Haben wir verlernt, uns die richtigen Ziele zu setzen?
Marco Alberti
In unserer Arbeit stellen wir immer wieder fest, dass es vielen Menschen schwerfällt, ein richtig gutes Ziel zu formulieren. Aber wenn wir uns keine guten Ziele setzen können, ist es weniger wahrscheinlich, dass wir an den richtigen Dingen arbeiten und am Ende des Tages wirklich zufrieden sind. Woran liegt das und wie kann es besser gehen?
Häufig besteht der Prozess der Zielsetzung aus rein zahlengetriebenen Zielvorgaben: Steigerung von KPI A, mehr Besucher bei B oder ganz einfach: 20% mehr Umsatz mit Produkt x. Nach einem Jahr setzt man sich dann zusammen und stellt entweder fest: Die Zahlen wurden erreicht – oder auch nicht. Was fehlt, ist der Nutzen hinter den Zahlen und der Erkenntnisgewinn, warum die Zahlen erreicht wurden oder nicht, um daraus abgeleitet bessere Entscheidungen über die zukünftigen Ziele treffen zu können.
Wir halten also fest: Oft werden Kennzahlen und Indikatoren mit guten Zielen verwechselt, allen voran deswegen, weil sie messbar sind. Solche Ziele führen selten zu den erhofften Ergebnissen. Wir wollen daher beleuchten, wie der Fokus auf den Nutzen und die Erkenntnisse hinter den Kennzahlen dazu beitragen können, bessere Entscheidungen für zukünftige Ziele zu treffen.
Wie formuliere ich ein richtiges Ziel?
Nehmen wir ein griffiges Beispiel aus dem Alltag (Es geht uns hier explizit nicht um fragliche gesellschaftliche Ideale oder Sachverhalte auf eine äußerliche Betrachtung zu reduzieren, sondern lediglich um die Veranschaulichung eines Prinzips der Zielsetzung an einem nachvollziehbaren Beispiel!): Jemand fühlt sich in seinem Körper gerade nicht mehr so wirklich wohl und gesund und möchte daher abnehmen. Das Ziel ist in der Regel schnell formuliert: 5 kg abnehmen. Wir glauben, dass dies kein gut formuliertes Ziel ist. Warum?
Ein Ziel sollte immer ein konkreter Zustand in der Zukunft sein. „Abnehmen“ ist aber kein Zustand, sondern ein Prozess – und deswegen als Zielzustand per se ungeeignet. Zudem kann man aktiv nicht abnehmen. Man kann lediglich Dinge tun (oder lassen), die in der Folge dazu führen, dass man abnimmt. Der Zeiger auf der Waage ist ein Indikator dafür, ob man abnimmt, steigert aber nicht die Wahrscheinlichkeit, dass man abnehmen wird.
Man sollte sich also zunächst fragen, was hinter dem vermeintlichen Ziel von „5 kg abnehmen“ wirklich steckt. Die Grundintention könnte sein, „gesund alt zu werden“. Das ist für die Ebene der „operativen Ziele“ in dem Zusammenhang etwas weit weg, daher übersetzt man das Narrativ sinnvollerweise auf einem kürzeren Zeithorizont in ein konkretes Bild mit einem Nutzen: „Ich fühle mich in meinem alten Anzug auf der Hochzeit im September wirklich wohl“.
Wie identifiziere ich die richtigen Treiber?
Im nächsten Schritt identifiziert man die Treiber, die einen mit hoher Wahrscheinlichkeit näher an das Ziel bringen. Das können zum Beispiel sein:
Weniger Kalorien zu sich nehmen
Aktiven Kalorienverbrauch steigern
Dann definiert man die zentralen Ergebnisse: messbare Ergebnisse, von denen wir glauben, dass sie uns mit hoher Wahrscheinlichkeit ans Ziel bringen. In unserem Beispiel kann das sein:
Durchschnittlich 200 Kalorien pro Tag weniger zu sich nehmen
Durchschnittlich aktiv 200 Kalorien pro Tag zusätzlich verbrauchen
Sind die zentralen Ergebnisse messbar definiert, lassen sich zahlreiche Maßnahmen finden, die positiv auf die Ergebnisse einzahlen. Dabei ist der Lösungsweg offen, sodass man in der Phase der Umsetzung unterschiedliche Dinge ausprobieren und je nach Effekt auf die Ergebnisse stetig anpassen kann. Ist der Besuch im Fitnessstudio vielleicht nicht das Richtige, dann liefert vielleicht Schwimmen oder Radfahren die erwünschten Effekte.
Hoffentlich konnte das Beispiel verdeutlichen, dass es in der Realität nicht um die 5 Kilo geht, sondern darum, sich wohl zu fühlen und langfristig gesund zu bleiben. Die Kilogramm sind nur ein Indikator: Sie sind kein Selbstzweck, kein Treiber für den Erfolg und lassen sich im Endeffekt eben auch nur bedingt beeinflussen.
Übertragen auf die Realität im Unternehmenskontext mit OKRs bedeutet dies, dass man es sich nicht zu leicht machen sollte und reine Verbesserungen von KPIs als vermeintliche Ziele zu formulieren. Stattdessen sollte man sich sowohl mit dem konkreten inhaltlichen Nutzen (Objective), als auch mit den Ursache-Wirk-Zusammenhängen (Key Results) tief auseinandersetzen.
Was sind die riCHTIGEN ZIELE IN KOMPLEXITÄT?
In der Zeit von standardisierten Prozessen war es sicher hilfreich im Rahmen des MBO-Gedanken, Ziele in Form von klaren messbaren Indikatoren zu formulieren, da das Umfeld in der Regel gut erforscht war und klare Referenzen für die erstrebten Zielwerte vorlagen. In einer immer komplexeren Welt funktioniert der gleiche Denkansatz allerdings nicht mehr, da viele Zusammenhänge durch die Erreichung der Ziele überhaupt erst „erforscht“ werden müssen.
die Richtigen ZIele sorgen für ALIGNMENT & Agilität?
Auch im Austausch zwischen Mitarbeiter:Innen und Führungskräften hat das Ziel eine andere Rolle eingenommen. Es dient nicht mehr der Leistungskontrolle der aktuell erzielten Ergebnisse im Vergleich zu einem Benchmark oder Erwartungswert. Vielmehr dient das gemeinsame Ziel einer besseren Kommunikation über das, was wirklich inhaltlich erreicht werden soll und den Hypothesen, die dazu führen. Im Dialog lassen sich so Denkmuster erkennen und in eine Richtung verändern, die von beiden Seiten als nachvollziehbar und sinnvoll erachtet wird.
Durch die Formulierung des Nutzens und der gemeinsamen Wetten auf die Treiber in Form der Hypothesen wird eine agile Führung überhaupt erst möglich. Das „Was“ wird gemeinsam definiert, bevor jemand anfängt zu arbeiten. Das „Wie“ bleibt offen und kann während der Umsetzung ständig angepasst und variiert werden, um aus den gegebenen Ressourcen das meiste herauszuholen.
Die richtige Zielsetzung bleibt ein Balanceakt, der Kommunikation, Reflexion und Ehrlichkeit zwischen Führungskraft und Mitarbeitendem erfordert. Mit dem richtigen Framework wie zum Beispiel OKRs gelingt es erfahrungsgemäß deutlich einfacher und zuverlässiger als ohne strukturierten Ansatz zur Zielformulierung.
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