bei vier bis sechs begleiteten Zyklen und nicht nur bei zwei bis drei. Es dauert einfach eine Weile, um eine gewisse Stabilität in den ganzen OKR Prozess hineinzubekommen. Und da man schließlich von Quartal zu Quartal auch in gewissen Größenordnungen und Summen entscheidet, relativieren sich meiner Meinung nach auch die Kosten, die diese Hilfe in Anspruch nimmt. Aus meiner Erfahrung würde ich demnach sagen, dass sich die Kosten für einen professionellen Support ganz leicht rechnen.

M: Was versprichst du dir von der OKR Methode bei goldgas für die Zukunft?

PT: Ich sehe das OKR Modell als wesentliches System an, um die unserer Vision und unserem Purpose entsprechenden Ziele zu erreichen. Was einen permanenten Lernprozess für unsere Organisation und damit auch für jeden einzelnen Mitarbeiter und jede einzelne Mitarbeiterin bedeutet.  

Außerdem erhoffe ich mir von OKR, dass wir irgendwann an die Speerspitze der Methodik gelangen, um diese für uns weiterentwickeln und optimieren zu können. Sobald der Prozess sauber im Fluss ist, wollen wir noch tiefer in die Frage eintauchen, wie man auf Basis des aktuellen Wissens in der Organisation die besten Entscheidungen trifft. Und herausfinden, wie wir unsere Aktivitäten am besten priorisieren, damit es uns gelingt, den höchstmöglichen Nutzen daraus zu ziehen. Stand heute ist OKR bei uns schon sehr generisch, aber ich sehe noch großes Potenzial für die Weiterentwicklung. Sodass man gar nicht umhinkommt, diese Entscheidungslogiken noch mehr zu fundieren und auch agil anzupassen.

M: Kannst du dir inzwischen noch vorstellen, in einem Unternehmen zu arbeiten, das kein agiles Framework wie OKR etabliert hat – und demzufolge auch nicht von den Benefits profitiert?

PT: Ehrlich gesagt nein, eher nicht. Zwar kann ich aus eigener Erfahrung nicht beschreiben, wie das bei sehr großen Konzernen ist, in denen man über mehrere Segmente hinwegdenken muss. Aber für eine Organisation, wie ich sie derzeit verantworte, ist es meiner Überzeugung nach aktuell schwer, ein vergleichbares Instrument zu finden, das diesen Herausforderungen, denen wir uns dadurch stellen, besser Rechnung trägt. Vor allem auch in Krisenzeiten, wie wir sie ja gerade erleben.

M: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Energiepreise enorm in die Höhe getrieben…

PT: Auf Basis der massiven Preissteigerungen, die bereits Ende vergangenen Jahres eintraten, veränderte sich das B2C Geschäft schon sehr. Der dramatische Anstieg der Beschaffungskosten stellte alle Marktteilnehmer vor besondere Herausforderungen. Die Frage ist ja, wie man seiner Kundschaft vor diesem Hintergrund noch attraktive Leistungen bieten kann und gleichzeitig die wirtschaftliche Substanz des Unternehmens erhält. Aber wir gingen davon aus, dass sich das 2022 wieder ausschleichen würde. Aus heutiger Sicht leider viel zu optimistisch gedacht, denn durch Russlands Angriff auf die Ukraine Ende Februar kamen plötzlich Themen wie Versorgungssicherheit und Lieferstopp, also ein potenzielles Gasembargo auf. Alles Ableitungen, die deutlich über die ursprüngliche Preisproblematik hinausgehen. Und man darf nicht vergessen, dass diese „Zeitenwende“ auch für jeden ganz persönlich erst einmal eine große Herausforderung darstellt, mit der man einen Umgang finden muss – ganz jenseits des Geschäfts…

M: Welche Rolle spielt das OKR Modell beim Krisenmanagement?

PT: So eine Krisensituation mit den entstehenden Unsicherheiten muss natürlich auch in OKR reflektiert werden, was wir sofort im März bei einem Workshop mit unserem OKR Coach Tilman von Murakamy taten. Die Diskussion, worauf sich unser Fokus im nächsten Quartal richten soll sowie die Transparenz bezüglich der Themen, die sich daraus ergeben – zumindest die, die man selbst in der Hand hat – ermöglichte uns, die Ressourcen schnell an die richtige Stelle zu lenken. 

Wichtig ist, dass man nicht in Hektik gerät und deshalb Dinge einfach aufgibt, die mittel- wie langfristig wichtig für das Unternehmen und dessen Weiterentwicklung sind. Ohne OKR hätte man als Gesamtverantwortlicher eher die Tendenz, erst einmal alle anderen Prioritäten stillzulegen, um sich ausschließlich den Veränderungen widmen zu können, die die Krise nach sich zieht. Mit OKR und den dadurch etablierten Benefits wie eben Abstimmung und Transparenz kann man viel genauer und kurzfristiger reagieren, ohne „überreagieren“ zu müssen. Sodass weiterhin ein Teil der Belegschaft Themen fokussieren kann, die losgelöst von den Fragestellungen der Krisenproblematik sind.  

Diese Tatsache empfinde ich als eine der Quintessenzen des OKR Frameworks und gutes Learning aus der derzeitigen Situation! OKR erklärt die permanente Unsicherheit und die Veränderung implizit zum „new normal“, woher diese kommt. Ob aus guten Dingen, wie dem technologischen Wandel oder negativen Ereignissen wie einer Pandemie oder einem Krieg in Europa, ist hier irrelevant – das OKR System schafft den Rahmen für sehr schnelle Adaptionsprozesse, indem es diese als systemimmanent quasi als Routine versteht.  

M: Und auf emotionaler Ebene? Hast du das Gefühl, dass die Abbildung der Krisenthemen in OKRs den Mitarbeitenden auch ein Stück weit mehr Sicherheit gibt, eventuell den Druck herausnimmt?

PT: Auf jeden Fall! Durch diese Versachlichung resultiert Struktur, die natürlich eine größere Sicherheit vermittelt, als wenn man plötzlich einfach alles anders machen würde, weil es die Situation erfordert. Da man es sich mit OKR zur Routine macht, einmal im Quartal das neue Company Set im All Hands vorzustellen – also voll transparent für alle Mitarbeitenden der gesamten Organisation – lässt sich noch einmal sehr gut erklären, warum wir was bzw. wie inhaltlich fokussieren und welche unsere Zielsetzungen sind. 

Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei uns nun auf der Stabilisierung und Absicherung unseres Geschäfts. Dies auch allen zu kommunizieren, sorgt sicherlich dafür, dass eine Art festigender Rahmen entsteht, da aus der intensiven Abstimmung Alignment resultiert. Und weil die OKR Sets im gesamten Unternehmen für Klarheit sorgen, fällt es der Belegschaft viel leichter, Ruhe zu bewahren und keine operative Hektik oder gar Panik aufkommen zu lassen. Dies zeigen unsere wöchentlichen „Pulse Checks“, bei denen wir im Hinblick auf die persönliche Stimmung eine deutliche Besserung verzeichneten. Transparenz und Klarheit auf der Sachebene sind also gerade in Zeiten der Verunsicherung äußerst hilfreich!

Vielen Dank für deine spannenden Einblicke in deine Erfahrungen mit dem OKR Framework bei goldgas – und weiterhin viel Erfolg, lieber Philipp!

Interview & Text: Anika Keller